Bürgerkrieg im Südsudan: Fliehen oder sterben
Im bisher eher friedlichen Süden des Bürgerkriegslandes wütet jetzt eine besonders brutale ethnische Gewalt. Tausende fliehen täglich nach Uganda.
Die Toten sind meist von der Regierungsarmee SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) umgebracht worden. Die Regierung von Präsident Salva Kiir glaubt nämlich, dass die Einwohner von Equatoria, dem südlichen Landesteil, den ehemaligen Vizepräsident und Rebellenführer Riek Machar unterstützen. Seit Machar im Juli aus Südsudan floh, ist ein Teil seiner Kämpfer nach Equatoria gezogen. Die Armee zog hinterher.
Vorige Woche bestätigte Yongule Athanasius, Innenminister des Bundesstaates Yei River, ein Massaker, bei dem die SPLA ein Dutzend Menschen ermordete. Der Minister versprach, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Einwohner von Yei glauben ihm kein Wort. „Soldaten werden nie bestraft“, sagt eine junge Frau am Telefon. „Die können machen, was sie wollen. Die Regierung in der Hauptstadt Juba schützt sie alle.“
Einige Tage zuvor war ein anderer lokaler Regierungsfunktionär zurückgetreten. In seinem Rücktrittschreiben, das Journalisten zugespielt wurde, erwähnte er Plünderungen von Kirchen, Abfackeln von Märkten und Tötungen von Bürger durch SPLA-Soldaten. „Meine Leute werden getötet und gefoltert“, schrieb Toti Jacob.
Inzwischen gründen junge Equatorianer eigene Milizen. Sie nehmen Rache für die Opfer der Armee. Vor Kurzem hielt eine Miliz einen Bus an. Die Milizionäre trennten die Dinka von den anderen und exekutierten sie auf der Stelle. Die Dinka sind das Rückgrat der SPLA und der Regierung von Salva Kiir.
UN-Beauftragter Dieng
Adama Dieng, der UN-Sonderbeauftragte für Genozid, besuchte kürzlich Equatoria und erklärte danach, dass „in dem Klima von Intoleranz und Gewalt ein Potenzial für Völkermord existiert.“ Er sah, wie Familien ihre Sachen packen und am Straßenrand auf Transport ins Nachbarland Uganda warten. Dort leben mittlerweile über eine halbe Million Flüchtlinge aus Südsudan, jeden Tag steigt die Zahl um über 2.000.
Die Equatorianer, ein geografischer Sammelbegriff für mehrere Dutzend kleine Volksgruppen, fühlen sich von keiner der großen Bürgerkriegsparteien Südsudans vertreten. Einige Gruppen haben sich mit der Regierung von Salva Kiir zusammengetan, aber viele anderen stellen sich auf der Seite der Rebellen von Riek Machar. Sie wehren sich gegen die undisziplinierten Truppen der Regierung. Unterstützung bekommen die Dinka-Regierungssoldaten von einer Dinka-Miliz mit dem Namen Mathiang Anyoor, die verbündet ist mit Präsident Kiir und dem Stabschef der Armee, Paul Malong. Nicht nur die Bevölkerung, auch lokale Regierungsfunktionäre und UNO-Vertreter melden, dass diese Miliz die Bevölkerung terrorisiert.
Equatoria mag im Südsudan politisch marginal sein, nicht aber wirtschaftlich. Es ist die Transitregion für die Importe aus Ostafrika und ist ein wichtiges Agrargebiet. Aber der Warentransport ist sehr gefährlich geworden, und durch die Massenflucht nach Uganda werden die Äcker nicht mehr bestellt. Darauf grast jetzt Vieh von Dinka-Hirten, die unter dem Schutz ihrer Miliz aus ihren Gebieten weiter nördlich nach Süden gezogen sind.
Die humanitäre Lage in ganz Südsudan wird immer schlechter. Drei der elf Millionen Südsudanesen sind vertrieben oder auf der Flucht, vier Millionen hungern, schätzen UN-Hilfswerke.
Der UN-Sicherheitsrat erklärte am Freitag, er sei über die jüngste Welle ethnischer Gewaltakte „hoch alarmiert“, und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach vom „Risiko massiver Greueltaten infolge des abrupten Anstiegs von Hassrhetorik und ethnischer Anstachelung in den letzten Wochen“. Dagegen seien die 14.000 UN-Blauhelme machtlos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!