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Buch von Julian Nida-RümelinMahner gegen die Akademisierung

Der Philosophieprofessor ruft auf zur Rückbesinnung auf die handwerkliche Ausbildung. Und zum Erhalt der klassischen Uni – für eine Minderheit.

Auf's Dach steigen? Gerne. Aber bitte nicht zu hoch hinaus, findet Julian Nida-Rümelin Bild: dpa

BERLIN taz | Der Klempner, der Schlosser, der Elektriker, sie sind in Gefahr. Sie stehen auf der Roten Liste, weil ihr Nährboden, die berufliche Bildung, schrumpft. Ursache ist, dass sich junge Menschen zunehmend für ein Studium anstelle einer beruflichen Ausbildung entscheiden. Die Sorge ist nicht neu, überraschend ist jedoch, dass sie nicht vom Vorsitzenden der örtlichen Handwerkskammer geäußert wird, sondern von Julian Nida-Rümelin, Philosophieprofessor in München.

Nida-Rümelin, in dessen schlanken, langen Fingern man sich schwerlich eine klobige Rohrzange vorstellen kann, hat eine klassische Akademikerkarriere hingelegt. Der Sohn eines Künstlers besuchte das humanistische Gymnasium, studierte Physik, Mathematik und Politik, promovierte und wurde Anfang der 90er Jahre zum Professor berufen. Nun hat sich der Sozialdemokrat nie im Elfenbeinturm eingemauert, er war Kulturreferent in München und ein Jahr lang Kulturstaatssekretär unter Gerhard Schröder.

Neu ist sein Posten als Mahner gegen eine fortschreitende Akademisierung der Gesellschaft. Denn die SPD plädiert ja gerade für eine Öffnung der Hochschulen auch für beruflich Qualifizierte und dafür, dass ein Studium auch ohne Abitur möglich wird.

In seinem pünktlich zur Buchmesse erschienenen Werk – er selbst nennt es Essay – „Der Akademisierungswahn“ schreibt er: „Sollte der Trend zum Wechsel an die Gymnasien und zum zweiten Bildungsweg weiter anhalten, dann müsste den Universitäten die Möglichkeit zugestanden werden, mit Eignungsprüfungen den Zustand stärker zu reglementieren.“

Die Angst des Bildungsbürgers vor der Konkurrenz

Wieso will Nida-Rümelin anderen verwehren, was er selbst in allen Facetten genossen hat? Es fällt schwer, dem Vater von drei Kindern nicht reflexhaft die Angst des arrivierten Bildungsbürgers vor der Konkurrenz durch die Bildungsaufsteiger aus Arbeiter- und Zuwandererfamilien zu unterstellen. Abwegig ist der Gedanke aber nicht.

Nida-Rümelin schreibt, er argumentiere aus Sicht eines Philosophen, aber auch eines besorgten Bürgers. Als solcher betont er seine Wertschätzung für eine gründliche Bildung im humanistischen Sinne: Wissen als zweckfreie Suche nach begründeter Wahrheit, nach Vernunft. „Ich plädiere für ein Bildungssystem, das sich den Diktaten dieses Marktes nicht unterwirft, das Normen, Werte und Bildungsinhalte vermittelt, die nicht lediglich Instrument der Optimierung auf dem Arbeitsmarkt sind“, schreibt er.

Das Buch

Julian Nida-Rümelin: „Der Akademisierungswahn“. Edition Körber-Stiftung, 2014, 16 Euro

Doch gleichzeitig meint Nida-Rümelin, dass sich Deutschland auf einem gefährlichen Irrweg befinde, wenn man wie derzeit immer mehr junge Menschen zum Studium ermutige. Er prophezeit einen Mangel an spezialisierten Facharbeitern gegenüber einem Überschuss an unspezifisch ausgebildeten Akademikern. Die alte Furcht vor einer Akademikerschwemme im neuen Einband also.

