Bundesliga und Corona: Heikles Unterfangen
Die Bundesliga muss erst mal ohne Zuschauer auskommen. Für den Weg zurück in die Normalität ist Verantwortungsbewusstsein der Fans essenziell.
F ußball ist gerade nicht das Wichtigste. Oder wie es am späten Montagnachmittag nach der Konferenz der Fachpolitiker:innen etwas konkreter und staatstragender formuliert wurde: Die mögliche Rückkehr von Fußballfans in Pandemiezeiten habe aus Sicht der Gesundheitsminister:innen der Länder keine Priorität.
Das mag banal klingen, so selbstverständlich ist dieses Ergebnis in einem Land, dessen beide größten TV-Nachrichtensendungen am Abend der Explosionskatastrophe von Beirut nichtsdestotrotz die Publikumspläne der Deutschen Fußball Liga als Erstes präsentierten, nicht.
Um mit den Forderungen nicht allzu dreist zu wirken, hatte der DFL-Geschäftsführer Christian Seifert kürzlich betont, die Stimmungslage habe sich aufgrund der wieder zunehmenden Infektionszahlen gedreht. Zuvor habe man noch positive Signale aus der Politik für das Zuschauerkonzept erhalten. Erneut schien es so, als könnten sich die deutschen Fußballunktionäre wie beim weltweit schnellsten Restart der Fußballprofis im Mai auf politische Vorzugsbehandlung vertrauen.
Dabei sind zwei der nun auch vorgebrachten Argumente gegen die DFL-Pläne ganz unabhängig von der Zahl der Corona-Infizierten nicht zu entkräften. Die Gesundheitsämter sind in den Monaten, in denen ein geregelter Schulbetrieb wieder ermöglicht werden soll, völlig überlastet. Und die Hygienekonzepte mögen das Geschehen in den Stadien halbwegs im Blick haben – aber was davor und danach in den öffentlichen Verkehrsmitteln oder vor Bierverkaufsständen passiert, entzieht sich der verantwortungsvollen Kontrolle.
Befristete Entscheidung
Die Zurückstellung des Fußballs ist freilich nur eine auf Zeit. Nach dem 31. Oktober, hieß es am Montag, könne man die Lage neu diskutieren. Bereits in den letzten Wochen haben sich mit Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Innenminister Horst Seehofer politische Prominenz mit gesundheitspolitisch nicht allzu fundierten Argumenten für die DFL-Pläne starkgemacht. Seehofer erklärte, er habe die Erfahrung gemacht, auf die DFL sei Verlass.
Wenn die Fußball-Wirtschaftsunternehmen am Laufen gehalten werden sollen, wird man sich aber testweise auf das Eigenverantwortungsgefühl des Publikums verlassen müssen. Ein heikles Unterfangen, das angesichts der massenmagnetischen Wirkung von Fußball sachte und bedacht in Angriff genommen werden sollte. Das Prinzip „Fußball first“ verspricht gerade in Pandemiezeiten keinen politischen Gewinn mehr.
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