Bürgerwehren in Russland: Sicheres Moskau dank „kräftiger Kerle“
Freiwilligen-Patrouillen sollen für Recht und Ordnung sorgen. Damit macht die Kremlpartei „Einiges Russland“ Wahlkampf.
Da die Bürger großen Wert auf sichere Nachbarschaft legen, wie die Kremlpartei ermitteln ließ, versucht sie bei den Kommunalwahlen im Herbst mit „kräftigen Kerlen“ und dem Programm „Sichere Hauptstadt“ zu punkten. Anders als Wladimir Putin steht die ER-Partei bei Wählern nicht so hoch im Kurs. Noch ist nicht vergessen, als der Oppositionelle Alexei Nawalny diese als Partei der „Diebe und Gauner“ schalt. In dieser Rolle war sie bei den Protesten 2012 in aller Munde.
Die Freiwilligen rekrutieren sich vor allem aus paramilitärischen Organisationen. Darunter der „Bund russischer Offiziere“, Veteranen der OMON-Einheiten des Innenministeriums und Kosaken. Letztere schauten schon bei den Olympischen Spielen in Sotschi nach dem Rechten. Zurzeit gilt ihr besonderes Augenmerk Drückebergern, die sich dem Armeedienst entziehen. Eine Patrouille besteht gewöhnlich aus drei bis vier Mann.
Laut Kommersant schließt die Kremlpartei nicht aus, die „druschynniki“ ("Gefolgsmänner“) gelegentlich auch bei Veranstaltungen der Opposition mit Ordnungsaufgaben zu betreuen.
Uniform mit Bärenemblem
Eine wichtige Qualifikation für die Aufnahme: Kandidaten müssen sich mit unbescholtenen Bürgern unterhalten können. Anders gesagt: Sie sollten neben Mutterflüchen auch eine Sprache beherrschen. In paramilitärisch männerbündelnden Organisationen ist das nicht unbedingt selbstverständlich. Die Uniformen mit dem Bärenemblem von ER stellt auch die Partei.
Ab Juni kümmern sie sich um Falschparker, schauen in das Sortiment von Einzelhändlern auf der Suche nach Alkohol und verbotenen Alkopops. Zu ihren Aufgaben gehört zudem, notorischen Trinkern Platzverweise zu erteilen, die sich mit Vorliebe auf Spielplätzen niederlassen.
Auf der Grundlage von Ordnungswidrigkeiten und schweren Delikten sollen eine „Kriminalitätskarte“ sowie eine Übersicht über städtische Brennpunkte erstellt werden. Besonders schwere Fehltritte landen als Videoaufzeichnungen auf einer virtuellen „Tafel der Schande“. Diese ist der „Ehrentafel der sozialistischen Bestarbeiter“ abgeschaut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!