Bundestag debattiert Haushalt: „Ein einziger Verschiebebahnhof“
Der Bundestag debattiert abschließend den Haushalt für 2026. Grüne und Linke kritisieren soziale Schieflage, die AfD will Klimaschutz beenden.
Die 630 Bundestagsabgeordneten sind am Dienstag in die abschließende Debatte über den Haushalt für das kommende Jahr gestartet. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) mahnte, vom G20-Gipfel kommend: „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen“, und sieht die schwarz-rote Regierung da schon auf gutem Wege. Man investiere in die Infrastruktur, baue Bürokratie ab und senke Steuern.
Dagegen kritisierten Parlamentarier:innen von Grünen und Linkspartei den Haushalt als sozial unausgewogen und sehen eine Zweckentfremdung der Investitionsmilliarden. Auch die extrem rechte AfD übt grundsätzliche Kritik und will am liebsten sämtliche Beiträge für den Klimaschutz und die EU streichen.
Fest steht: Nie zuvor hatte der Bund mehr Geld zur Verfügung, rund 525 Milliarden Euro will man im nächsten Jahr ausgeben, wobei fast jeder dritte Euro durch Schulden finanziert wird. Im Kernhaushalt sind über 100 Milliarden Euro als Kredite eingepreist, weitere 83 Milliarden kommen aus Sondertöpfen, etwa dem 500 Milliarden schweren für Infrastruktur.
Haushalt mit sozialer Schieflage
Unionshaushaltspolitiker Matthias Middelberg lobte den Haushalt als „Investitionshaushalt“, mit dem Wachstum endlich wieder angeschoben werde. Dabei war die Union vor der Bundestagswahl noch vehement gegen neue Schulden und die Umgehung der grundgesetzlichen Schuldenbremse.
Sowohl Grüne als auch Linke Haushaltspolitiker kritisierten den Haushalt als „einzigen großen Verschiebebahnhof“. Von den neuen Krediten würde fast die Hälfte zweckentfremdet. Es ginge nicht um neue Investitionen, sondern darum, Geld für konsumtive Ausgaben freizuschaufeln, sagte etwa Andreas Audretsch von den Grünen und nannte als Beispiel sinkende Beiträge für die Bahn im Kernhaushalt.
Die eingesparten 14 Milliarden Euro würden zwar aus dem Sondervermögen Infrastruktur ersetzt, doch dieses sei ja eigentlich für zusätzliche Investitionen vorgesehen. „Sie hatten die historische Chance, 500 Milliarden in Schulen, Schienen und Kommunen zu investieren, und haben sie vertan“, so das Fazit des Grünen Fraktionsvizes. Audretsch merkte außerdem an, dass von den Steuerentlastungen vor allem das reichste Prozent profitierte, während das Leben für die breite Bevölkerung teurer werde.
Auch Isabel Vandre von der Linkspartei kritisierte die soziale Schieflage des Haushalts. Während Kommunen sparen müssten und etwa Antidiskriminierungsstellen auf der Kippe stünden, würde Reichtum „absurd“ bevorteilt. Die Koalition tue zu wenig gegen Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität, während sie denen, die darauf angewiesen seien, den letzten Cent nähme. Vandre forderte, Steuerschlupflöcher für Millionenerben zu schließen und Vermögen zu besteuern.
Generaldebatte am Mittwoch
Die AfD kritisierte die Schulden als „absoluten Wahnsinn“, will aber selbst großzügig Steuern senken, den CO2-Preis abschaffen und somit die Einnahmebasis verkleinern. Gegenfinanzieren wollen die extrem Rechten das, indem sie 35 Milliarden Euro für den Klimaschutz und 48 Milliarden für die EU streichen. Aus Sicht der AfD-Abgeordneten Iris Nieland ist dieses Geld „verschleudert“.
Höhepunkt der viertägigen Haushaltsdebatte ist die Generalaussprache am Mittwoch, in welcher auch der Kanzler ans Redner:innenpult tritt. Ein Ort, an dem sich Friedrich Merz bekanntlich wohlfühlt.
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