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Buch „Angriff der Antidemokraten“Normalisierung des Antisemitismus

Soll man mit den Feinden der Demokratie reden? Antisemitismusforscher Samuel Salzborn warnt eindringlich vor der Neuen Rechten.

Dass man der AfD die antisemitischen Ausfälle eines Björn Höcke einfach so hat durchgehen lassen, hält Salzborn für hochproblematisch Foto: dpa

Die Umfragen für die Alternative für Deutschland (AfD) deuten nach unten, und die politischen Eliten in Deutschland atmen auf. Dabei wird geflissentlich übersehen, wie sehr sich der politische Diskurs seit der Gründung der Partei 2013 in Deutschland verschoben hat.

Nicht zuletzt die Dauerpräsenz der AfD-Führungsriege um Jörg Meuthen, Alexander Gauland und Frauke Petry in allen Talkshows gibt ihnen die Möglichkeit, ihre kruden Thesen zu Flüchtlingen, gegen „Altparteien“ und Lügenpresse zu besten Sendezeiten unters Volk zu bringen. Darüber hinaus hat sich ein Milieu verfestigt, das den Grundwerten der Bundesrepublik distanziert bis feindlich gegenübersteht und bis weit in die bürgerlichen Schichten hineinreicht.

Neben den klassischen Medien ist es zunehmend die virtuelle Realität der sozialen Medien, die die neurechte Parallelwirklichkeit befeuert. Was viele Jahre als unsäglich galt, wird so Talkshow für Talkshow, Facebook-Post für Facebook-Post zum Bestandteil politischer Auseinandersetzung: antidemokratisches, antipluralistisches und völkisches Denken, Rassismus und Antisemitismus.

Dies nimmt der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn in seinem Band „Angriff der Antidemokraten. Die völkische Rebellion der Neuen Rechten“ zum Anlass, um sich eingehender mit der Neuen Rechten und der AfD auseinanderzusetzen. Ihn treibt dabei die Sorge um, dass eine Gesellschaft, die rassistische und völkische Positionen zur besten Sendezeit zulässt, ihren demokratischen Kern selbst zerstört.

Das Buch

Samuel Salzborn: „Angriff der Antidemokraten. Die völkische Rebellion der Neuen Rechten“. Beltz Verlag, Weinheim 2017, 224 S., 14,95 Euro.

Doch Salzborn geht in seiner Analyse zunächst einen Schritt zurück. Er führt ein, indem er sich mit den theoretischen und historischen Wurzeln dieses antidemokratischen Denkens auseinandersetzt. Hierbei zeigt er auf, wie klar die antiliberale, völkische Linie von der konservativen Revolution und Carl Schmitt über den Nationalsozialismus zur neurechten Bewegung verläuft.

Der Verschwörungswahn

Da verwundert es wenig, dass auch innerhalb der Neuen Rechten Antisemitismus eine konstitutive Rolle spielt. Das Judentum bildet hier das absolut Andere, so Salzborn, für das es keinerlei Platz auf dieser Welt und schon gar nicht in einem völkisch-christlichen Deutschland geben kann. Damit einhergehen Antijudaismus, Holocaustleugnung und -relativierung und antisemitischer Verschwörungswahn.

Dass man der AfD die antisemitischen Ausfälle eines Wolfgang Gedeons, eines Björn Höckes und anderer einfach so hat durchgehen lassen, hält Salzborn für hochproblematisch, weil sich damit eine „dramatische Normalisierung von Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft“ vollzieht.

In seiner Auseinandersetzung mit dem weit verbreiteten Verschwörungsglauben in diesem antidemokratischen Umfeld arbeitet Salzborn heraus, dass es sich dabei vor allem um eine Projektion eigener Verfolgungs- und Unterdrückungsfantasien auf andere handelt. Und er betont, dass das AfD-Milieu eben nicht mehrheitlich abgehängt und sozial schwach ist, sondern es sich vornehmlich um eine gefühlte Abgehängtheit handelt, in der sich viele der Anhänger eingerichtet haben.

Wichtig ist sicherlich auch Salzborns Exkurs nach Russland und zu Aleksandar Dugin, der mit seinen antiwestlichen, antimodernen und antisemitischen Thesen über Eurasien zum Stichwortgeber für hiesige Ideologen geworden ist.

