Bündnis zwischen Venezuela und Türkei: Der Feind meines Feindes
Die USA und die EU ergreifen im Machtspiel um Venezuela für Guadió Partei. Währenddessen pflegen Maduro und Erdoğan eine unbeachtete Allianz.
Berlin taz | Die Welt der Autokraten kennt kein links und kein rechts, sie macht keinen Unterscheid zwischen Christen und Muslimen. So scheint es sich derzeit mit Venezuela und der Türkei zu verhalten. Außer dem schönen Wetter und den türkisblauen Küsten haben die beiden Länder weder kulturell noch politisch irgendwas gemeinsam. Doch ganz nach dem Motto „der Feind meines Feindes“ ist hier eine besondere Beziehung quer über den Atlantik entstanden, ohne dass sich die Öffentlichkeit – zumindest nicht die deutsche – sonderlich dafür interessiert.
Die Türkei ist neben Uruguay eines der wenigen Länder, die nicht den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, sondern Nicolás Maduro als rechtmäßigen Präsidenten Venezuelas anerkennen. Für die türkische Regierung handelt es sich bei dem aktuellen Machtkampf um nichts anderes als einen Putschversuch – gesteuert von sogannten Außenmächten, was in Erdosprech meist USA heißt – den es jetzt zu zerschlagen gilt.
Türkeiaffine Lese*innen wissen: das Thema Putsch ist in Ankara seit 2016 ein besonderes Reizthema. Dem vereitelten Militärcoup folgten US-Sanktionen, die die Türkei vergangenen Sommer fast in den Bankrott trieben. Außerdem wollen die USA Fetthullah Gülen, den Staatsfeind Nummer Eins, nicht ausliefern.
So wütete Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan vor wenigen Tagen bei einer Rede im türkischen Parlament gegen die USA und die EU-Staaten, die seit Beginn des Machtkampfs eine Neuwahl in Venezuela fordern. „Ist Venezuela euer Staat?“ oder „Seid ihr denn nicht demokratisch?“, fragt er rhetorisch seine imaginierten Kontrahänten, die natürlich nicht im Parlament sitzen. Sehr wohl aber wurde die Rede im Fernsehen übertragen, und über die Kanäle der sozialen Netzwerke verbreitet, wie jeder verbale Erguss des türkischen Präsidenten.
CNN-Türk feiert ein Maduro-Spektakel
Auch die türkischen Nachrichtensender übertragen seit dem Ausbruch des Machtkampfs um die Präsidentschaft Bilder aus Venezuela in Dauerschleife. Anders als in den deutschen Medien dominieren hier Aufnahmen von Maduro. Besonders für Aufsehen hat am vorigen Freitag ein CNN-Interview im Staatspalast in Caracas gesorgt.
Cüneyt Özdemir, Reporter für den türkischen CNN-Ableger, hat ein Exklusiv-Interview mit Nicolás Maduro bekommen. Weniger als der Inhalt des Gesprächs stand die Tatsache, dass Özdemir das Interview überhaupt bekommen hat im Vordergrund. Auch ließ Maduro beiläufig – wie es im PR-Handbuch steht – an geeigneter Stelle das Wort „Iynsallah“ ins Gespräch einfließen und drückte damit genau die richtigen Knöpfe. Das ließ nicht nur das Herz des türkischen Reporters schmelzen.
Begleitet von einer Social-Media-Kampagne ist aus dem viertelstündigen, wiederholt ausgestrahlten Gespräch ein Medienspektakel inszeniert worden. Der CNN-Reporter gab tagelang Interviews als „der Reporter, der exklusiv mit Maduro“ sprach. Dass er den Termin mit Maduro nur deshalb bekam, weil alle anderen mit Guaidó sprechen wollen – geschenkt.
Über den Tellerrand hinaus
Das Faible für Medienspektakel in der Türkei ist nicht neu. Genauso wenig wie am Ende auch die Freundschaft zwischen Maduro und Erdoğan. Nach dem Putschversuch im Juni 2016 hat Maduro dem türkischen Staatspräsidenten seine Solidarität ausgesprochen und seither nicht nur Erdogans persönliche Sympathie geerntet.
In den vergangenen zwei Jahren wurden diverse Deals zwischen Venezuela und der Türkei ausgeheckt. Unter anderem wurden zwei Schulen in Caracas geschlossen, die zum Gülen-Netzwerk gehören sollen (die türkische Regierung macht die Gülen-Bewegung für den Putschversuch verantwortlich). Und seit Sommer 2018 hat das lateinamerikanische Land mehrere Tonnen Rohgold in die Türkei verschifft.
Ein Blick über unseren eigenen Tellerrand hinaus könnte sich lohnen, um mitzubekommen, welch skurillen Allianzen sich derzeit bilden. Noch steht das venezolanische Militär hinter Maduro. Und Erdoğan hat das Militär in der Türkei erfolgreich von seinen Feinden gesäubert.
Leser*innenkommentare
93897 (Profil gelöscht)
Gast
( Ergänzend )
*Murmel*
& Was soll man zu Trump überhaupt noch sagen ?.. Sein öffentliches Bild spricht mehr als tausend Worte !..
www.spiegel.de/ima...9-ehrg-1178613.jpg , www.spiegel.de/ima...9-dpom-1164738.jpg , www.tagesspiegel.d...516/1-format43.jpg
93897 (Profil gelöscht)
Gast
Merhaba Canset ; In dem vorliegenden Fall , übrigens auch bei der Aufklärung Kashoggi-Fall , hat ( sogar ) Erdogan mehr politisch-dipomatisches und rechtstaatliches Geschick bewiesen als die Bundesregierung . Die ´Kurden-Thematik´steht auf einem anderen Blatt . Muss mich insofern Stefan Pauls Meinung anschließen , dass der Artikel leider etwas Einseitig & hinsichtl. Deeskalativer Einwirkung im Hinblick auf die stabilen zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Türkei & BRD kontraproduktiv erscheint . Hier ein lesenswerter Artikel hinsichtl. der Völkerrechts- & Verfassunswidrigkeit der Bundesregierungs-Reaktion : www.n-tv.de/politi...ticle20850774.html - Salam alayküm MfG
Dorian Müller
Doch, die Mehrheit der Länder ist es, wenn auch wegen China nicht unbedingt die Mehrheit der Weltbevölkerung:
prodavinci.com/map...n-de-juan-guaido1/
Nur 15 Länder stellen sich klar hinter Maduro. Uruguay im übrigen nicht mehr.
93649 (Profil gelöscht)
Gast
@Dorian Müller Die UN haben 193 Mitglieder und ungefähr 50 erkennen Guaidó an. Also nur ein Viertel der Mitgliedsländer meinen, Guaidó sei der rechtmäßige Präsident.
Im übrigen steht in dem Artikel auch, dass die Wahl von Maduro von 47 Ländern nicht anerkannt wurde. Auch eine Eher kleine Minderheit.
geo-gop
Aufrichtige Verbündete zu haben, das scheint den "Siegermächten" immer schwerer zu fallen. Westdeutschland z.B. bildet dubiose Allianzen mit einem Fracking- und Mauernstaat USA, mit dem es überhaupt nichts gemein hat, nicht mal die Grünen gibt es dort. Die DDR aber hätte klar ihre Solidarität auch schon mit Chavez bekundet und keinen Unterschied zu seinem rechtmäßigen Nachfolger gemacht. Seltsam, dass die Grünen mit dieser Politik versuchen, in Ostdeutschland auf Stimmenjagd zu gehen.
Dorian Müller
@geo-gop Oh doch, es gibt die Green Party in den USA, nur dass die in einem Zwei-Parteien-System keine Machtchancen hat. Aber es hat immerhin gereicht, dass bereits zweimal Kandidaten/innen der Grünen den Demokraten gerade soviel Stimmen abgenommen haben, dass Republikaner Präsidenten wurden, einmal George W. Bush und einmal ein gewisser Donald Trump. Und ich würde "Westdeutschland"nicht gerade als Siegermacht bezeichnen.
ecox lucius
"It's a man's world..." Die Frauen auf dem Bild kommen natürlich im Text nicht vor, aber sie zeigen eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen religiöser und sozialistischer Ideologie: Das Frauenbild. Sittsam in Dunkel und Weiss gekleidete Frauen, die ebenso sittsam auf ihren Stühlen sitzen. Eine Benediktinerin, die so schön schwarz-weiss verpackt ist, würde das Bild wunderbar ergänzen.
iriem
@ecox lucius … it's a mans world,
aber anders als es auf den ersten Blick scheint. Dass man der ersten Präsidentin des venezuelanischen Nationalversammlung (diese Position hat heute Juan Guaidó inne) aufgrund eines einzigen Bildes, ihre politische und gesellschaftliche Macht absprechen will, ist in einer progressiv gemeinten gender-Debatte eher ein Schuss, der nach hinten losgeht. Eine Bildersuche zeigt, dass „sozialistisch“ sittsames Schwarz nicht der normale Stil von Cilia Flores ist. Ebenso wirft Michelle Obama sich auch nicht außerhalb von Papstbesuchen in Schleier und Angela Merkel kleidet sich außerhalb von Saudi Arabien auch gerne bunter. Der politische Dresscode ist weiterhin dominiert von der man's world.
Den Status einer Frau, die 1992 planerisch an dem gescheiterten Staatsstreich von Hugo Chavez beteiligt war, ihn danach als seine Verteidigerin vor Gericht vertrat und schließlich fast fünf Jahre das höchste legislative Amt des Landes inne hatte, anhand eines Fotos, indem sie sich an die chauvinistische Etikette der Diplomatie hält, definieren zu wollen, ist leider kein Meisterstück im Kampf gegen das Denken in ebendiesen Mustern.
93649 (Profil gelöscht)
Gast
„Die Türkei ist neben Uruguay eines der wenigen Länder, die nicht den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó, sondern Nicolás Maduro als rechtmäßigen Präsidenten Venezuelas anerkennen.“
Das ist gelogen. Die Mehrheit der Länder weltweit erkennt Guiado nicht an.
Sandor Krasna
Eine Allianz bilden nach wie vor die Türkei und die USA, sowie viele westliche Staaten darunter auch Deutschland. Das Bündnis: NATO. Das Außenhandelsvolumen zwischen den USA und Venezuela ist nach wie vor um ein vielfaches Höher als zwischen Venezuela und der Türkei. Deutschland exportiert jedes Jahr Waren im Wert von 20 Milliarden Euro in die Türkei. In die umgekehrte Richtung beläuft sich das Handelsvolumen auf 16 Milliarden. Deutschland hält am Verbot der PKK fest. Eine bizarre Allianz besteht zwischen der venezolanischen Opposition und den USA, Kolumbien sowie Brasilien.
93649 (Profil gelöscht)
Gast
@Sandor Krasna Vielen Dank für die wenigen, aber sehr aufschlussreichen Fakten. Es zeigt sich, dass dieser Artikel, der Information vorgaukeln soll, reine Propaganda für die westliche Staatengemeinschaft und deren angebliche Werte für Demokratie und Menschenrechte ist.