Bund-Länder-Finanzreform entschieden: Einigung nach neun Stunden
Trotz erheblicher Differenzen raufen sich Bund und Länder zusammen: Die Länder bekommen mehr Geld, die Bundesregierung erhält mehr Kompetenzen.
Man habe sich auf alle notwendigen Grundgesetzänderungen sowie die politischen Eckpunkte für die Einzelgesetze verständigt, um den Bund-Länder-Finanzausgleich auf den Weg zu bringen, sagte Merkel nach den etwa neunstündigen Gesprächen im Kanzleramt: „Im Grundsatz ist das heute ein Riesenschritt.“ Es sei fair, ehrlich und hart verhandelt worden, sagte Merkel. „Einige Dinge“ müssten aber noch geklärt werden – vor allem der erweiterte Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende. Einzelne Beratungen zur Feinabstimmung seien noch nötig. Es gebe aber breite Übereinstimmung, dass auch dieses Gesetz mit dem Gesamtpaket auf den Weg gebracht werde.
Bund und Länder hatten sich am 14. Oktober auf eine Neuordnung ihrer Finanzbeziehungen verständigt. Im Gegenzug für jährliche Hilfen des Bundes von gut 9,52 Milliarden Euro für die Länder ab dem Jahr 2020 soll der Bund mehr Kompetenzen erhalten – etwa bei Fernstraßen, in der Steuerverwaltung, bei Investitionen in Schulen sowie Online-Angeboten der Verwaltung. Einigkeit besteht nun auch zu den Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen.
Es seien wichtige Gemeinsamkeiten auf den Weg gebracht worden, sagte Merkel. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefs Erwin Sellering (SPD), rechnet mit einer Einigung zum erweiterten Unterhaltsvorschuss. Es müssten aber noch viele schwierige Fragen geklärt werden. Völlig klar sei aber, dass dies ebenfalls zum Gesamtkonzept gehöre, sagte Sellering. Noch ist die Finanzierung der schon vom Bundeskabinett beschlossenen Ausweitung des Unterhaltsvorschusses offen. Bisher trägt der Bund ein Drittel der Kosten, die Länder zwei Drittel.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte, wichtig sei gewesen, dass das föderale System nicht „dejustiert“ und in die grundsätzliche Struktur nicht eingegriffen werde. „Das war nicht einfach zu formulieren.“
Streit um Schäuble
Nach einem Kompromiss hatte es angesichts erheblicher Differenzen bis kurz vor dem Treffen im Kanzleramt nicht ausgesehen. Die Länder hatten die vom Bund geforderten Kompetenzen als viel zu weitgehend abgelehnt. Sie warfen besonders Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, mit immer neuen Vorschlägen für Grundgesetzänderungen weit über die Bund-Länder-Vereinbarungen vom Oktober hinauszugehen.
Mit der Einigung könnte das Bundeskabinett wie zuletzt geplant noch an diesem Freitagvormittag die Änderungen des Grundgesetzes und Einzelgesetze zur Umsetzung der Bund-Länder-Vereinbarungen auf den Weg bringen. Nach dem Spitzentreffen war dies zunächst offen. Das endgültige Reformpaket würde dann im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat ausverhandelt. Beschlossen werden sollen die zahlreichen Grundgesetzänderungen sowie die Einzelgesetze dann im Frühjahr nächsten Jahres. Der schwierige Finanzpakt könnte damit aus dem Bundestagswahlkampf 2017 herausgehalten werden.
Um die Zahl der Rückführungen abgelehnter Asylbewerber zu erhöhen, wollen Bund und Länder Abschiebungen künftig auf nationaler Ebene koordinieren. Angestrebt wird auch ein gemeinsames Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr. Die Länder fordern für diese zentrale Behörde mehrere hundert Mitarbeiter. Die bisher geplante Personalausstattung hatten sie als zu gering kritisiert.
Nach Angaben Merkels muss der Bund noch beraten. Anfang Februar solle nochmals mit den Ländern gesprochen und versucht werden, Eckpunkte zusammenzubringen. „Die gute Nachricht war, dass es bei allen eigentlich das Verständnis gibt, wir wollen Recht und Gesetz durchsetzen.“ Sonst könne denjenigen mit Aufenthaltserlaubnis nicht ausreichend geholfen. Es gebe nun einen gemeinsamen Ansatz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!