Bundespräsident Steinmeier in Estland: Schutz, Solidarität und Eurofighter

Der Bundespräsident besucht Estland. Begrüßt wird er von Eurofightern, trifft ihre Besatzung und sichert den Esten deutsche Unterstützung zu.

Frank-Walter Steinmeier und Alar Karis

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Alar Karis, Präsident von Estland am Mittwoch in Tallinn Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

ÄMARI/TALLINN taz | So wird auch Frank-Walter Steinmeier nicht häufig begrüßt. Als sich der Airbus A319 des Bundespräsidenten am Mittwochmorgen dem Militärflughafen Ämari im Norden Estlands nähert, tauchen an dessen rechter Seite plötzlich zwei Eurofighter auf und eskortieren das Flugzeug bis zur Landung. Der eine Kampfjet ist von der Bundeswehr, der andere von der britischen Royal Airforce – so wird hier gleich die internationale Zusammenarbeit innerhalb der Nato demonstriert.

Zwei Tage lang besucht der Bundespräsident Estland. Er will sich ein Bild von der Arbeit der Bundeswehr-Soldat*innen an der Nato-Ostflanke machen – und zeigen, dass Deutschland an der Seite des Baltikums steht. Fast alle Länder an der östlichen Natogrenze hat Steinmeier seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine besucht, auch in Lettland und Litauen war er bereits. Bislang fehlte Estland, das eine fast 300 Kilometer lange Grenze zu Russland hat.

„Hier in Estland leben die Menschen nur wenige Kilometer entfernt von der russischen Grenze“, sagt Steinmeier am Mittag, als er in einem Hangar vor einem Eurofighter steht, der gerade gewartet wird. „Wir müssen verstehen, dass hier die Angst groß ist, dass auch die baltischen Staaten Opfer eines russischen Angriffs werden.“ Seine Botschaft sei ganz klar: „Die Nato ist bereit, jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebiets zu verteidigen.“ Auf Deutschland sei Verlass. Gemeinsam mit den USA und Großbritannien sei Deutschland inzwischen der größte Truppensteller an der Ostflanke der Nato.

In Ämari sind 150 deutsche Sol­da­t*in­nen stationiert, etwa ein Dutzend von ihnen sind Frauen. Seit vergangener Woche sind die Deutschen hier gemeinsam mit ihren britischen Kol­le­g*in­nen für das „Airpolicing“, also für den Schutz des Luftraums zuständig. Jeweils ein Eurofighter der Luftwaffe und einer der Royal Air Force stehen rund um die Uhr zum Einsatz bereit. Sie sollen unbekannte Flugzeuge, die sich ohne Funkkontakt oder Transpondersignal nahe des baltischen Luftraumes befinden, „abfangen“, sagt Presseoffizier Alexander Feja. Das bedeutet nicht abdrängen, wie man denken könnte, sondern „visuelles Identifizieren“. Danach würden die Flugzeuge begleitet. Wird ein Alarm ausgelöst, haben die Eurofighter eine Viertelstunde, dann müssen sie in der Luft sein.

Alarmrotte zum ersten Mal gemeinsam im Einsatz

Die Zusammenarbeit mit den Briten, so Feja weiter, gebe es nicht nur bei Piloten und Technikern, sondern auch in anderen Bereichen wie dem Objektschutz. Vier Stunden bleibt Steinmeier auf der Militärbasis, zwei Eurofighter proben einen Einsatz für ihn, ein deutsch-britisches Technikerteam erklärt ihm die Kampfjets, beim Mittagessen sucht er das Gespräch mit deutschen und britischen Soldat*innen. „Ich bin auch hier, um den Soldatinnen und Soldaten meinen herzlichen Dank zu sagen für den Einsatz, den sie leisten“, so der Bundespräsident.

Am Dienstag war die „Alarmrotte“ zum ersten Mal gemeinsam im Einsatz. Seit die Luftwaffe im August nach Ämari gekommen ist, ist sie insgesamt 28 mal wegen eines Alarms gestartet. „Wir haben hier keine Zunahme bei den Luftraumgrenzverletzungen in den letzten Jahren“, sagt der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, der mit dem Bundespräsidenten nach Estland gekommen ist. Es ist für Zorn eine Art Abschlussreise. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat ihn von seinem Amt enthoben, am Ende der Woche ist es vorbei. „Das ist eine klare politische Entscheidung, die trage ich vollständig mit“, sagt Zorn dazu. Der Grund für seine Abberufung sei der Neubeginn der Bundeswehr. Er habe am Montag ein gutes Gespräch mit dem Minister geführt, er gehe jetzt in Ruhestand.

Christoph Hachmeister, der Kontingentführer der Deutschen in Ämari, betont, dass die Bundeswehr in Estland gut ausgestattet sei. Die Wehrbeauftragte Eva Högl hatte in ihrem Bericht am Dienstag kritisiert, dass es an allen Ecken mangele und die „Zeitenwende“ bei der Bundeswehr noch nicht angekommen sei, davon will Hachmeister zumindest hier bei seinen Eurofightern nichts wissen. „Wir kommen unserem Auftrag nach“, sagt er.

Deutsche und Briten werden in Estland einen Monat lang gemeinsam Einsätze fliegen. Ende April übernimmt die Airforce vollständig, dann ziehen die Deutschen ab. Seit 2014, als Russland die Krim völkerrechtswidrig annektierte, teilen sich die Nato-Staaten, die Eurofighter haben, den Einsatz in Estland.

Estland und Deutschland betonen enge Verbundenheit

Beim Gespräch mit dem estnischen Präsidenten Alar Karis steht am Nachmittag die Sicherheitspolitik im Mittelpunkt. Karis dankt Deutschland für die Unterstützung der Ukraine. „Die Bedeutung Deutschlands für die europäische Sicherheit kann nicht überschätzt werden“, sagt er in einer kurzen Pressekonferenz. Deutschland und Estland seien enge Verbündete in der EU und in der Nato.

Das war nicht immer so. Lange haben die baltischen Staaten erst den russlandfreundlichen Kurs der Deutschen, dann das erst zögerliche Umschwenken kritisch beäugt. Der Bundespräsident lässt keinen Zweifel daran, dass sich das geändert hat. „Deutschland steht zu seiner Verantwortung in der EU und in der Nato“, sagt er. „Darauf kann sich Estland verlassen.“ Am Donnerstag ist ein Gespräch Steinmeiers mit Ministerpräsidentin Kaja Kallas geplant.

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