Bundestagsausschuss zur NSA: Keine Berlin-Reise für Snowden
Erneut wollte der NSA-Ausschuss den Whistleblower anhören – ohne Erfolg. Die Opposition will klagen. Hollande empört sich über den BND.
Die Absage kam kurz zuvor in einem Schreiben von Snowdens deutschem Anwalt Wolfgang Kaleck. Sein Mandant stehe „für die avisierte (Video-)Vernehmung nach wie vor nicht zur Verfügung“, heißt es in dem Brief, der der taz vorliegt. Dies habe man „bereits mehrfach“ mitgeteilt.
Damit muss der Ausschuss weiter ohne seinen prominentesten Zeugen auskommen. Bereits vor einem Jahr war eine Befragung gescheitert. Die Koalition will Snowden nicht direkt laden, um keinen Affront mit den USA zu provozieren. Offiziell heißt es, man wolle nicht gefährden, dass Snowden an die USA ausgeliefert werde. Eine Videoschalte lehnt wiederum Snowden wegen „Sicherheitsrisiken“ ab. Kaleck bekräftigte aber „eine grundsätzliche Aussagebereitschaft“ gegenüber dem Ausschuss.
Opposition will nochmal klagen
Die Opposition macht nun erneut Druck, dass Snowden doch noch nach Berlin reisen kann. Eine Klage vor dem Bundesgerichtshof stehe unmittelbar bevor, sagte der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz, der taz. Im Dezember 2014 war eine erste Klage der Opposition vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig abgewiesen worden. Snowden per Video zu befragen, nannte von Notz „irre“. „Wir können doch nicht vertrauliche Dokumente unter den Richtmikros des russischen Geheimdienstes besprechen.“
Mit Ärger reagierte der Ausschuss auch auf die jüngste BND-Enthüllung. Der Geheimdienst soll europäische Politiker, NGOs und Beamte abgehört haben, darunter den deutschen Diplomaten Hansjörg Haber und den französischen Außenminister Laurent Fabius. Die Opposition fordert nun, den Auftrag des NSA-Untersuchungsausschuss zu erweitern und alle Spähziele genannt zu bekommen. Auch das lehnt die Koalition bisher ab. Die Linken-Obfrau Martina Renner kündigte an, auch hier „alle Möglichkeiten auszuschöpfen“. Der Vorgang sei auch ein „Skandal der Bundesregierung“. Diese müsse erklären, ob sie den BND „noch unter Kontrolle“ habe.
„Nur Spitze eines Eisbergs an Schlamperei“
Inzwischen kritisierte auch Frankreichs Präsident François Hollande den BND. „Wir verlangen, dass uns alle Informationen zur Verfügung gestellt werden.“ Zwischen Verbündeten „kann es solche Praktiken nicht geben“.
Die Kritik schreckte auch die Koalition auf. Der SPD-Obmann im NSA-Ausschuss Christian Flisek sagte, „wenn Berichte über das Abhören des französischen Außenministers Laurent Fabius jetzt auch Frankreichs Präsident François Hollande auf den Plan rufen, sollte das Grund genug sein, dass der BND jetzt endlich alles auf den Tisch legt“. Offensichtlich sei bisher nur „die Spitze eines Eisberges an Schlamperei, Unfähigkeit und Organisationsversagen“ innerhalb des BND bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku