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Bürgerkrieg in SyrienNeue Gerüchte über Chemiewaffen

Im Syrienkonflikt häufen sich die grenzübergreifenden Zwischenfälle. Und wieder kursieren Gerüchte über den Einsatz von Chemiewaffen.

Zerstörtes Stadtviertel von Aleppo. Bild: dpa

ISTANBUL/BEIRUT dpa | Der Bürgerkrieg in Syrien wird für die Nachbarländer zunehmend zum Problem. Am Wochenende schlugen bei schweren Gefechten zwischen syrischen Regierungstruppen und der bewaffneten Opposition erneut mindestens drei Granaten im Libanon ein. An der syrisch-israelischen Grenze kam es nach israelischen Angaben am Vortag zu einem Artilleriegefecht. Derweil mehren sich Gerüchte über Chemiewaffen-Einsätze.

Ein libanesischer Polizeisprecher sagte der Nachrichtenagentur dpa, die jüngsten Granateneinschläge hätten zwar Schäden verursacht, es gebe aber keine Verletzten oder Tote. Bereits am Freitag waren Geschosse aus Syrien auf libanesischem Territorium eingeschlagen.

Bei den Kämpfen in Syrien versuchen die Regierungstruppen angeblich mit Unterstützung libanesischer Hisbollah-Milizen, die Ortschaft Al-Kusair in der Grenzprovinz Homs zurückzuerobern.

Die 30 Kilometer von der libanesischen Grenze entfernte Ortschaft liegt an einer strategisch wichtigen Route, die den Süden des Landes mit der Hauptstadt Damaskus verbindet.

Auch an der Grenze zu Israel gibt es immer wieder Zwischenfälle. Nach Angaben der israelischen Armee wurden Soldaten am Freitagabend von syrischem Gebiet aus mit Artillerie und aus leichten Waffen unter Feuer genommen. Israelische Artillerie habe daraufhin die Stellung, aus der das Feuer eröffnet worden sei, unter Beschuss genommen und getroffen. Die Identität der Angreifer war unbekannt.

Hinweise auf Chemiewaffen

Unterdessen gibt es neue Hinweise auf einen Chemiewaffen-Einsatz im syrischen Bürgerkrieg. Wie die Times am Wochenende berichtete, sollen britische Experten für ABC-Waffen in einer geheimen Mission Beweise dafür gefunden haben.

Unter Berufung auf ungenannte Quellen aus dem Verteidigungssektor heißt es, es lägen „schlüssige Beweise“ dafür vor, dass „eine Art von Chemiewaffen“ eingesetzt wurde. Dies hätten Bodenproben aus der Umgebung von Damaskus ergeben, die aus dem Land geschmuggelt und von Wissenschaftlern im britischen ABC- Forschungszentrum Porton Down untersucht worden seien.

Der deutsche Biowaffen-Experte und stellvertretende Linke-Vorsitzende Jan van Aken kritisierte die „ganz, ganz dumme Aktion der Briten“. Er betonte: „Die UN-Inspektoren sitzen jetzt schon einsatzbereit auf Zypern, sie allein haben die Glaubwürdigkeit und Legitimität, solche schweren Vorwürfe zu ermitteln.“

Manipulationen nicht ausgeschlossen

Van Aken, der selbst bereits als Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen tätig war, fügte hinzu: „Es ist doch völlig unklar, woher die Bodenprobe stammt und ob sicher ausgeschlossen werden kann, dass sie manipuliert wurde.“

Erst vor wenigen Tagen hatte die syrische Führung dem UN-Expertenteam die Einreise verweigert, obwohl sie dieses zunächst selbst angefordert hatte. Regierung und Rebellen werfen einander gegenseitig vor, im März in der Provinz Aleppo Chemiewaffen eingesetzt zu haben.

Syrische Oppositionelle meldeten indes einen neuen Verdacht. Von Hubschraubern aus sollen zwei Gasgranaten auf das Viertel Al-Scheich Maksud in Aleppo abgeschossen worden sein, berichtete das in London ansässige syrischen Beobachtungszentrum für Menschenrechte. Eine Frau und zwei Kinder seien getötet, 16 weitere Menschen verletzt worden. „Unser Bericht basiert auf Angaben von Ärzten und Opfern, die wegen Atemnot, Übelkeit und Augenproblemen ins Krankenhaus eingeliefert wurden“, sagte der Chef der Menschenrechtsbeobachter, Rami Abdul-Rahman.

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3 Kommentare

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  • T
    toddi

    Welche Überraschung, für Gerüchte, Vermutungen und Mutmaßungen findet sich immer Raum in der „freien“ Presse. Fakten werden lieber „interpretiert“, verdreht oder verschwiegen.Hinzu kommt, kaum kriegen die vom Westen unterstützten „Rebellen“ und Islamfaschisten ihre wohlverdiente Klatsche, Infos hier http://nocheinparteibuch.wordpress.com/2013/04/14/syrische-armee-raumt-weiter-auf/#more-8018 : http://syrieninfo.blogspot.de/ Geht das Geschrei los„willkürliche, in einigen Fällen auch gezielte“ Angriffe auf Zivilisten“ oder „eine Art von Chemiewaffen“ (wahrscheinlich Dynamit ;-) usw. Dahinter steht der Wunsch einiger reaktionärer europäischen Kräfte und auch einer Minderheit in Deutschland das Völkerrecht mit Füßen zu treten und mit der Legende R2P ihren Machtbereich auszudehnen. Und in Deutschland ist der penetrante gebetsmühlenartige Aufruf zum Völkerhass und Krieg strafrechtlich Relevant. Aber scheiß auf Humanismus, Selbstbestimmung, Gerechtigkeit, schließlich geht es um die Freiheit ... selbstredend die des Geldes. Dafür kann man schon mal nach Flugverbotszone schreien ,deshalb wurden ua. die Patriots in der Türkei stationiert (es geht in dem Falle kaum um die Antiraketen sondern um die weitreichenden hochauflösenden Radare) oder eine Invasion zu provozieren. Und dieses Neokolonialistische R2P Geschwafel. Demagogisches Werkzeug in einer entwickelten Gesellschaft das (fast) Unmögliche zu erreichen, wieder für Kaiser(Führer) Volk und Vaterland andere Menschen zu ermorden. Und schließlich brauchen auch die mit Umwelttechnologie ihre Profite erreichende grünen Kapitalisten ihre Märkte und Wachstum. Nicht zuletzt muss eine Partei begründen warum mit einem Male Krieg opportun ist. Nürnberg / Den Haag ruft- denn streng genommen haben die Nazis (aus ihrer Sicht) ja auch nur R2P betrieben. In einem Falle musste eine unfähige Regierung abgeschafft werden (Polen) ,Minderheiten befreit oder ein Volk von seinem bolschewistischen Herrscher „befreit“ werden – doch damals wie heute geht es nur um Macht...

  • KS
    Kritische Stimme

    Der Buergerkrieg in Syrien ist von langer Hand geplant von USA+Israel+Europa.Agenten+Kaempfer sind schon vor 5 Jahren ausgebildet aus den Reihen von syrischen Aufstaendischen,also bekannt mit Sprache+Situation vor Ort.Die Planer haben nie gedacht dass der Assad mit Hilfe seiner Bevoelkerung solange standhalten wuerde.Deshalb muss jetzt etwas anderes passieren um Syrien unter Kontrolle zu bringen.Jetzt wird die Nato,aktiviert,muessen in die Tuerkei Rakete aufgestellt werden,und findet man natuerlich Giftgas als Anlass fuer den Krieg(etwas aenliches als in Irak)

  • A
    Ant-iPod

    Das haben wir nun davon, dass Obama so eine bekloppte "Rote Linie" gezogen hat...

    Diese Dummheit kann ich immer noch nicht fassen - Leute, es ist egal, ob dort Chemiewaffen eingesetzt werden:

     

    1. Chemiewaffen sind grundsätzlich abzulehnen, ohne Ausnahme, Schlupfloch oder sonstwas - das Zeug gehört verboten und vernichtet und es gibt keine Ausrede!!!

     

    2. Das Regime kann kein Interesse am Einsatz haben und wenn es dies irgendwann doch einmal als letztes Mittel tun sollte, dann nicht mit zwei Granaten aus einem Hubschrauber (ohnehin mehr als fragwürdig, waffentechnisch betrachtet), sondern im großen Stil und mit verheerender Wirkung nach dem Motto: "Wenn wir schon untergehen, dann geht ihr mit!" - das es soweit kommt ist keineswegs sicher!!!!!!

     

    3. Es ist naiv zu glauben, US-Amerikaner oder Briten würden aufgrund einer solchen Beweislage den militärischen Einsatz planen - wenn über 70.000 Tote und ca. 200 Tote täglich dazu; ein Viertel der syrischen Bevölkerung innerhalb und Außerlandes auf der Flucht... wenn das nicht hinreichend Grund zur humanitären Intervention oder wenigstens einer Flugverbotszone ist... dann werden ein paar Gasgranaten auch nichts ändern.

     

    4. Das Assad-Regime macht keine ernsthafte, politische Anstrengung zur Lösung der Krise - wie bsw. das Programm vom Januar diesen Jahres wieder eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Es setzt seit zwei Jahren nur auf Gewalt. Ob Chemische Waffen eingesetzt werden, oder nicht, die Verachtung für die eigene Bevölkerung erlebt diese jeden Tag. Diese Verachtung wird mit Chemiewaffen nicht größer, sie ist bereits jetzt unbegrenzt.

     

    van Aken hat insofern nicht unrecht - das die Briten sich für so etwas hergeben ist nicht schlau.