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Bund-Länder-Kommission zur PflegereformArbeitsgruppe soll Milliardenloch stopfen

Der Pflegeversicherung droht ein Milliardendefizit. Eine Bund-Länder-Gruppe soll Reformvorschläge erarbeiten – nicht eingeladen sind Vertreter der Praxis.

Nogger dir einen: Wenn die Fragen in der Pflege geklärt sind, muss auch das gehen Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Die gesetzliche Pflegeversicherung steckt in der Krise: Es fehlen Milliarden, und die Beitragssätze steigen. Eine neue Arbeitsgruppe von Bund und Ländern soll jetzt Vorschläge für eine Reform der Finanzen erarbeiten. Am Montag kamen die Ver­tre­te­r*in­nen zum Auftakttreffen bei Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in Berlin zusammen, Ende des Jahres sollen Ergebnisse präsentiert werden.

Die finanziellen Lücken sind nicht neu. Anfang 2025 hatte die Pflegeversicherung deshalb zuletzt die Beiträge erhöht. Dieses Jahr gibt es so nur ein kleines Minus. Doch 2026 wird ein Defizit von 3,5 Milliarden Euro erwartet, bis 2029 fehlen laut Bundesrechnungshof 12 Milliarden Euro. Im Bundeshaushalt sind Finanzspritzen vorgesehen – allerdings zu wenig: In diesem Jahr will die Bundesregierung 500 Millionen Euro zuschießen, 2026 sollen zusätzliche 1,5 Milliarden kommen. Zusätzliche Mittel könnte der Bundestag bereitstellen, andernfalls müssten spätestens 2026 erneut die Beiträge erhöht werden, erklärte Warken.

Ein Grund ist, dass die Zahl der Pflegebedürftigen stark steigt – von 4 Millionen 2019 auf 5,6 Millionen Menschen heute. 2055 werden es laut Berechnungen 7,6 Millionen Pflegebedürftige sein. Die Kosten steigen, auch weil dringend benötigte Pflegekräfte besser bezahlt werden. Einen immer größeren Teil für die Pflege im Heim müssen Pflegebedürftige selbst bezahlen. Im ersten Jahr sind es durchschnittlich fast 3.000 Euro pro Monat. Mehr als ein Drittel der rund 800.000 Pflegebedürftigen in Heimen ist auf Sozialhilfe angewiesen, Tendenz steigend.

Die Probleme dürfen nicht weiter in die Zukunft vertagt werden

Andreas Wedeking, Caritas

Das alles soll jetzt also die Kommission angehen, darauf haben sich SPD und Union im Koalitionsvertrag geeinigt. Neben Warken gehört der Arbeitsgruppe auch Familienministerin Karin Prien (CDU) an, für die Bundesländer sind die zuständigen Res­sort­che­f*in­nen dabei. Außerdem nehmen die kommunalen Spitzenverbände teil.

Ver­tre­te­r*in­nen der Praxis fehlen in der Kommission

Nicht zur Kommission geladen sind dagegen die Ver­tre­te­r*in­nen der Trägerverbände. Das kritisiert Andreas Wedeking, Geschäftsführer des Verbands katholischer Altenhilfe innerhalb der Caritas. Die Kostenträger und Leistungserbringer müssten mit an den Tisch, fordert er, die Praxis müsse gehört werden, Lösungen könne die Politik nicht alleine bestimmen. Immerhin seien aber die Kommunen vertreten, die später für die Umsetzung vieler Maßnahmen zuständig sind.

Zusätzlich zur Reform brauche es jedoch Soforthilfen, sagt Wedeking. Denn vielen Pflegeeinrichtungen fehle Geld, weil die Sozialämter die Anträge der Pflegebedürftigen oft nicht schnell genug bearbeiten. Das Sozialamt muss eigentlich einspringen, wenn Pflegebedürftige den Eigenanteil nicht bezahlen können, bis zur Bearbeitung bleiben die Pflegeheime aber auf den Kosten sitzen. Wedeking fordert einen Pflegesonderfonds, der die Lücken zumindest teilweise ausgleicht. Andernfalls drohe vielen Heimen eine Insolvenz. „Die Pflege spricht mit einer Stimme“, so Wedeking, die Problemlage würde von allen In­ter­es­sen­ver­tre­te­r*i­nnen ähnlich beschrieben. „Das darf jetzt nicht weiter in die Zukunft vertagt werden, die Probleme müssen jetzt angegangen werden.“

Eine Möglichkeit, mehr Geld in die Kassen zu bringen, wäre auch die Zusammenführung von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung. Dem erteilte Warken jedoch eine Absage. Stattdessen will sie mehr Anreize für private Vorsorge schaffen, sagte sie am Montag im ZDF. Auch Kürzungen schloss sie nicht aus: Wichtiger als eine Deckelung der Eigenbeteiligung sei die Frage, welche „Leistungen wir uns noch leisten können“.

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2 Kommentare

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  • "Wichtiger als eine Deckelung der Eigenbeteiligung sei die Frage, welche „Leistungen wir uns noch leisten können“...."



    Das klingt nach dem bösen P-Wort, das auch in der Krankenversicherung eine Rolle spielen wird, denn evidenzbasiert und aus dem Bauch probiert sind auf Dauer nicht vereinbar.



    Das Wort lautet: Priorisierung.



    www.contec.de/blog...ag-muss-kann-soll/

  • Ach was! Vagel Bülow

    Die Kassen sind nach Corona bekanntlich leer -



    Kopf unterm Arm - mindestens -



    & Däh



    “…nicht eingeladen sind Vertreter der Praxis.“



    Normal

    Mit Andreas Rebers - ich helfe gern:



    Nach Schlaganfall vor ca 17 Jahren & in Folge



    Zwei neue Hüften - 🩼 🩼& Rolli 1 1/2 Stock Wohnnung: allgemeine Meinung - Ärzte /Heilpraktiker Physios “Pflege? Frage ist nur 1.oder 2. Stufe • “



    Vorbereitet über Helfer-Orgs “Die Kassen sind leer! - die Gutachter sind drauf getrimmt mgl.st keine Anerkennung!“



    Und richtig geraten - so kam es auch!



    Netter Herr. Dr. für Handchirurgie fragt übliches ab: Treppe Einkaufen Putzen Körperpflege …die ganze Palette - Beschwerden Einschränkungen alles ausführlich geschildert.



    Ergebnis 🟰 0 Zéro Nix - Neese •



    Privilegiert & von freundlichen hilfsbereiten Nachbarn umgeben - bieg ich’s so hin - wa!



    Im Ergebnis aber für andere - ein Unding •



    Wofür hab ich dann eine Pflegeversicherung.



    (Bonmot am Rande: in den Beihilferegelungen - jedenfalls NRW - war ZUVOR für Pflege ein eigener § eingerückt - Gestrichen => Versicherung!



    So geht das