Bundesratsinitiative für Gleichstellung: Hamburg für Öffnung der Ehe
Statt jede einzelne Beschränkung für homosexuelle Paare gerichtlich aufheben zu lassen, will Hamburg jetzt mehr: die vollständige Öffnung der Ehe.
BERLIN taz | Hamburg ruft nach dem großen Wurf. „Wir wollen jetzt die Ehe für Homosexuelle öffnen. So können wir sämtliche Diskriminierungen mit einem Schlag beseitigen“, erklärte die Hamburger Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) nach dem Karlsruher Urteil. „Es ist mir zu wenig, nur peu à peu die Urteile des Bundesverfassungsgerichts durch einzelne Gesetzesänderungen nachzuvollziehen.“
Ansatzpunkt ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), in dem das Wesen der Ehe definiert wird: Dort könnte geregelt werden, dass die Ehe eine Lebensgemeinschaft von zwei Personen – verschiedenen oder gleichen Geschlechts – ist.
Die Hansestadt bereitet jetzt einen Antrag für den Bundesrat vor. Darin fordert sie die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe einzubringen. „Wir wollen noch vor den Wahlen ein starkes Signal des Bundesrats an die untätige Bundesregierung senden“, sagte Schiedek der taz.
Andere Mehrheiten
Einen ähnlichen Antrag hatte Berlin schon 2010 in die Länderkammer eingebracht. Er scheiterte allerdings. „Jetzt gibt es aber andere Mehrheiten als 2010“, betont Schiedek. Seit der Niedersachsen-Wahl hat das rot-grüne Lager eine Mehrheit in der Länderkammer. Damit scheint auch eine Mehrheit für den Hamburger Vorstoß sicher.
Bisher gibt es in Deutschland für homosexuelle Paare nur die eingetragene Partnerschaft, die 2001 unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführt wurde. Schwule und lesbische Partnerschaften haben demnach die gleichen Pflichten und inzwischen auch die meisten Rechte eines Ehepaars. Der Gesetzgeber hat bereits mehrfach nachgebessert. Teilweise half auch das Bundesverfassungsgericht nach: Es forderte Gleichstellung zum Beispiel bei der betrieblichen Altersversorgung, der Erbschaftsteuer und im Beamtenrecht.
Die Detailregelungen wären dann überflüssig
Eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle würde all diese Detailregelungen für eingetragene Partnerschaften überflüssig machen. Für verheiratete Homosexuelle gälten dann die gleichen Regeln wie für heterosexuelle Ehepaare. Die Chancen dafür stehen gut, wie eine Aufstellung des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD) zeigt.
Vorreiter waren die Grünen, die schon seit 2005 eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle fordern. Die Linke zog im Oktober 2011 nach, die SPD auf einem Parteitag im Dezember 2011. Kurz darauf brachte die SPD-Fraktion den Antrag in den Bundestag ein, das „Recht auf Eheschließung auch gleichgeschlechtlichen Paaren“ zu ermöglichen. Im April 2012 fasste auch die FDP einen entsprechenden Beschluss: „Alle Paare sollen die Ehe eingehen können. Bei Rechten und Pflichten machen wir keine Unterschiede zwischen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und Ehegatten“, heißt es in ihrem neuen Grundsatzprogramm. Nur die CDU hinkt wie immer hinterher.
Nach der Bundestagswahl im September hätte also jede Regierung, an der die CDU nicht beteiligt ist, eine Mehrheit für die Öffnung der Ehe. Das Projekt könnte damit schon Ende des Jahres umgesetzt werden. Die Verfassung müsste hierfür wohl nicht geändert werden: Das Grundgesetz schützt zwar die Ehe in Artikel 6, definiert sie aber nicht. Bisher hat das Bundesverfassungsgericht die Ehe so definiert, dass sie „Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft vereint“. Die Verfassungsrichter haben sich aber offen gezeigt, auf einen gesellschaftlichen „Wandel des Eheverständnisses“ zu reagieren.
Ein solcher Wandel wurde nicht nur durch die eingetragene Partnerschaft ausgelöst, die heute weithin als „Homo-Ehe“ bezeichnet wird und kaum noch Unterschiede zur Ehe aufweist. Auch in der Bevölkerung befürwortet eine deutliche Mehrheit von 60 Prozent die Öffnung der Ehe, ergab eine Umfrage im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung 2011.