Salzborn widmet sich ausführlich dem Wahlprogramm der AfD und zeigt auf, wie wesentlich der Hass auf Gleichheit und Gleichberechtigung für den „parteipolitischen Arm der völkischen Rebellion“ ist. Dabei wird ein weiteres Mal klar, dass es hier nichts schönzureden gibt. Die „Alternative für Deutschland“ ist keine politische Partei, die nur am rechten Rand des bürgerlich-konservativen Milieus fischen möchte, sie will die Grundwerte der Bundesrepublik abschaffen und muss deshalb ausgegrenzt und mit allen Mitteln bekämpft werden.

Salzborns Buch ist eine aufrüttelnde Warnung vor der schleichenden Erosion der Grundlagen unserer Gesellschaft. Gleichzeitig ist es ein engagiertes Plädoyer für eine selbstbewusste, pluralistische, liberale und wehrhafte Demokratie. Denn, wie er unter Verweis auf das Grundgesetz betont, für die Feinde der Freiheit kann und darf es keine Meinungsfreiheit geben.

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11 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "die Feinde der Freiheit"

     

    Gemeint sind bürgerlich-demokratische Freiheiten.

    D i e Freiheit gibt es nicht.

    Vereinfachung ist gefährliche Ideologie

     

    Ich wünschte mir die Freiheit von Autoabgasen und die Freiheit von kapitalistischer Ausbeutung und religiöser Verblödung.

    Die Freiheit, bei der taz einen Text auf die Seite zu setzen, wäre auch nicht schlecht.

    Meine Idee, Mehlwurmmehl zu Burgern zu verarbeiten und zu verkaufen, scheitert am Verbot.

    Noch nicht mal im Tod bin frei und kann mich bestatten lassen wie ich will!

     

    Was auch nicht wundert, denn über der "Freiheit" steht im Grundgesetz das "Sittengesetz".

     

    Erinnert sei auch an diesen Klassiker: https://www.youtube.com/watch?v=u8-4n9yxZ_s

  • "Dass man der AfD die antisemitischen Ausfälle eines Wolfgang Gedeons, eines Björn Höckes und anderer einfach so hat durchgehen lassen, hält Salzborn für hochproblematisch..."

     

    Hat "man" doch gar nicht, im Gegenteil: Die AfD war überall auf dem Vormarsch, bis sie ihre "Schwierigkeiten" mit der Distanzierung von völkischem und revisionistischen Gedankengut unübersehbar offenbarte. Seitdem aber hat sie mehr als die Hälfte ihrer Anhängerschaft verloren.

     

    DAS ist die richtige und wichtige Quittung, die eine Demokratie für mit ihren Prinzipien unverträgliche Parteien bereithält. Medienpräsenz oder mangelnde -schelte ist im Vergleich nur eine Götze, die von Medienschaffenden angebetet wird. Davon abgesehen gab es die Schelte auch zur Genüge. Das einzige, was nicht passierte, war eine (undemokratische) mediale Ächtung der Partei. Das ist aber auch gut so. Es steht Euch Journalisten nämlich nicht zu, zu bestimmen, welche Meinungen dem armen, naiven Bürger zumutbar sind und welche nicht.

  • Das der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn die AfD mit Antisemitismus in Verbindung bringt, aber dabei untergräbt, dass viele jüdische Organisationen nicht minder gegen islamgläubige Mitbürger hetzten, zwar fortlaufend, ist sehr sehr bedauerlich. Man braucht nur mal auf das Facebook von Charlotte Knobloch, Vorsitzende der israelischen Kultusgemeinde München / Oberbayern schauen.

    So schreibt Frau Knobloch heute auf ihrem Facebook, „In der Summe mit dem erstarkenden Rechtspopulismus und -extremismus, in denen der Antisemitismus konstitutiver Bestandteil ist, und dem radikalen Judenhass in weiten Teilen der muslimischen Community ist für die jüdische Gemeinschaft eine beklemmende Situation entstanden“

    Ich glaube das Schüren von Hass gegenüber islamgläubigen Mitbürgern ist nicht weniger schlimm, als wenn der Hass gegen jüdische Mitbürger geschürt wird.

    Beim Hass schüren sollte kein Unterschied gemacht werden.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Nico Frank:

      Darüber können wir dann mal reden, wenn aus einer jüdischen Demonstration heraus Moscheen angegriffen und arabische Läden geplündert und angezündet werden.

       

      Anders herum kommt so etwas in Frankreich schon mal vor.

       

      Oder wenn es Stadtteile gibt, in denen man sich nicht mit Zeichen der islamischen Religion blicken lassen sollte.