Schuld am Akademisierungswahn? Die OECD

Als hauptverantwortlich für diesen „Akademisierungswahn“ benennt Nida-Rümelin nicht etwa bildungsbewusste Eltern und eine immer mehr auf Innovation statt auf Produktion setzende Volkswirtschaft, sondern die OECD. Jene Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die es im Zuge ihrer Pisa-Studien nie versäumte, auf den geringen Anteil akademisch gebildeter Fachkräfte hierzulande hinzuweisen.

Nida-Rümelin führt Studien an, die zeigen, dass in Deutschland ein Engpass an Schlossern oder Klempnern droht. Doch ernsthafte Belege dafür, dass eine Volkswirtschaft schrumpft, wenn die Mitglieder höher qualifiziert sind, kann der Philosoph nicht vorweisen.

Nida-Rümelin wirbt dafür, die berufliche Bildung gegenüber der akademischen wieder aufzuwerten und ihre Besonderheiten wahrzunehmen. „Handwerklich-technisches Wissen ist Wissen eines anderen Typs“, schreibt er und erklärt verklärt: „Wer einer umfassenden Akademisierung das Wort redet, verfolgt implizit eine Abkehr unseres Bildungswesens vom Haptischen, vom Handwerklich-Technischen.“ Dass auch studierte Zahnärzte gute Handwerker sein sollten und ausgebildete Schreiner eine Maschine programmieren müssen, sei dahingestellt.

Doch wenn Nida-Rümelin konstatiert „Die Krise der beruflichen Bildung ist vor allem eine Krise der Anerkennungskultur“, macht er es sich etwas einfach. Er erwähnt zwar den Mehrwert von akademischer Bildung – besseres Einkommen, höhere Positionen –, wertet dies aber vor allem als statistisches Phänomen und versucht nachzuweisen, dass etwa Meister oder Techniker mehr verdienen als viele Geisteswissenschaftler. Um eine valide Aussage zu treffen, müsste Nida-Rümelin jedoch konsequent in einer Branche bleiben, also die Techniker mit den Ingenieuren vergleichen.

Beispiel Schule: Gehälter gehen auseinander

Ein Gegenbeispiel aus dem Bildungswesen selbst, aus einer Schule: Zwischen einer Erzieherin und einer Lehrerin, die im Rahmen des Ganztagsbetriebs eng zusammenarbeiten, klaffen auf dem Gehaltszettel Welten. Die Erzieherin bekommt, sofern sie im öffentlichen Dienst angestellt ist, ein Einstiegsgehalt von 2.311,21 Euro. Die ebenfalls angestellte Grundschullehrerin startet in der Tariftabelle der Länder mit 2.787,69 Euro.

Die Gehaltsunterschiede werden mit der Zeit größer, nach fünf Jahren verdient die Lehrerin nicht mehr nur rund 440 Euro, sondern bereits 625 Euro mehr als ihre Kollegin. Beide betreuen dieselben Kinder, die Gehaltsunterschiede sind in erster Linie auf Unterschiede in der Qualifikation zurückzuführen. Die Lehrerin hat studiert, die Erzieherin nicht. Die Lehrerin kann mal Schulleiterin werden, nicht die Erzieherin.

Eine Gleichstellung von Lehrern und Erziehern könnte über eine Akademisierung des Erzieherberufs erreicht werden. Doch das lehnt Nida-Rümelin ab: „Die Akademisierung der beruflichen Bildung ist in der Regel mit einem Qualitätsverlust und nicht zu einem Qualitätsgewinn verbunden“, schreibt er. Wieso eine Erzieherin mit einem Bachelor in Kindheitspädagogik schlechter ausgebildet sein soll als eine Erzieherin mit einer fachschulischen Ausbildung erschließt sich jedoch nicht.

Nida-Rümelin sieht durchaus Reformbedarf in der beruflichen Bildung. Die auf über 300 Berufe ausgerichtete duale Ausbildung sei zu kleinteilig, konstatiert er und fordert, dass allgemein bildende und wissenschaftliche Anteile ein höheres Gewicht erhalten sollten. So solle die Ausbildung auch für Abiturienten wieder anspruchsvoller und damit attraktiver werden.

Umgekehrt will er jedoch vermeiden, praktisch gebildeten Menschen den Besuch von universitären Veranstaltungen zu erleichtern. Gestiegene Abbruchquoten infolge der höheren Einschreibezahlen? Wunderbar! Das sei nicht als Versagen der Hochschuldidaktik zu werten, schreibt Nida-Rümelin, sondern als „Aufforderung an diejenigen, die sich für den falschen Bildungsweg entschieden haben, diese Entscheidung rasch zu korrigieren und damit eine für sie selbst und für die Gesellschaft sinnvollere berufliche Tätigkeit anzustreben“.

Für eine humane Differenzierung

Wenn sich Nida-Rümelin gegen Gleichmacherei und für eine humane Differenzierung ausspricht, benutzt er das gleiche Vokabular wie die Gegner von „Einheitsschulen“ und Verfechter des klassischen dreigliedrigen Schulsystems, bestehend aus Haupt-, Realschule und Gymnasium. „Die dünkelhafte Herabsetzung handwerklicher und technischer Begabungen und Interessen sollte endlich der Vergangenheit angehören“, fordert er.

Vordergründig ging es auch den Hauptschulapologeten um die Wertschätzung solcher Begabungen, gleichzeitig nahmen sie in Kauf, dass ein nach Begabungen differenzierendes Schulsystem Kinder aus einfachen Schichten krass benachteiligt.

Als Sozialdemokrat prangert Nida-Rümelin die skandalös hohe „soziale Selektivität“ in Deutschland an und schlägt nun schlicht vor, den Begriff einzumotten. „Er ist zur Kritik der allzu frühen Weichenstellung der Bildungswege sinnvoll gewesen, aber er ist einer überkommenen Bildungsideologie verhaftet.“ Doch selbst wenn man allen Dünkel fahren lässt, bleibt immer noch die Tatsache, dass von 100 Akademikerkinder 77 studieren, während nur 23 von 100 Facharbeiterkindern den Weg an die Uni finden.

Eine durchdachte Bildungsexpansion, wie sie Nida-Rümelin vorschlägt, sollte vor allem über den Ausbau der Fachhochschulen erfolgen, um eine dramatische Überbelastung der Universitäten zu vermeiden. Ein FH-Studium will der Uni-Professor im Übrigen nicht als akademische Bildung verstanden wissen. Das impliziert, dass die Bildungsaufsteiger sich bitteschön an den FHs einschreiben, während das Bildungsbürgertum die Plätze in den Hörsälen für den eigenen Nachwuchs reserviert.

Nida-Rümelins Plädoyer für eine erneute Hinwendung zur Berufsausbildung liest sich denn auch eher wie eine Streitschrift für die Universität der Wenigen. Frei nach dem Motto: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“

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19 Kommentare

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  • Es ist immer ein bißchen schwierig, sich über die Thesen eines Buches zu äußern, das man selbst nicht gelesen hat. Und das Anna Lehmann den Inhalt neutral referiert, werden vermutlich nicht einmal die Gutwilligsten behaupten.

     

    Dennoch scheint mir der Inhalt sehr verkürzt wiedergegeben, wenn unterstellt wird, J.N-R. wolle die Hochschulen nur für das Bildungs- und Geldbürgertum erhalten. Das Problem, das er auch anspricht - soweit ich es aus dem Artikel herauslesen konnte – ist eine seit Jahren zu beobachtende Leistungsabsenkung. Das ist als Beobachtung nicht gerade rasend originell, doch es wäre wohl sinnvoll auf diesen Punkt auch näher einzugehen. Denn der wachsende Anteil an Abiturienten ist ja keineswegs die Folge eines plötzlichen Intelligenzzuwachses.

     

    Wer erlebt, dass an Schulen mit hochschulqualifizierenden Abschlüssen nicht wenige Absolventen nicht mehr in der Lage sind, auch nur eine Handvoll von Sätzen aufs Papier zu bringen, bei denen Orthographie und Satzbau stimmen, kann sich für die weitere Absenkung der Anforderungen (Studium ohne Abitur) nicht mehr wirklich begeistern. Die Alternative wären dann wirklich zusätzliche Eingangsprüfungen an den Unis. Ob das immer fairer ist, wage ich zu bezweifeln.

  • ". . .Neu ist sein Posten als Mahner gegen eine fortschreitende Akademisierung der Gesellschaft.. . ."

     

    Nö - mit diesem Sperrmüll geht er doch seit Jahren Hausieren;

    und - wie hier schon unmißverständlich angemerkt,

    damit wird der Quark . . eben -

    nur breit.

     

    Die Nummer ist so alt wie die Menschheit -

    wenn einer drei Körnchen mehr auf sein Schäufelchen bugsiert hat -

    schwupps - will er dafür gern den Popo gepudert bekommen -

    aber ist vor allem damit das so bleibt - aber so was von heftig unterwegs -

    daß andere nicht in den Genuß kommen -

     

    Grundtenor - die Bedeutung meiner Stellung erfüllt mich mit Bewunderung

     

    - und da raus wird alles andere abgeleitet und kein Stuß ist dafür zu schade - kein Taschenspielertrick zu billig.

     

    Statt sein Hirn dafür in die Weiche zu legen - wie Bildung - z.B. im Handwerk wie im Hochschulbereich - entsprechend den Anforderungen des Grundgesetzes -

    unserer Verfassung -

    gleichheitssatzentsprechend und in jeder Richtung sozial durchlässig gestaltet/organisiert werden kann -

    fällt diesem Herrn Eleganti entsprechend seiner "Grunderkenntnis" -

    das Boot ist voll -

    nur die Zugangsbeschränkng ein -

    der Rest ist doch - aber so was von - nur für die Galerie.

     

    Nein nein - der Herr - Ihresgleichen -

    und ich hab mich in diesen Kreisen - mehr oder weniger geduldet - mein Leben lang rumgetrieben und mein Bruder ist ein ausgewiesener Autididakt

    aber mit zwei Lehrberufen;-)

    Sie haben - gut staatlich abgepolstert -

    schlicht die! Grunderkenntnis - spätestens ab der Französischen Revolution, aber auch der modernen Erkenntnis geschuldet - vergessen -

    Sie wollen es nicht wahrhaben -

    die Menschen sind gleich -

     

    Und das - ist der Ausgangspunkt -

    der einzig zulässige aller Überlegungen.

     

    Aber -

    Die handwerkliche Ausbildung uneingeschränkt der Industrie überlassen und

    Bertelsmann- Bologna als Denaturierung der Hochschulen -

    sind doch der Sündenfälle mehr als genug.

  • Kurzer Nachtrag.

    Entschuldigt bitte die Tipp-Fehler. Es ist 3 Uhr nachts, da machens die Finger (Augen) nicht mehr so recht.

     

    Ist es nicht so, dass die Unternehmer von den Unis die kostenlose "Lieferung" von Mensch-Apparaten erwarten?.

     

    Zu wirklicher zielfreier Wissens-Schöpfung kommen die UNIs kaum noch. Das aber war mal doch das klassische UNIVERSAL-Konzept ohne Scheuklappen und ohne Scheichen-Wissen-Dünkel.

    Neues Wissen-schaffen ist doch nur mit tiefem Erkennen in vielen Detail-Gebieten denkbar.

     

    Oder irrrre ich mich da?

  • Das Bildungssystem ist einfach "Kacke", nicht nur in DE, Warum entwerfen nich die jungen Leute ein Konzept des realen lebenslangen Lernen.

    Geteilt in zwei(?) nebeneinander herlaufenden Spuren.

     

    Spur 1: Vermittelt elementare Kenntnisse und Fertigkeiten in allen Wissengebieten. Finanziert zu 100% aus allgemeinen Steuern.

    Dynamisches Zeitkonzept und dynamisches Inhaltskonzept für jeden Einzelnen nach persönlichen "Neugier"-Schwerpunkten. (grundgedanke: was mich interessiert, das lernt sich fast von alleine). Ab bestimmter Level auch über elektronischer Stoff-Angeboten, die laufend akktualisiert werden.

    Mit steigendem Niveau Spittung Wissens-Hauptgebiete (Techisches Wissen: Natur-Wissen: Sprachen und Völker; Ökonomie und Wirtschaft). Aber nicht bezogen auf konkrete Berufsbilder!!!

    Alles das steht jedem Menschen jederzeit offen und kostenfrei zur Verfügung, egal ob er 8 oder 80 ist.

     

    Spur 2: Berufsbezogene Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten.

    Finanziert zu 100% aus Mitteln der arbeitgebenden Wirtschaft. Die Bildungspläne werden von der Wirtschaft entwickelt nach deren Bedarf unter Mitwirkung von Berufsverbänden, ggf. Bildungs-Gewerkschaften. Auch diese Bidungsinhalte stehen via elektr. Veröffentlcung allen zur Verfügung, um z.B. Berufswechsel möclich machen.

     

    Die Kostenumlage innerhalb der Unternehmen bleibt denen selbst überlassen, ggf. allg. Rechtswege bei Streitfällen

     

    So etwa in der Schnelle mal als Anregung, Leider werden unsere Bildungspolitiker schon zu verkrustet und zu verstockt sein.

  • Soso, Uni lohnt sich & Akademiker verdienen also viel mehr als nicht-Akademiker? Naja.. außer, wenn Sie als Akademiker an einer deutschen Uni unterrichten. Da ist das Gehalt dann wesentlich niedriger als bei den zitierten Schullehrern. Bei der "akademischen Elite" des Landes ist stattdessen Totalprekarisierung angesagt, ohne Verbeamtung von einem Teilzeit-Fristvertrag zum nächsten....

    während diese Dozenten dann mit immer noch weniger Gehalt, Absicherung und Planbarkeit immer noch mehr Studierende betreuen sollen. (Denen, nota bene, dann oftmals in Bachelorseminaren gerne auch erst nochmal Basisgrammatik und Grundrechenarten beigebracht werden dürfen.)

     

    Wie wär's mal mit ein paar Gedanken zur Totalabwicklung und Prekarisierung des gesamten deutschen Unimittelbaus? Solange Sie, taz &JNR, sich nicht darum scheren, wer die lieben Studierenden zu welchen Konditionen und Gehältern unterrichten soll, können die schlauen Überlegungen zu deren Anzahl getrost in die Tonne gekloppt werden.

  • Nida-Rümelin hat keine Ahnung, was er da labert.

    Das ist ein Zeichen von der untersten Stufe der Gesellschaft, die wir hier in der BRD vorzuweisen haben: Philosophie - Professoren und Kulturstaatssekretäre.

     

    Er hat lt. Wiki nie eine Lehre gemacht, sondern kennt nur den Unibetrieb. Ich habe beides gemacht und kann sagen, dass für meine berufliche Tätigkeit beides gleich blödsinnig war.

     

    Ansonsten lässt der Artikel wie Nida-Rümelin aber auch einiges vermissen.

    Dann soll sich Nida-Rümelin mal in der SPD dafür einsetzen, dass Altenpfleger die mit 50 den Rücken kaputt haben anschließend nicht noch 20 Jahre von HartzIV leben müssen, bis sie ihre Rente bekommen. Dann haben vielleicht auch wieder mehr Leute Lust, den Job zu machen, auf den sie Bock haben. Unabhängig davon kann man nebenbei immer studieren. Dann kann das SPD-Mitglied ja mal dafür sorgen, dass mehr Angebote für Berufstätigen (oder wenigstens Arbeitslose) entstehen, sich weiter zu qualifizieren. Und zwar sowohl als gelernte Kraft zur Fachkraft oder zum Universitätsabschluß.

     

    Nida-Rümelin könnte ja mal beispielhaft vorangehen und eine Lehre zum Berufsberater machen, wenn ihm das so am Herzen liegt. Gearbeitet hat der sein ganzes Leben noch nicht richtig. Wirklich traurig, so ein Leben, in dem man eigentlich nix vom Leben mitbekommt.

