Bundeshaushalt 2024: Die Berechnung der Ratlosigkeit
Die Bundesregierung hat nach langem Ringen einen Plan. Preise für Heizung und Strom könnten steigen.
Im Finanzplan für das kommende Jahr fehlen etwa 17 Milliarden Euro, hinzu kommt noch ein Loch von etwa 12 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF), einem riesigen Fördertopf, mit dem die Regierung den klimagerechten Umbau der Wirtschaft vorantreiben will. Da sich die Bundesregierung nun erneut zur Schuldenbremse im Haushalt bekennt, muss sie sparen, um die Löcher zu stopfen.
„Die grundsätzliche Einigung bedeutet nicht, dass wir bereits in diesem Moment alle Fragen im Detail beantworten könnten“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Fast schon slapstickhaft wirkte daraufhin aber, dass Hoffmann und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien nicht nur keine Antworten „auf alle Fragen im Detail“ hatten, sondern auch auf keine allgemeinen Fragen. Das war am Freitag dieser Woche, zwei Tage nachdem der Plan zur Lösung für die Haushaltsmisere verkündet worden war.
Das kann eigentlich nur daran liegen, dass in den entsprechenden Berliner Regierungsbehörden derzeit weiterhin mathematische Tabellen hin und her geschoben werden, um irgendwie zu unterlegen, worauf sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwoch verständigt hat. Ihr Kompromiss sieht vor, dass die Regierung 2024 die Schuldenbremse im Haupthaushalt wieder einhält. Daran soll auch das Verfassungsgericht nichts ändern, nach dessen Urteil die Bundesregierung mit dem Rücken zur Wand stand. Mit der Entscheidung aus Karlsruhe konnte die Regierung alte Kredite, die zu einem anderen Zweck aufgenommen waren, nicht mehr weiterverwenden.
Kürzungen im Entwicklungsministerium
„Wir müssen aber mit deutlich weniger Geld auskommen“, sagte Scholz am Mittwoch vor den Kameras. Zusammen mit Habeck und Lindner erklärte er jedoch noch einmal drei Leitlinien für die Regierungsarbeit seiner Koalition: den Klimaschutz voranbringen, sozialen Zusammenhalt gewährleisten und die Ukraine weiter unterstützen. Dass gerade Letzteres doch noch ein Argument sein könnte, im kommenden Jahr mehr Schulden aufzunehmen, machte der Kanzler im Bundestag deutlich.
Die Bundesregierung will ihre Unterstützung für die Ukraine, also 8 Milliarden Euro für Waffen und 6 Milliarden Euro für Geflüchtete, zwar aus dem regulären Haushalt zahlen, möchte diese Hilfen aber außenpolitisch absichern. Etwa wenn die Lage an der Front sich verschlechtert oder sich andere Unterstützer zurückziehen, prüft die Regierung, den Bundestag zu bitten, erneut eine Notlage zu erklären, die es erlauben würde, die Schuldenbremse auszusetzen. Die Bundesregierung überlegt außerdem, ob in dem Fonds, der den Wiederaufbau nach den Hochwasserschäden im Ahrtal finanziert, eine Überschreitung des Kreditrahmens verfassungsrechtlich möglich wäre.
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In einem Papier, welches das Finanzministerium einige Stunden nach der Regierungserklärung von Scholz am Mittwoch verschickte, heißt es, man senke die Plafonds einzelner Ministerien ab „und werde Einsparpotenziale in ihren Bereichen heben“. Genannt werden die Ministerien für Wirtschaft, Verkehr, Bildung, Entwicklung, Landwirtschaft und Umwelt sowie das Auswärtige Amt. Doch auch einige Tage später ist die Lage nicht viel übersichtlicher.
Aus dem Entwicklungsministerium heißt es, man werde wohl einen kleinen dreistelligen Millionenbetrag kürzen müssen. Wo genau, werde hoffentlich im Januar bekannt. Aber so viel könne man schon heute sagen: „Das wird schmerzhaft und hart.“ Ursprünglich hatte sich die Koalition mal verpflichtet, dass die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit im Verhältnis eins zu eins mit den Verteidigungsausgaben steigen. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) betont bei jeder Gelegenheit, dass Entwicklungshilfe nachhaltige Sicherheitspolitik sei. Denn jeder Euro, den man in Bildung, Infrastruktur und Jobs vor Ort investiere, verhindere Terror, Gewalt und neue Flüchtlingsströme. Lindner konnte sie damit nicht überzeugen. Ein gemeinsames Papier, das auflistet, wie sich die 17 Milliarden zusammensetzen, fehlt bis heute. „Also rechnet jetzt jeder für sich allein“, heißt es aus Regierungskreisen.
Teuerung beim Strom
Die Bundesregierung muss spätestens zum 11. Januar für die Anhörung im Haushaltsausschuss die Eckpunkte ihrer Finanzplanung klar machen. Am 18. Januar soll dann schon die sogenannte Bereinigungssitzung stattfinden, bevor der Haushalt für 2024 am 2. Februar im Bundestag und mit möglicher Fristverkürzung dann auch schon im Bundesrat beschlossen werden kann.
