Bulgarische Krankenschwestern: Makabrer Streit

Die in Libyen zum Tode verurteilten Krankenschwestern sind frei. Jetzt wird um die Lorbeeren dafür gestritten. Und Libyen kann jetzt mit EU-Investitionen rechnen.

Der palästinenschiche Arzt und eine der Krankenschwestern nach der Ankunft in Sofia Bild: dpa

BRÜSSEL taz Die Bilder aus Sofia überstrahlten zunächst alle skeptischen Kommentare, die die Blitzdiplomatie von Cécilia Sarkozy, der Ehefrau des neuen französischen Präsidenten, in Brüssel und den europäischen Hauptstädten ausgelöst hatte. Ohne Absprache mit der EU-Kommission oder der Ratspräsidentschaft war sie vor zwei Wochen zu Libyens Staatschef Gaddafi gereist. Am Sonntag machte sie sich ein zweites Mal auf den Weg, allerdings in Begleitung von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner.

Nach mehr als acht Jahren in libyscher Haft kehrten fünf bulgarische Krankenschwestern und ein palästinensischer Arzt in die Freiheit zurück. Sie waren im Februar 1999 in Libyen unter dem Vorwurf festgenommen worden, 426 libysche Kinder in einer Klinik vorsätzlich mit dem Aidsvirus infiziert zu haben. Es folgte ein jahrelanger Nervenkrieg mit Todesurteilen, Berufung und schließlich am 17. Juli der Nachricht, der Oberste Richterrat habe die Todesurteile in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Die Verurteilten könnten ihre Reststrafe womöglich in Bulgarien verbüßen.

Das Memorandum für ein Partnerschaftsabkommen, das die EU im Gegenzug unterzeichnete, umfasst Zollerleichterungen für libysche Waren, Unterstützung bei der Grenzsicherung, Stipendien für libysche Studenten und Visaerleichterungen. Das Benghasi-Hospital, in dem die Kinder infiziert wurden, soll mit EU-Hilfe zu einem "Exzellenz-Center" werden. An die Familie jedes betroffenen Kindes wird eine Million Dollar ausgezahlt. Das Geld kommt allerdings nicht direkt aus EU-Mitteln, sondern soll über private Spenden, nationale Zuwendungen und Mittel von Hilfsorganisationen aufgebracht werden.

Der glückliche Ausgang des Dramas wurde überlagert vom makabren Streit über die Frage, wer die Lorbeeren für den diplomatischen Erfolg einheimsen dürfe. Den Krieg der Bilder entschied der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy gestern für sich. "Republique Française", stand in großen blauen Lettern auf dem Flugzeug, das die Mediziner in die Freiheit gebracht hatte. Schon eine Stunde später ging in Brüssel Kommissionspräsident Barroso vor die Presse. Er betonte, das Ergebnis sei "europäischer Solidarität in ihrer besten Form" zu verdanken. Den Vorwurf, Sarkozy habe die EU-Kommission diplomatisch abgehängt, versuchte Barroso durch die Versicherung zu entkräften, er habe in ständigem telefonischen Kontakt mit dem französischen Präsidenten gestanden. Gemeinsam hätten sie die Idee entwickelt, den Emir von Katar in die Vermittlungen einzuschalten. Der habe Libyen zusätzliche humanitäre Hilfe zugesagt.

Auch Sarkozy hielt sich bei seiner wenig später in Paris anberaumten Pressekonferenz an diese Sprachregelung: Er sei mit EU-Kommissionspräsident Barroso einig gewesen, einen befreundeten Staat um Hilfe zu bitten. Der Emir von Katar, Scheich Hamad Bin Khalifa al-Thani war Ende Mai zuletzt Gast im Elysee-Palast. Damals unterzeichnete Qatar Airways eine Vereinbarung über den Kauf von 80 Airbus-Maschinen zum Listenpreis von 11,8 Milliarden Euro. Die Lorbeeren aber gebühren der Präsidentengattin Cécilia Sarkozy, daran ließ ihr Mann gestern keinen Zweifel. Sie habe mit "Mut, Ernsthaftigkeit, Menschlichkeit und Brillanz" gehandelt.

Außenkommissarin Ferrero-Waldner musste bis zum Nachmittag warten, um ihre Version der Ereignisse zu präsentieren. Doch nicht einmal die Nachricht vom geplanten Partnerschaftsabkommen mit Libyen gehörte ihr ganz. Der libysche Außenminister hatte sie schon Stunden zuvor ausgeplaudert. Und aus den berühmten diplomatischen Kreisen war zu hören, dass es Außenminister Steinmeier war, der das Abkommen unter deutscher Präsidentschaft unterschriftsreif gemacht hatte.

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