  • Meiner Erfahrung nach treiben einige Eltern (Akademiker und "Bildungsaufsteiger" gleichermaßen) ihre Kinder mit rücksichtslosem Ehrgeiz zum Studium an. Da werden viel zu hohe Erwartungen gesetzt, die Fähigkeiten des Kindes falsch eingeschätzt und die Wünsche komplett ignoriert. Ein neues Bewusstsein für die Ausbildungsberufe würde auch diesen Menschen helfen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @aho90:

      Am Ende sind es nicht die Kinder der Akademiker, die sich für einen Ausbildungsberuf entscheiden (sollten). Und - Studium, wenn mit einem entsprechenden Job als Anschluß, ist fast immer besser als Ausbildung. Besseres Geld, bessere Möglichkeiten, interessantere Tätgkeiten. Kein Mediziner, kein Jurist käme auf den Gedanken dem eigenen Kind eine Ausbildung schmackhaft zu machen. Da gilt alles unterhalb eines Studienabschlusses als Versagen. Die Quote von fast 80% spricht Bände.

  • Unsere Gesellschaft hat ein Problem mit der Anerkennung vieler Ausbildungsberufe (insbesondere der Sozialen), und das liegt in erster Linie an der schlechteren Bezahlung. Daran sollten wir arbeiten, anstatt alle in die Uni zu schicken, so als ob das der einzige Weg wäre.

    • @Vaubeka:

      Oh, da fehlt ein Teil des Kommentars, na toll...

       

      Ihr Artikel kritisiert an Nida-Rümelin, er vertrete eine elitäres Studiensystem, dabei klingt genau aus Ihren Worten der Gedanke, ein Studium sei besser als eine Ausbildung und deshalb sei es wünschenswert wenn möglichst viele Menschen studieren.

       

      Warum sollte ein Studium aber zu besserer Qualifikation führen als eine Ausbildung und was ist an Akademikerberufen besser als an Ausbildungsberufen? Sie liefern die Antwort eigentlich gliech mit, aber ohne die richtige Lösung: LehrerInnen sind besser bezahlt als ErzieherInnen und deshalb ist der Lehrerberuf in unserer Gesellschaft besser als der Erzieherberuf. Warum sollte aber jemand ein/e bessere ErzieherIn werden durch das Lesen von Shakespeare (im Falle von Anglistik) und das Drücken der Hörsaalbank? Es ist Unsinn zu behaupten, Ausbildungsberufe wären schlechter und deshalb sollten alle studieren. Ausbildungsberufe sollten besser und der dafür erforderlichen Qualifikation und der tatsächlichen Verantwortung entsprechend bezahlt werden.

       

      Ein Studium befähigt einen für viele Berufe kein bisschen besser, im Gegenteil, es ermöglicht nur einen besseren Verdienst. Und das ist das Problem!

  • Pseudointellektuelles Gefasel. Wie sagte mein Professor (FB Informatik; Uni K´Town): Philosophen rechnen mit den natürlichen Zahlen von eins bis zehn.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Solche Beiträge, wie derjenige von JNR, bezwecken, hinter der besorgten Fassade des Bildungsexperten, die Zementierung der sozial selektiven Karrierewege.

    Es kotzt mich an, wenn Leute, die selber oft, wie z.B. meine Schwiegereltern, von der Öffnung der akademischen Bildung für breite Schichten profitiert haben, es eilig haben, die Leiter wieder hochzuziehen.

  • Der Artikel oder das Buch geht ein gutes Stück an der Realität vorbei. Studieren ist nie verkehrt. Man kann ja einerseits einen "richtigen" Beruf erlernen und davor oder danach studieren.

    Eine ganz andere Entwicklung sehe ich: Wie Akademiker verkommen zunehmend zu "PROLEDEMIKERN"; hochqualifiziert arbeiten wir für 10 Euro pro Stunde im Lager, fahren Taxi oder machen "Praktika".

