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Bürgerkrieg in SyrienRegierungstruppen im Vormarsch

Die syrische Armee rückt nach der Einnahme von Kusseir weiter nach Norden vor. Außenminister Westerwelle (FDP) lehnt ein militärisches Eingreifen erneut ab.

Rebellen unter Druck: Soldaten der syrischen Armee dringen weiter nach Norden vor. Bild: dpa

BEIRUT afp | Nach der Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Kusseir ist die syrische Armee nach Norden vorgerückt und hat weitere Rebellenstellungen eingenommen. Nach Einschätzung von Experten bereiteten sich die Truppen am Sonntag auf die Rückeroberung der Stadt Homs nördlich von Kusseir vor. Dutzende verletzte Aufständische und Zivilisten wurden ins Nachbarland Libanon gebracht.

Drei Tage nach der Einnahme von Kusseir eroberte die syrische Armee laut Staatsfernsehen sämtliche Rebellenbastionen rings herum. Am Samstag sei auch im letzten verbliebenen Dorf Bueida al-Scharkija „Sicherheit und Stabilität wieder hergestellt“ worden, hieß es. Kriegsbeobachter rechneten damit, dass die nunmehr gestärkten Streitkräfte neben Homs auch bald die verbliebenen Rebellenstellungen bei Damaskus, Aleppo und Idlib, belagern werden.

Wie das libanesische Rote Kreuz am Sonntag mitteilte, wurden binnen zwei Tagen knapp 90 Verletzte der Kämpfe in und um Kusseir in Krankenhäuser der östlichen Bekaa-Ebene und in den Norden des Landes gebracht. Bei den Transporten in die Kliniken half nach Angaben des zuständigen Rot-Kreuz-Direktors Georges Kettané die libanesische Armee in Zusammenarbeit mit Behörden und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

Die meisten Verletzten kamen in der mehrheitlich von Sunniten bewohnten ostlibanesischen Ortschaft Arsal an, die als Unterstützerin der Rebellion jenseits der Grenze gilt. Viele stammten aus Bueida al-Scharkija.

Derzeit keine russischen Raketen für Assad

Der stellvertretende Bürgermeister von Arsal, Ahmed Hodscheiri, beschrieb die Situation der Flüchtlinge als verzweifelt. Einige hätten ihm erzählt, dass sie sich auf der Flucht zu Fuß über die Grenze von Blättern ernährt hätten, um zu überleben. Andere Flüchtlinge trafen in al-Kasr im Nordosten des Libanon ein.

Nach Erkenntnissen von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) plant Moskau derzeit keine Raketenlieferungen nach Syrien. Westerwelle sagte der Welt am Sonntag, er habe im Gespräch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow deutlich gemacht, dass er derartige Waffenlieferungen als „kontraproduktiv und schädlich“ ansehe. Zugleich habe er den Eindruck gewonnen, dass aktuell eine Lieferung von S-300-Flugabwehrraketen aus Russland nach Syrien nicht anstehe.

Westerwelle warnte Frankreich und Großbritannien davor, die syrischen Rebellen aufzurüsten. „Es sind in Syrien leider auch Terroristen am Werk, denen es nicht nur um Damaskus geht, sondern anschließend um Jerusalem“, sagte er. Wenn Waffenlieferungen wie moderne Flugabwehrsysteme in die falschen Hände gerieten, könnte das eine „erhebliche Gefährdung für Israel und die gesamte zivile Luftfahrt“ sein.

Der Außenminister lehnte erneut ein militärisches Eingreifen in Syrien ab. Dieses werde keine nachhaltige Stabilität in das Land bringen. Stattdessen setzt Westerwelle auf die geplante Syrien-Konferenz in Genf, auch wenn deren Erfolgsaussichten „aus heutiger Sicht nicht überragend groß“ seien.

Der bewaffnete Konflikt in Syrien entwickelte sich aus einem Volksaufstand gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, der im März 2011 begann. Seitdem wurden in den Kämpfen nach Angaben von Aktivisten mehr als 90.000 Menschen getötet.

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7 Kommentare

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  • V
    Volksaufstand

    " ... Der bewaffnete Konflikt in Syrien entwickelte sich aus einem Volksaufstand ... "

    Frage: Wie definiert Ihr eigentlich "Volksaufstand"?

