Bund-Länder-Beschluss zum Homeoffice: Unerträglicher Zustand beendet
Dass sich Bund und Länder erst jetzt an die Betriebe und Büros wagen, ist fatal. Eine Pflicht zum Homeoffice wäre aber auch nicht richtig.
D as ist aber auch höchste Zeit. Ab kommenden Mittwoch wird das Homeoffice zur rechtlichen Regel und bleibt nicht weiter die Ausnahme. Dann tritt die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil in Kraft. Damit setzt er den wohl wichtigsten Beschluss des Bund-Länder-Treffens vom Dienstag um.
Endlich wird der unerträgliche Zustand beendet, dass die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder sich auf bloße und deswegen allzu folgenlos gebliebene Appelle an die Arbeitgeber beschränken. Dass gegenwärtig weit weniger Menschen im Homeoffice arbeiten als noch im vergangenen Frühjahr während der ersten Coronawelle, zeigt anschaulich, wie notwendig und überfällig eine staatliche Regelung ist. Sicher gibt es etliche Arbeitgeber, die schon jetzt verantwortlich mit ihren Beschäftigten umgehen. Aber es sind leider viel zu wenige.
Es steht außer Frage, dass die Kontaktreduzierung entscheidend für die Pandemiebekämpfung ist. Dass sich Bund und Länder trotzdem erst jetzt an die Betriebe und Büros wagen, ist fatal. Denn es sind ja nicht nur die Begegnungen am Arbeitsplatz das Problem, sondern auch die kollektive Bewegung hin und zurück. Dass es in etlichen Ländern Ausgangsbeschränkungen gibt, nach denen es untersagt ist, allein auf einer Parkbank zu sitzen, während bislang tatenlos zugeschaut wurde, wie sich die Menschen auf ihrem Weg zur und von der Arbeit in Bussen und Bahnen drängen, gehört zu den Absurditäten der staatlichen Coronapolitik.
Sollte es da nicht besser statt einer Verpflichtung des Arbeitgebers, Homeoffice anzubieten, gleich eine Homeofficepflicht geben? Die Wirkung wäre dann sicherlich noch größer. Aber das würde die individuelle Lebens- und Wohnsituation der Beschäftigten unberücksichtigt lassen. Hier geht es auch um Zumutbarkeiten. Es gibt sehr gute und zu respektierende Gründe, warum Menschen an ihrem Arbeitsplatz arbeiten wollen. Allerdings zeigt das Beispiel der taz, wo schon längst gilt, was jetzt allgemeine Regel wird: Die große Mehrzahl der Beschäftigten bleibt zu Hause, wenn es möglich gemacht wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?