       

      Oder wenn vor jeder gottverdammten Moschee und jedem islamischen Gemeindhaus 24/7 die Polizei steht.

       

      Wenn man so blind sein möchte, Antisemitismus in muslimischen Communities nicht zu sehen, dann möchte man das eben und vergleicht Äpfel und Birnen.

       

      Ein Spaziergang am ersten Mai zur Besichtigung der BDS-Fanatiker oder eine Stipvisite beim Al-Quds-Tag kann da ganz hilfreich sein.

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        "Besichtigung"

         

        klingt nach Zoobesuch und nicht nach dem Versuch der Kommunkation oder politischen Auseinandersetzung

    • @Nico Frank:

      Mir gelingt es nicht, in Ihrem Zitat von Charlotte Knobloch das Schüren von Hass zu finden.

      Oder ist für Sie das Thematisieren von Hass bei einer anderen Gruppe selbst Schüren von Hass? Dann schürt der Taz-Artikel Hass gegen die AfD, weil er auf deren Hass hinweist?

  • Der AfD rede ich nicht das Wort. Jedoch darf nicht unerwähnt bleiben, dass sie sich - das ist zumindest meine Meinung - in einem Umfeld, in welchem die s.g. Normalbürger nicht mehr in einem angemessenen Maß am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt werden, (besonders) entwickeln konnte. Ich baue kein Feindbild auf, beschreibe aber wohl deutlich das Verhältnis: wenn die Erben eines dt. Automobilbauers (leistungslos) - frei nach Prof. Butterwegge (im Jahr 2016) wohl etwa 900 Mio. bis 1 Mrd. Euro - relativ hohe Summen aus Besitz beziehen, während i.d.R. verschuldete Gemeinden und Landkreise die Kosten der Unterbringung für Flüchtlinge tragen (werden überwiegend durch das [bundes-]Land [rück-]erstattet) müssen, braucht man sich bei fehlender (hier zu geringer) Besteuerung nicht wundern, wenn kein Geld für sinnvolle Unterbringungs- und Betreuungskonzepte zur Verfügung steht, u.a. Stichwort "Neoliberalismus".

    Siehe auch "Gruppe alternative Wirtschaftspolitik".

    In einem Umfeld von sozialer Verelendung und Armut, trotz Arbeit bzw. trotz des Willens, arbeiten zu dürfen und zu können, entwickelt sich eine zerstörerische Frustration bei den Betroffenen.

    • @Gerhard Krause:

      Was Sie schreiben spricht eigentlich ja genau gegen die AfD. Denn die AfD ist eine neoliberale Partei, die weniger Steuern für Gutverdiener möchte, Mindestlohn ablehnt, Sozialleistungen kürzen möchte, usw. Zwar generiert sie sich in der Öffentlichkeit als Vertreter des "kleinen Mannes", vertritt aber tatsächlich die Interessen der Topverdiener stärker als es die FDP tut.

    • @Gerhard Krause:

      Besagte Erben sind übrgens nicht Erben eines Autobauers, sondern eines Geschäftsmannes, der 33-45 familär mit den politischen Entscheidern verbandelt war und dementsprechend von der Arisierung profitierte. Der entstandene Vermögenszuwachs wurde nach dem erzwungenen Regierungswechsel in Aktien des schon lange bestehenden Autoherstellers angelegt und vergoldet. Man würde heute von einem "Investor" sprechen.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      Mit dem Beispiel, ich glaube es handelt sich um die BMW-Eigentümer, liegen Sie ja richtig.

       

      That's capitalism! Und nicht die scheinbar zu gut entlohnten Manager sind das Problem. In Relation zu dem was die Kapitalisten einstreichen, sind deren Gehälter ja Portokasse und die Leute sind anscheinend ihr Geld wert.

       

      Aber, und das schreibt Salzborn ja auch, die AfD erfährt beileibe nicht nur von Abgehängten und Verelendeten Zuspruch, sondern eben von Leuten, die wirtschaftlich gar nicht so schlecht da stehen, denen aber der völkische, antidemoktratische, antiwestliche und eben zu Teilen auch antisemitische Sound der AfD gefällt.

       

      Sie sitzen an ihren Stammtischen, auf ihrer beschissenen Ledercouch und summen ihn mit.

       

      Und bekommen in jeder zweiten Talkshow noch einen Nachschlag.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        was Sie machen ist auch nix anderes, anstatt sich mit den leuten auseinander zu setzen betreiben Sie unnötige hetze