     

    Rückwirkend hätte mir ne Elektrikerlehre nicht geschadet ;))

    • @Oliver-Michael Schilcher:

      ...was mittlerweile auch sehr beliebt ist, Akademiker für wenig Geld, aus den 'Armenhäusern' der EU.

      • @Fotohochladen:

        Genau, deshalb gibt es hier auch den erfundenen "Fachkräftemangel" in der Industrie. Um die Löhne auch der Top-Qualifizierten nach unten zu nivellieren.

  • Er hat insoweit recht, als viele einen Studiengang in einem Laberfach, wo jeder mal recht hat und die Wohlfühlatmosphäre eh der eigentliche Sinn des Fachs ist, einer wirklichen Arbeit vorziehen.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Ein FH-Studium will der Uni-Professor im Übrigen nicht als akademische Bildung verstanden wissen. Das impliziert, dass die Bildungsaufsteiger sich bitteschön an den FHs einschreiben, während das Bildungsbürgertum die Plätze in den Hörsälen für den eigenen Nachwuchs reserviert."

     

    Das impliziert gar nichts, insofern es gar nicht darum geht, für irgendwen Plätze zu reservieren, sondern um eine sinnvolle Differenzierung nach praxis- und theorielastiger Ausbildung.

     

    Wozu brauchen Erzieher ein pädagogisches Studium, wenn sie schon in ihrer bisherigen Ausbildung mit pädagogischen Theorien bombardiert sehen, die sie kaum anzuwenden in der Lage sind? Sicher lässt sich auch die Erziehung von Kindern im Kindergartenalter akademisieren (indem man spielerisch Fremsprachen oder sonst etwas lernt). Aber dazu braucht es eine Qualifikation, die heutige Erzieher bisher nicht haben.

     

    Es stellt sich folglich die Frage, ob das bisher sich zu diesem Beruf hingezogen fühlende Klientel überhaupt noch in der Lage wäre, die mit der neuen "Job Description" verbundenen Anforderungen zu erfüllen. Sehr wahrscheinlich dürfte das für viele Schulabgänger nicht der Fall sein, was somit den Einstieg in den Erzieherberuf erschwert und für junge Menschen, die einfach gerne beruflich mit Kindern umgehen wollen, sogar unmöglich macht. Wohin aber mit diesen Menschen? Werden sie dann zu Unter- oder Hilfserziehern degradiert?

     

    Es ist doch schlicht sinnlos, den Menschen zu suggerieren, sie bräuchten bloß eine Kurzausbildung zum "Bachelor", um dann das große Geld zu machen. Das wird nämlich ohnehin in diesem Bereich auf absehbare Zeit nicht bezahlt werden. Und solange das so ist, ziehen wir uns mit der forcierten Akademisierung auch keine besser befähigten Arbeitskräfte heran, sondern ein notorisch unzufriedenes Akademikerproletariat, das sich vor allem was auf seine vermeintliche Bildung einbildet, aber sich die Finger nicht mehr schmutzig machen will.

    • @849 (Profil gelöscht):

      ...nicht alle, die an einer FH studieren, studiert haben, sind hinterher 'Erzieher' ; )

  • Es ist allerdings auch klar, dass es den immer weiter fortschreitenden Aufstieg der nächsten Generation nicht geben wird. Es war in den letzten 100 Jahren normal, das der Opa vielleicht Arbeiter war, der Papa Meister und der Sohn dann Ingenieur. Dass der Enkel jetzt Professor wird, ist allerdings eher unwahrscheinlich, einfach schon deswegen weil die Stellen rar gesät sind. Es ist auch vielleicht für den Enkel besser vielleicht wieder Handwerker zu werden (weil es seinen Neigungen entspricht). Wo man im übrigen auch gutes Geld für gute Arbeit verlangen kann und vielleicht sogar mehr Geld verdient als Selbständiger Handwerker als der Professor (ich kenne solche Leute :-) ).

     

    In jeder Generation ein Schritt weiter ist vorbei, das ist aber vielleicht gut so wenn das eingesehen wird. Dann kann jeder vielleicht ohne falschen Ehrgeiz der Eltern, wieder machen was er möchte.