Bundesliga bald mit Zuschauenden: Erst Reformen, bitte!
200 im Theater gleich 5.000 im Stadion, findet DFL-Chef Seifert. Der Verband sollte sich aber erst mal mit den Forderungen der Fans beschäftigen.
D ie strikten und für alle geltenden Coronamaßnahmen mögen manche in die Verzweiflung treiben, die Deutsche Fußball-Liga dagegen kann das sportlich nehmen. De facto seien Großveranstaltungen bis zum 31. Oktober zwar ausgeschlossen, erklärte DFL-Chef Christian Seifert der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, aber man sei mit dem Bundesgesundheitsministerium bereits im Austausch über ein Hygienekonzept.
Die DFL möchte die Saison ab Mitte September mit einer begrenzten Zahl von Zuschauern beginnen. Letztlich, bekundete Seifert, sei es egal, ob man 200 Menschen im Theater oder 5.000 Menschen im Stadion einließe. Es gehe um individuelle Lösungen.
Die Funktionäre setzen damit auf das bewährte Zusammenspiel mit der Politik, das ihnen Mitte Mai eine besondere Stellung bescherte. Während Schulen, Kitas und Betriebe weiter im Corona-Ausnahmezustand gehalten wurden, gingen die Fußballprofis wieder ihrem Alltagsgeschäft, das keine Abstandsregeln kennt, nach. Dem Vorwurf der Sonderstellung begegnete die DFL mit einem allgemeinen Argument: Jede existenzbedrohte Branche würde mit allen Mitteln für ihr Fortbestehen kämpfen. Warum sollte die DFL zurückstehen?
Die Resonanz in der Bevölkerung auf die Vorfahrtsregel für den Fußball fiel jedoch so unfreundlich aus, dass sich die Deutsche Fußball-Liga plötzlich nachdenklich gab, gar erstmals Fehlentwicklungen im Milliardengeschäft der vergangenen Jahre einräumte und Einsicht sowie Umkehr signalisierte. Eine „Taskforce Zukunft Profifußball“ soll sich ab September Gedanken machen. Doch diese Demutsgesten sind wenig glaubwürdig.
Skeptische Fans wollen schon vor September verbindliche Schritte sehen und haben deshalb die Initiative „Unser Fußball“ gegründet. Denn schon wandern wieder Millionensummen im Transfergeschäft über den Tisch. Das wäre auch die bessere Reihenfolge: Zuerst beschäftigt sich die DFL mit Reformen ihres Geschäftsmodells. Bis der Verband zu einem Ergebnis gekommen sein wird, dürfte auch der Einlass von Zuschauer:innen unbedenklich sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren