Bundesmarine bei Mittelmeermission: Das ist der falsche Libyen-Einsatz
Will Deutschland seine Vorreiterrolle ernst nehmen, arbeitet es an einer politischen Lösung für den Libyen-Konflikt. Ein Marineeinsatz hilft nicht.
E insatz von Militär ist kein Selbstzweck. Es dient dem Erreichen eines politischen Ziels, das auf rein politischen Wegen unerreichbar ist. Aus dieser Perspektive könnte die Entsendung einer deutschen Fregatte in die EU-Marinemission „Irini“, die im Mittelmeer die Einhaltung des UN-Waffenembargos gegen Libyens Kriegsparteien überwachen soll, eine gute Idee sein. Wenn damit denn ein politisches Ziel erreicht werden könnte.
Deutschland steht in Libyen in der Pflicht. Die Bundesregierung richtete im Januar in Berlin eine Libyen-Konferenz aus, die einen Friedensprozess einleiten sollte. Erster Schritt: Keine Waffenlieferungen mehr an die Kriegsparteien. Das war die Grundlage der Mission „Irini“.
Die libysche Wirklichkeit aber tickt anders. Nicht das Waffenembargo, sondern sein Bruch hat Libyen dem Frieden nähergebracht. Weil die Türkei die Regierung in Tripolis aufrüstete, ermöglichte sie dieser, der Belagerung der libyschen Hauptstadt durch den von Russland, Ägypten und den Arabischen Emiraten aufgerüsteten Rebellengeneral Chalifa Haftar ein Ende zu setzen. Die Menschen in Tripolis haben endlich Ruhe, nach Tausenden Toten und Hunderttausenden Vertriebenen.
Noch ist Libyen insgesamt nicht befriedet. Die Kontrahenten stehen sich jetzt in der Wüste gegenüber, bis an die Zähne bewaffnet und bereit zum Losschlagen. Doch leben da viel weniger Menschen, und das Schreckgespenst eines türkisch-russischen Stellvertreterkriegs gilt als so brandgefährlich, dass allein seine Existenz das Fenster zu einer politischen Lösung öffnet.
Wenn Deutschland seine Vorreiterrolle ernst nehmen will, arbeitet es jetzt an dieser politischen Lösung und bietet sich als „ehrlicher Makler“ für friedenswillige libysche Akteure an. Die EU-Marinemission ist nach jetzigem Stand der Dinge kein Teil dieser Lösung, denn sie ist einseitig: Sie stört die Türkei, nicht aber Russland oder Haftars arabische Verbündete. Eher müsste Deutschland sich für eine noch zu gründende UN-Beobachtermission an der libyschen Front bereithalten. Wagt jemand in Berlin, das laut zu sagen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen