Bundeskanzlerin über NSA-Spitzelei: Dr. Angela Unwissend
In der letzten großen Pressekonferenz vor der Sommerpause soll es um wichtige Themen gehen. Doch die Kanzlerin wiederholt nur Selbstverständlichkeiten.
BERLIN taz | Bitte nicht mit Detailfragen zur Überwachungsaffäre nerven. Die Kanzlerin macht gleich zu Beginn klar, was von ihr zu erwarten ist – und was nicht. Ihr sei völlig unmöglich, eine Analyse des Spähprogramms Prism vorzunehmen, sagt Angela Merkel. Denn dies sei ja gerade Gegenstand der Aufklärung. „Als Kanzlerin habe ich eine übergeordnete politische Aufgabe.“ Und: Wer mit der Erwartung gekommen sie, sie könne das Ergebnis der Aufklärung verkünden, liege falsch.
Merkel hätte sich vermutlich einen anderen Tag für ihre traditionelle Pressekonferenz vor der Sommerpause gewünscht. Die Kanzlerin stellte sich am Freitag in Berlin kurz vor ihrem Urlaub den Fragen der Hauptstadtjournalisten, so, wie sie es jedes Jahr tut. Wie zu erwarten war, ging es vor allem um die Ausspähangriffe des US-Geheimdienstes, um Datenschutz und um das Agieren der Bundesregierung.
Merkel lässt keinen Zweifel daran, dass sie die von Medien berichteten Lauschattacken der National Security Agency (NSA) scharf verurteilt. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Nicht alles, was technisch machbar ist, darf auch gemacht werden.“ Dann wiederholt sie die Formel, die gleichzeitig definiert, wofür sich die Kanzlerin zuständig fühlt. Bei uns gelte nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts, betont sie. „Auf deutschem Boden hat man sich an deutsches Recht zu halten.“
Dieser Satz, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, drückt aus, mit welchen Schwierigkeiten die Regierung in der Affäre konfrontiert ist. Staaten wie die USA oder Großbritannien gewähren ihren Geheimdiensten viel größere Freiheiten als die Bundesrepublik. Und digitale Datenströme, die von der NSA abgesaugt und gespeichert werden sollen, machen bekanntlich nicht an der bundesdeutschen Grenze halt.
Wie also soll die Kanzlerin die Deutschen umfassend vor Missbrauch schützen?
Merkel tut, was sie häufig tut. Sie beruhigt („Deutschland ist kein Überwachungsstaat“). Und sie dämpft Erwartungen. Allen Fragen zu Prism und anderen Details weicht sie aus, wie angekündigt. Lieber verweist sie auf einen Fragenkatalog, den man den USA übermittelt hätte. Und auf Gespräche der Arbeitsebene, die noch nicht beendet seien. Die Regierung bemühe sich um Aufklärung, sagt Merkel, „aber es liegt eben auch nicht ganz alleine in meiner Hand“.
Gefährliche Affäre
So vermeidet sie geschickt das peinliche Wirrwarr, das ihre Mitarbeiter in den vergangenen Tagen beschäftigt hatte. Nach einem Zeitungsbericht über ein Datenprogramm, das US-Soldaten in Afghanistan nutzen, sprach Regierungssprecher Steffen Seibert von einem Nato-Programm namens Prism, das jedoch nicht mit dem Prism-Programm der NSA identisch sei. Gibt es wirklich zwei Prisms?
Mit solchen Definitionen, die sich schnell als falsch erweisen könnten, will Merkel offensichtlich nichts zu tun haben. Für sie ist die Affäre ohnehin gefährlich genug. Sie profitiert von ihrem Image als Kümmererin, die das Wohlergehen der Deutschen im Blick hat. Sollte herauskommen, dass ihre Regierung mehr weiß, als sie zugab, könnte dies sie persönlich treffen.
Merkel kündigte auch – teils schon bekannte – Konsequenzen aus der Affäre an. So plane die Regierung einen Runden Tisch zu Sicherheitstechnik im IT-Bereich, auch werde Deutschland auf europäischer Ebene den Datenschutz vorantreiben, sagt die Kanzlerin.
Das Auswärtige Amt führe derzeit Gespräche mit den USA, Großbritannien und Frankreich, um eine Verbalnote aus dem Jahr 1968 außer Kraft zu setzen, die den Geheimdiensten der Alliierten im Kalten Krieg Sonderrechte einräumten. „Wir haben das Interesse, den Rechtsstatus der Bundesrepublik nach der deutschen Einheit zu aktualisieren“, sagt Merkel.
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