In Europa haben bereits Staaten wie die Niederlande, Belgien, Spanien, Norwegen, Schweden, Portugal und Dänemark die Ehe für homosexuelle Paare geöffnet. Deutschland würde also nur eine allgemeine Entwicklung nachvollziehen.
Leser*innenkommentare
Arbeiterkind
Gast
@Lukas K. („Ich verstehe die Konservativen einfach nicht.“):
Ich verstehe das so:
Der verfassungsmäßige Schutz von Ehe und Familie ist ein Schutz gegenüber Einfluss- und Eingriffsversuchen des Staates. Er ist ein Grundrecht neben anderen, die zur Abwehr gegen den Staat dienen, der dazu neigt, seine Eingriffsmöglichkeiten immer weiter auszuweiten und sie auch zu nutzen.
Man hat sich also in einem ersten Schritt irgendwann mal darauf geeinigt, dass der Staat in die Familie (zunächst einmal verstanden als Mutter-Vater-Kind-Einheit), die jeder Mensch hat, auch gleichgeschlechtlich Liebende (als Kinder), nicht eingreifen darf, sie nicht trennen darf. Relevant wird das z.B. bei Familienzusammenführungen von Asylbewerbern oder Migranten. Für den Staat ist das alles aber mit Kosten verbunden.
Man kann das auszuweiten. Konservative schrecken aber vor der Veränderung von Institutionen, die funktionieren, zurück und fragen: Welche unbeabsichtigten Folgen hätte das?
Welche unbeabsichtigten Folgen könnten also auftreten?
Da mit jeder Ausweitung des Ehe- und Familienbegriffs auch die Kosten für den Staat steigen (mehr Steuererleichterungen, mehr Familienzusammenführungen), wird dieser gegensteuern. Gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen sind vermutlich nicht das Problem, polyamore Großverbände schon eher (Asylbewerber mit x Ehepartnern, Steuererleichterungen für x Menschen). Also wird der Staat mit der Zeit die Erleichterungen und Pflichten runter schrauben: lieber Ehegattensplitting für keinen, als für noch mehr Paare, lieber Familienzusammenführungen abschaffen, als die Viertfrau auch noch aufnehmen.
Aus Sicht der Konservativen gerät bei diesem Prozess die Institution unter die Räder, die von Natur aus die Reproduktion von Staat und Gesellschaft gewährleistet: die Mann-Frau-Verbindung, aus der Kinder hervorgehen. – Und das ist dann der Punkt, an dem der Homophobie-Vorwurf kommt, statt eines Kompromissvorschlags, mit dem gleichgeschlechtliche Paare und Konservative leben könnten.
Sören
Gast
Ich glaube, dass der Vorschlag des Senats der sinnvollste und praktischste Weg wäre. Es würde uns ein gutes Stück weiter bringen zu einer Gesellschaft, in der alle die gleichen Rechte (aber auch Pflichten) haben.
Außerdem würde die Politik endlich wieder selber gestalten, und nicht nur auf ein Urteil des Verfassungsgerichtes reagieren müssen.
Der konservative britische Premierminister hat die Ausweitung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare damit begründet, dass er als Fan der Institution Ehe möchte, dass soviel Menschen wie möglich sie in Anspruch nehmen können. Darüber sollte die Kanzlerin mal nachdenken.
harry
Gast
ein guter vorstoß. kann man nur unterstützen.
die gleichgeschlechtlich orientierten grünen wähler sollten unbedingt mehr druck auf die partei machen. ich würde die grünen nur wählen, wenn vorher ganz dutlich gemacht ist, dass es auf bundesebene auf keinen fall eine koalition mit cdu - beteiligung gibt. diese partei unterläuft mit ihrer homophoben, kirchenorientierten politik dermaßen alle fortschrittlichen entwicklungen für die anerkennung von lesben und schwulen dass eine koalition mit ihr für mich eine beleidigung wäre. bevor hier nicht eindeutig und verbindlich von der grünen parteispitze stellung bezogen wird , kann ich die grünen nicht wählen.
Lukas K.
Gast
Ich verstehe die Konservativen einfach nicht. Mit welchem Recht beschränken sie die Rechte anderer und noch unverständlicher: Was bringt ihnen das? Wenn auch gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert wären, würde das der Typische CSU-Wähler in seinem bayrischen Kaff wahrscheinlich nichtmal merken!
Grüße
Lukas K.