  • S
    sigibold

    Obwohl ich Herrn Westerwelle ungern Recht gebe. In der Sache, dass deutsche Truppen in Syrien nichts aber auch gar nichts verloren haben, stimme ich mit ihm voll überein. So traurig die Angelegenheit auch ist. Sie wird nicht besser wenn auch noch unsere jungen Männer dort verbluten. Die Bundeswehr hat sich auf die Aufgabe zu konzentrieren für die sie gedacht ist. Auf die Landesverteidigung. Wenn sie wegen der erfreulichen Entwicklung in Europa damit nicht ausgelastet ist, dann ist das das Beste was man dazu sagen kann. Lasst sie lieber eine ruhige Kugel zu Hause schieben als sich eine in der Fremde einfangen.

  • I
    IchLiebeJesus

    Warum werden Christen nicht erwähnt.

    Die christlichen Gemeinden in Syrien sollten doch mal in irgendeinen Bericht erwähnt werden. Wie sieht es mit deren Meinung aus.

    Warum verehren die President Assad und Hisbollah - Chef nasralah?

    Weil die meist als böse dargestellten doch tatsächlich andere Religionen, im Gegensatz zu den "Rebellen", respektieren und beschützen.

    Soviel ich weiß, war der 15 jährige, den die wahnsinnigen rebellen

    wegen Gotteslästerung und unmoslemischen Verhalten vor den Augen seiner

    Eltern hingerichtet haben, Christ. Dem Volk wird es erst richtig schlecht gehen, wenn Assad weg geht.

  • M
    muh

    Faszinierend, soviel Verstand hätte ich Westerwelle gar nicht zugetraut. Ich stimme nicht mit allen seinen Mutmaßungen überein, allerdings ist die grundsätzliche Linie "Keine militärische Intervention auf Seiten der Rebellen, keine russischen Raketen für Syrien" so ziemlich das vernünftigste was ich von einem Politiker in diesem Kontext seit längerem gehört habe. Schon im Libyenkonflikt fiel Westerwelle durch eine positive Neigung zur Zurückhaltung auf. Im Außenministerium hat man anscheinend die richtige Verwendung für diesen Politiker, der ansonsten nur durch Sozialhetze ("spätrömische Dekadenz" & Co.), alberne Wahlkampfauftritte und Klientelpolitik auffiel, gefunden.

    Optimalerweise sollte sich Deutschland ein Beispiel an der schweizer Neutralität nehmen, aber das bleibt wohl ein Wunschtraum.

  • A
    Auch-Jesus-war-Moslem

    Warum werden Christen nicht erwähnt.

    Die christlichen Gemeinden in Syrien sollten doch mal in irgendeinen Bericht erwähnt werden. Wie sieht es mit deren Meinung aus.

    Warum verehren die President Assad und Hisbollah - Chef nasralah?

    Weil die meist als böse dargestellten doch tatsächlich andere Religionen, im Gegensatz zu den "Rebellen", respektieren und beschützen.

  • AZ
    Atomwaffenfreie Zone

    "Einschätzung von Experten bereiteten sich die Truppen am Sonntag auf die Rückeroberung der Stadt Homs" vor - na das sind ja Experten: Homs ist aber schon längst in den Händen der Regierung (außer einige Taschen).

     

    Schön ist es das die Regierungstruppen endlich als solche bezeichnet werden - die Bezeichnung Assads Truppen hat mich auf die Palme gebracht, und nicht wenig dazu beigetragen die Nachrichten der Kriegstreiber und westlichen Wertegemeinschaft zu mißtrauen.

     

    Übrigens Israel hängt in diesem Krieg weit tiefer drin als wir es wahrnehmen, das ist wichtig um den Krieg und das Ziel: Pipelinestan und das große Schachbrett (Brzezinski),

    sowie Aufteilung und Zerschlagung Syriens mit der Einverleibung von Land in die Türkei und Israel (Golanhöhen), zu verstehen.

    Außerdem die Schwächung der Hizbollah, Iran (interessant keiner spricht mehr über die Hamas - die kämpfen nämlich auf Seite der Islamofaschisten, viele von Ihnen wurden in Al Quasier getötet).

     

    Danke für den Artikel,

    bin ja mal gespannt ob die Manöver USA/Jordanien die jetzt beginnen mit einen Einmarsch in Syrien enden.

    Braucht man vorher nur noch eine false flag action bei dem einige GIs sterben - und schon geht der Terror wieder los.

  • I
    iwern

    "Nach Erkenntnissen von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) plant Moskau derzeit keine Raketenlieferungen nach Syrien."

     

    Gehe ich fehl in der Behauptung, dass sich Westerwelles Erkenntnisse in der Vergangenheit als wenig zuverlässig erwiesen haben. Fast bin ich dazu geneigt, das Gegenteil von all seinen Erkenntnissen als richtig anzunehmen.