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Bundestag bleibt großGroKo setzt Wahlrechtsreform durch

Nach jahrelangem Streit hat der Bundestag eine Reform des Wahlrechts beschlossen. Untauglich, so die Opposition. Auch Teile der CDU enthielten sich.

Eine größere Reform inklusive Reduzierung der Wahlkreise – soll es erst für die Wahl 2025 geben Foto: ap

Berlin dpa | Nach jahrelangen ergebnislosen Debatten über eine Verkleinerung des Bundestags hat die große Koalition gegen den Widerstand der Opposition eine Wahlrechtsreform durchgesetzt. FDP, Linke und Grüne lehnten den Entwurf von CDU/CSU und SPD am Donnerstag strikt ab, weil er aus ihrer Sicht völlig untauglich ist, um die angestrebte Verkleinerung des auf 709 Abgeordnete angewachsenen Parlaments zu erreichen. Die Koalitionsfraktionen brachen mit ihrem Vorgehen auch mit der Tradition, Änderungen am Wahlrecht möglichst mit breiter Mehrheit zu verabschieden.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und sechs weitere CDU-Abgeordnete versagten dem Gesetzentwurf aus den eigenen Reihen die Zustimmung. Offenbar aus Enttäuschung über die auch von Fachleuten als weitgehend wirkungslos kritisierten Regelungen enthielten sie sich der Stimme. Das zeigt das vom Bundestag veröffentlichte Ergebnis der namentlichen Abstimmung.

Zur Wirkung der Reform sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann: „Es wird keinen Dämpfungseffekt geben.“ Haßelmann sprach von „Flickschusterei“. Die Koalition sei „kläglich gescheitert“, sagte sie. „Der Entwurf ist objektiv ungeeignet, den Bundestag zu verkleinern. Er wirft verfassungsrechtliche Fragen auf, die völlig ungeklärt sind“, sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Der entscheidende Hebel, eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise, fehle zunächst.

Dagegen betonte Philipp Amthor von der CDU: „Wir haben ein faires, ein verfassungskonformes Modell gefunden.“ Und: „Wir sehen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung entspannt entgegen.“ Der SPD-Abgeordnete Mahmut Özdemir nannte das Gesetz eine „ehrliche Lösung, weil sie den wenigsten Schaden anrichtet, weil sie wirksam ist, weil sie verbindlich ist, weil sie verständlich ist“.

Fachleute kritisieren die GroKo-Reform

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen wurde mit 362 Ja- und 281 Nein-Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen. CDU/CSU und SPD haben zusammen 398 Sitze im Bundestag. Ein gemeinsamer Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken fand ebenso keine Mehrheit wie ein AfD-Entwurf.

In der Debatte wies der Linken-Politiker Friedrich Straetmanns darauf hin, dass bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags sechs von sieben Fachleuten den Gesetzentwurf zerpflückt hätten. „Der Bundestag wird nach Ihrem Wahlrechtsreförmchen und mit der Zahlengrundlage aller aktuellen Umfragen noch deutlich weiter wachsen, auf über 800 Abgeordnete.“

Albrecht Glaser von der AfD meinte, einen „Totalverriss“ wie in der Anhörung habe er noch nicht gehört. Drei Jahre habe die Koalition jede Reform verhindert. „Und das jetzt zusammengenagelte Stückwerk ist keine Reform.“

FDP, Linke, Grüne und AfD konnten sich auch durch ein am Donnerstag bekannt gewordenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bestätigt fühlen. Es bescheinigt dem Modell von CDU/CSU und SPD eine nur geringe Wirkung.

Die Normgröße des Parlaments ist weit überschritten

Bezogen auf das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 wäre damit eine Absenkung der Gesamtsitze auf bis zu 682 Abgeordnete möglich gewesen, heißt es darin. Die Regelungen hätten also „eine Ersparnis von bis zu 27 Abgeordneten gebracht“. Im aktuellen Bundestag sitzen 709 Abgeordnete, die Normgröße des Parlaments beträgt 598 Sitze.

Nach dem Koalitionsentwurf soll es bei der Wahl in einem Jahr bei der Zahl von 299 Wahlkreisen bleiben. Überhangmandate einer Partei sollen teilweise mit ihren Listenmandaten verrechnet werden. Und beim Überschreiten der Regelgröße von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden.

Eine größere Reform – dann auch mit einer Reduzierung der Wahlkreise – soll es nach dem Willen der Koalition erst für die Wahl 2025 geben. Dazu soll eine Reformkommission aus Wissenschaftlern, Abgeordneten und weiteren Mitgliedern eingesetzt werden, die spätestens bis zum 30. Juni 2023 ein Ergebnis vorlegen soll.

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1 Kommentar

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  • Was ich nocht nicht ganz verstehe ist wie das mit den 3 unausgeglichenen Überhangmandaten sein soll. Denn es gibt doch zweierlei Überhangmandate - erstens die die eine Partei gewinnt wenn sie als ganze mehr Wahlkreise gewinnt als ihr Mandate zustehen, und zweitens die die entstehen wenn bei der Verteilung der einer Partei zustehenden Mandate auf die Landeslisten enstehen wenn eine Partei nur in einem Land mehr Mandate gewinnt als ihr in diesem Land zustehen.

    Ersteres kann eigentlich nur bei der CSU passiert, ist aber von Wahlrecht her ziemlich uninteressant. Denn diese können einfach bei der überhängenden Partei bleiben, die Mehrsitze liegen ja klar am Wählerwillen. Überhangmandate der zweiten Art führen aber, wenn sie nicht ausgeglichen werden, unweigerlich zu einem negativen Wahlgewicht, d.h. mehr Zweitstimmen können zu weniger Mandaten führen. Dies kann eigentlich nur der CDU passieren. (Früher kam das auch bei der SPD vor.) Das negative Stimmgewicht hat das BVG aber ausdrücklich als verfassungswiedrig verboten (nicht die Überhangmandate, die eine Folge sind, sondern jedes Wahlrecht dass ein negatives Wahlgewicht ermöglicht).

    Wenn also wie zu lesen ist es auch vorkoomen kann dass die CDU drei unausgeglichene Überhangmandate hat, kann das Wahlrecht nicht verfassungskonform sein...