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Buhrufe gegen Trump bei US OpenZensur für das TV-Publikum

Die Missfallensbekundungen gegen US-Präsident Donald Trump im US-Open-Finale wurden im TV herausgefiltert. Der US-Tennisverband hatte vorgearbeitet.

US-Präsident Donald Trump wurde vom Publikum der US Open ausgebuht Foto: Kirsty Wigglesworth/ap

A uf dem Video, das die Universitätsprofessorin Gwen D. von der Tribüne der US Open aus mit dem Smartphone aufgenommen hatte, klang es eindeutig so, als würden die gesamten 23.000 Zuschauer dieses Grand-Slam-Finales ihren Unmut kundtun. Dröhnende Buhrufe waren zu vernehmen. „So war es wirklich heute im Arthur Ashe Stadion“, kommentierte sie in einem Facebook-Post.

Die Missfallensbekundungen richteten sich freilich nicht an die Finalisten Carlos Alcaraz und Jannik Sinner. Sie ertönten vielmehr nach dem ersten Satz, als die Kameras den prominentesten Ehrengast des Matches, Donald Trump, ins Visier nahmen. Wenn man sich die Partie im Fernsehen ansah, bekam man von den Buhrufen kaum etwas mit. Während der Präsident in die Kameras grinste, war nur ein dumpfes, unbestimmtes Hintergrundraunen zu hören.

Dass der Sportsender ESPN die von Zuschauern wie Gwen D. klar vernommenen Buhrufe herausgefiltert hatte, war keine spontane Entscheidung der Regie. Die Turnierveranstalter, die US Tennis Association (Usta), hatte in einem Memorandum höflich darum gebeten, „Reaktionen auf die Anwesenheit des Präsidenten“ nicht zu zeigen. Die volle Aufmerksamkeit, so der Tennisverband, solle den Spielern gelten.

Donald Trump, der sich allenfalls peripher für das Tennisspiel interessierte und lange vor dem Matchball wieder verschwand, hatte wohl gehofft, dass die ganze Aufmerksamkeit ihm gehört. Große Stadionauftritte passen in das Bild, das er von sich als Herrscher gerne zeichnen würde, die historischen Vorbilder sind wohl vertraut.

„Unforced error“

Doch anders als beim Golf, bei UFC Kämpfen oder bei der Superbowl, konnte er wohl damit rechnen, dass das New Yorker Tennispublikum ihm nicht sonderlich gewogen sein würde. So veranlasste er oder Leute aus seinem Umfeld wohl die vorauseilende Zensur.

Überraschend ist das nicht. Der größere Skandal war deshalb, dass sich sowohl der Tennisverband als auch der TV Sender ESPN dem Ansinnen überhaupt gebeugt haben.

Die Entscheidung der Usta, den Wünschen des Weißen Hauses zu entsprechen und Trumps Selbstinszenierung vor Störgeräuschen zu schützen, ist kaum nachvollziehbar. Der britische Guardian nannte sie im Tennisjargon einen „unforced error“ – einen Fehler ohne Not. Die US Open sind eigentlich dasjenige unter den Grand-Slam-Turnieren, das sich am wenigsten um Etikette schert.

Lautstarke Meinungsäußerungen und Dissens sind Teil ihres Charmes. So wurde vor zwei Jahren ausführlich gezeigt, wie ein Demonstrant sich während des Frauenhalbfinales an seinen Sitz geklebt hatte. Als ebenfalls vor zwei Jahren Alexander Zverev einen Fan wegen seiner rechtsradikalen Äußerungen zur Rede stellte, blieben die Mikrofone ebenfalls offen. Dass die Usta auf der Tennisanlage, die der Frauen und – LGBTQ-Rechtlerin Billie Jean King gewidmet ist, nun Trump zuliebe die Geräuschkulisse filtert, ist mindestens befremdlich.

Eher nachzuvollziehen ist das Entgegenkommen von ESPN. Der US-amerikanische Fernsehsender, der zum Disney Konzern gehört, hat jüngst das ligaeigene NFL-Netzwerk erworben, was wiederum dazu führen soll, dass die Football-Liga einen zehnprozentigen Anteil an dem Sportsender erhält. Der Multi-Milliarden-Deal muss jedoch noch von der Trump-Regierung abgesegnet werden und so hat ESPN jeden Grund, sich mit Trump gut zu stellen.

Das führte zuletzt mutmaßlich zur Absetzung einer Dokumentation des Regisseurs Spike Lee über Colin Kaerpernick bei ESPN. Über jenen Quarterback, der weltweite Sportlerproteste gegen rassistisch motivierte Gewalt initiierte. Sicherlich wird die Dokumentation von Lee nicht ohne Kritik an der NFL ausgekommen sein.

Dem Tennispublikum in New York war das freilich egal. Die Zuschauer machten deutlich, was sie von Trump halten. Und im Zeitalter der sozialen Medien war das auch durch TV-Zensur nicht zu verbergen.

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Sebastian Moll
USA Korrespondent
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7 Kommentare

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  • "Der größere Skandal war deshalb, dass sich sowohl der Tennisverband als auch der TV Sender ESPN dem Ansinnen überhaupt gebeugt haben."



    Ja wie konnte der Sender nur die Reaktionen des Publikums zensieren. Sowas geht nur in Diktaturen. Das könnte bei uns nie passieren.



    Ach nee, stimmt ja gar nicht, bei Fussballspielen ist es längst gängige Praxis, dass die Mikros zugedreht werden, wenn Fans beispielsweise bei der Nationalhymne pfeifen.



    Auch in Deutschland werden beispielsweise beim Pokalfinale die mittlerweile typischen "schei* DfB"-Gesänge, die sich die Fankurven gegenseitig zurufen, im TV gerne leise gedreht.



    Das ist alles leider schon lange kein Skandal mehr, sondern gängige Praxis.



    Weltweit.



    Dafür jetzt explizit Trump und / oder ESPN zu kritisieren ist ziemlich wohlfeil.

  • Nachdem ihm jemand gesagt hatte, daß er, obwohl seiner Ansicht nach Imperator, das Spiel nicht mit Daumen hoch oder runter entscheiden kann wie im alten Rom hat er sich eh wieder getrollt.

  • Jo, Zensur, Löschen von Inhalten, die diesen Leuten nicht gefallen, Feuern von Leuten, die Meinungen haben, die diesen Leuten nicht gefallen, Verbannen von Büchern aus Bibliotheken, wenn die Inhalte von den Positionen dieser Leute abweichen, etc. pp.

    Das nennt der rechte Rand Freiheit.

  • Ach, klassische Zensur im TV?



    Es gibt also nun die "eight dirty words". Neben den sieben, die wir vielleicht kennen, ist es die simple Majestätsbeleidigung.

  • Mal sehen ob die Fußball-WM noch in den USA stattfindet?



    Zwar war es bis jetzt immer egal was für eine Regierungsform



    das Land hatte in dem gespielt wurde aber beim Fußball ist das ja noch etwas anders als beim Tennis.



    So viel handverlesene Zuschauer gibt es ja nicht.



    Infantino wird es nicht stören.

  • Fairerweise hätte man dem Fernsehen auch „Reaktionen auf die Anwesenheit des Präsidenten“ verbitten sollen. So fehlte nur noch die KI-generierte Krone oder der Heiligenschein für den größten Unternehmer/Präsidenten aller Zeiten.

  • Hoffentlich wurden die Missfallensbekunder nicht auch herausgefiltert.