Interessanterweise war es Lindner, der bei dem Auftritt mit Scholz und Habeck am Mittwoch verkündete, dass trotz der angekündigten Sparmaßnahmen „keine Reduzierung sozialer Standards geben“ werde. Heißt das, alle können sich nun zurücklehnen?
Fest steht: Der CO2-Preis soll schneller ansteigen als von der Ampel bisher gedacht. Derzeit sind es 30 Euro pro Tonne, ab kommendem Jahr soll er dann 45 Euro betragen. Geplant waren eigentlich 40 Euro. Damit müssen sich Verbraucher*innen auf höhere Benzinpreise und Heizkosten einstellen.
Der ADAC schätzt, dass ein Liter Benzin dann im Vergleich zu 2023 etwa um 4,3 Cent und Diesel um etwa 4,7 Cent verteuert. Hinzu kommt: Ab Januar soll die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme wieder von 7 auf 19 Prozent heraufgesetzt werden. Der Kompromiss von Habeck, Scholz und Linder sieht außerdem vor, dass die Bundesregierung den Milliardenzuschuss zu den Stromnetzentgelten streicht. Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz schätzt, dass dadurch die Stromrechnung für einen Haushalt mit 3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch im Durchschnitt um 60 Euro verteuern wird.
Klimageld scheint passé
Eigentlich hatte sich die Ampelkoalition vorgenommen, als sozialen Ausgleichsmechanismus ein Klimageld zu entwickeln, „um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten.“ So steht es im Koalitionsvertrag der Ampel. Doch das scheint bislang nicht in Planung zu sein.
Beunruhigt ist Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, weil etwa beim Bürgergeld der Weiterbildungsbonus „ein Leistungsbestandteil ersatzlos“ weggestrichen werden solle. Das sei „eine Kürzung“. Mit Sorge blicke er auch auf das Wohngeld.
Laut einem Papier des Bundesfinanzministeriums, das auch der taz vorliegt, wird im kommenden Jahr die Wohngeldveranschlagung um 270 Millionen Euro abgesenkt.
Für Schneider ergibt das keinen Sinn. „Die Menschen haben einen Rechtsanspruch darauf.“ Mit weniger Geld dafür zu rechnen, ginge seiner Meinung nach nur „durch Leistungsabsenkungen oder durch eine Verkleinerung des anspruchsberechtigten Empfängerkreises“.
Wohl keine Kürzungen beim Wohngeld
Die Wohngeldreform, die seit Anfang des Jahres gilt, ging innerhalb der Ampel ziemlich geräuschlos über die Bühne. Seit dem wurde das Wohngeld im Schnitt verdoppelt und der Empfängerkreis verdreifacht. Es soll Entlastung schaffen für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, die keine Sozialhilfe beziehen.
Neu eingeführt wurde unter anderem, dass Nebenkosten berücksichtigt werden, um die Energiepreissteigerungen besser abfedern zu können. Durch die höhere CO2-Abgabe im kommenden Jahr und durch Mehrwertsteuererhöhungen bei Gas und Strom, „werden die Energiekosten also absehbar steigen für die Haushalte“, gibt Schneider zu bedenken. Das drücke eher aufs Wohngeld und mache mehr Menschen anspruchsberechtigt. „Es bräuchte also eigentlich eine Ausgabenausweitung“, fordert er.
Das Bauministerium versichert auf Nachfrage, dass es zu keinen Kürzungen beim Wohngeld kommen werde. Bei weiteren Nachfragen zu eventuellen Einsparungen, gibt sich das SPD-geführte Bauministerium aber auch zugeknöpft. „Weitere Informationen zur Entwicklung von Förderprogrammen oder möglichen Einsparungen im kommenden Jahr können wir aktuell noch nicht geben“, sagte ein Sprecher der taz. Hier sei „der Beschluss des Bundeskabinetts zum Haushalt 2024 abzuwarten.“
Scharfe Kritik kommt derweil aus der Arbeitsagentur, in deren Posten nach eigenen Angaben Kürzungen von jeweils 1,5 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025 und von 1,1 Milliarden Euro in den Jahren 2026 und 2027 vorgesehen sind. „Der Bundesagentur für Arbeit Geld wegnehmen, ist nicht Sparen, sondern das Verschieben von Problemen in die Zukunft“, erklärte Verwaltungsratsvorsitzende Anja Piel. Die stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats Christina Ramb ergänzte: „Beitragsmittel der Arbeitslosenversicherung sind kein Sparbuch. Die Bundesregierung kann nicht auf die Beitragskasse nach Belieben zugreifen.“
Die Bundesregierung gab sich auch gegenüber dieser Kritik bislang zugeknöpft. Der Bundeskanzler habe von schwierigen Abwägungen gesprochen, die getroffen werden müssten, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Freitag. Die Bruchrechnung für den kleinsten gemeinsamen Nenner, sie wird wohl noch eine Weile dauern.
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