Brüssel will Spardiktat lockern: Weniger knapsen, mehr reformieren

EU-Kommission plant, Spanien und Frankreich mehr Zeit zum Defizitabbau zu geben. Der neue Kurs stößt auf Widerstand in Berlin.

Ihnen wäre weniger Sparen recht: Proteste gegen Kürzungen in Madrid. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Rückt die EU von ihrem umstrittenen Sparkurs ab? Das ist die große Frage, wenn Währungskommissar Olli Rehn heute in Brüssel die Budgetplanungen und Reformpläne der 17 Euroländer bewertet und seine Noten verteilt. Einiges von Rehns Plänen ist bereits durchgesickert: Weniger Spardiktat, mehr Reformen, heißt der „New Deal“, den die Brüsseler Behörde vorschlägt.

Spanien und Frankreich sollen mehr Zeit für den Abbau ihrer Defizite erhalten, Belgien bekommt eine Rüge, Deutschland nur ein paar unverbindliche Empfehlungen. Bekannt ist auch, dass Rehn den Defizitländern mehr Strukturreformen verordnen will. Beispiel Frankreich: Paris bekommt insgesamt zwei Jahre mehr Zeit, das Budgetdefizit unter die erlaubte Schwelle von drei Prozent zu drücken. Im Gegenzug muss die sozialistische Regierung dafür den Arbeitsmarkt liberalisieren.

Allerdings: Noch ist fraglich, ob die Sparapostel in Berlin den neuen Kurs mitmachen. Kanzlerin Angela Merkel, die bislang streng aufs Sparen in Europa geachtet hat, könnte Rehn spätestens beim EU-Gipfel Ende Juni einen Strich durch die Rechnung machen. Zudem zeichnet sich bereits neuer Streit ab. Die EU-Kommission plant nämlich nicht nur ihren Mehr-Reform-gegen-mehr-Zeit-Deal.

Sie erwägt auch, das Budgetdefizit künftig anders zu berechnen, um Investitionen zu erleichtern. Konkret geht es um die Finanzierung von EU-Strukturfondsprojekten – Autobahnen, Stromnetze oder Kraftwerke. Bei einer Förderung durch die EU müssen die Staaten einen Teil der Kosten selbst tragen, meist die Hälfte.

Einige südeuropäische Länder wie Italien, fordern schon lange, dass Eigenmittel auf das Defizit angerechnet werden. Genau dies bereitet Rehn nun vor. Es geht dabei angeblich nicht um Zugeständnisse bei laufenden Defizitverfahren, sondern um die Anrechnung beim mittelfristigen Etatziel. Staaten müssten nach wie vor ein Defizit von mehr als drei Prozent abbauen.

Deutschland lehnt ab

Doch selbst diesen kostenlosen Vorstoß lehnt Deutschland ab. Die Anrechnung von Investitionen habe zwar keine dramatischen Auswirkungen, heißt es in Berlin doch so werde ein Präzedenzfall geschaffen, „man sollte nicht am Stabilitätspakt herumschrauben“, warnte EZB-Direktor Jörg Asmussen. Ähnlich äußerte sich die FDP.

Die Bedenken kommen allerdings spät. Denn bereits im Dezember hatte die EU beschlossen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um Investitionen zu erleichtern. Zudem denkt Berlin selbst über Investitionshilfen nach. Schäuble will die staatliche Förderbank KfW in Spanien und Portugal einsetzen, um kleinen und mittleren Unternehmen unter die Arme zu greifen.

Laut Spiegel will Schäuble dafür sogar die strikten EU-Beihilferegeln lockern. Wenn der Vorschlag aus Berlin kommt, soll alles möglich sein – doch wenn Brüssel den Sparkurs aufweichen will, steht die Bundesregierung auf der Bremse.

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