Britisches Krankenpersonal in der Coronakrise: Gerade mal 1 Prozent mehr Lohn
In seinem Budget hat Finanzminister Rishi Sunak für die Pflegekräfte des staatlichen Gesundheitssystems nicht viel übrig.
Diese Regierungsvorlage ging an ein unabhängiges NHS-Gremium, das nicht-bindende Empfehlungen zu Löhnen innerhalb des Gesundheitssystems erteilt, nach Eingabe verschiedener Interessenvertreter, darunter auch von den Gewerkschaften. Die Ein-Prozent-Vorgabe wäre auch ein Bruch mit einer bereits 2019 unter Theresa May verabschiedeten Gehaltserhöhung um 2,1 Prozent für dieses Jahr.
Die Empörung macht sich nicht nur in den sozialen Medien breit, dort oft mit deftigen Worten. Labours Oppositionsführer Keir Starmer bezeichnete die Ein-Prozent-Erhöhung als Beleidigung. Und inzwischen haben auch der britische Ärzteverband RCA, der Verband der britischen Hebammen und die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes Unison einen gemeinsamen Brief an Sunak veröffentlicht. Der Finanzminister solle seine Pläne noch einmal überdenken. Die RCA fordert dabei einen Anstieg der Löhne um 12,5 Prozent. Am Freitagabend bewilligte die Gewerkschaft 35 Mio Pfund zur Unterstützung von Mitgliedern bei etwaigen Streikaktionen.
Doch Gesundheitsminister Matt Hancock gab am gleichen Abend an, dass die nur einprozentige Erhöhung eine Konsequenz der durch die Pandemie verursachten schweren finanziellen Lage sei. Andere Bereiche des öffentlichen Dienstes kämen erst gar nicht in den Genuss von Lohnsteigerungen
„Johnsons Slap for Carers“
In der Öffentlichkeit hat man jedoch wenig Verständnis für Hancocks Argumente. Der Gesundheitsminister hatte im vergangenen Jahr nicht nur Gelder für mangelhafte Schutzkleidung und Masken verschleudert, sondern wurde erst im Februar vom Hochgericht Englands dazu verurteilt, Einzelheiten von hundert pandemiebezogenen neuen Regierungsaufträgen zu veröffentlichen. Normalerweise muss dies innerhalb von 30 Tagen nach Erteilung eines Auftrags geschehen. Laut den Recherchen verschiedener britischer Medien gingen dabei Aufträge in Höhe von über umgerechnet 1.75 Mrd Euro an konservative Parteimitglieder und Bekannte der Regierung. Viele glauben, dass stattdessen britischen Pflegekräften eine Belohnung zustehen müsste.
In Schottland hat die Regionalregierung unter Führung der Scottish National Party (SNP) NHS-Angestellten beispielsweise einen Sonderbonus für ihren Pandemie-Einsatz gezahlt. Auch dies schloss Hancock auf direkte Frage für NHS-Angestellte in England aus. Krankenpfleger*innen hätten in den letzten drei Jahren eine Gehaltserhöhung von 12 Prozent erhalten, sagte er, ohne zu erwähnen, dass die Löhne davor aufgrund der konservativen Austeritätspolitik sieben Jahre lang stagnierten.
Die Entscheidung der Regierung könnte laut der Krankenpfleger*innengewerkschaft RCN dazu führen, dass bald viele Pflegekräfte das NHS aufgrund der Belastungen und der Risiken, die sie im vergangenen Jahr ausgesetzt waren, verlassen könnten. 830 NHS-Angestellte starben zwischen Februar und Dezember 2020 an Covid-19.
Erst im vergangenen Mai stand Premierminister Boris Johnson gemeinsam mit seiner Verlobten für „Clap for Carers“ (Klatscht für Pfleger*innen) vor 10 Downing Street. Die linke Zeitung Daily Mirror bezeichnete dies nun als „Johnsons Slap for Carers“ (Ohrfeige für Pfleger*innen). Kommenden Donnerstagabend sollen um acht Uhr abends alle Brit*innen, die höhere Löhne für NHS-Angestellte fordern, sich vor die Haustüre stellen und dafür und die Pflegekräfte klatschen, fordern die Gewerkschaften.
Krankenpfleger*innen scheinen aber nicht die Einzigen zu sein, bei denen die Regierung Johnsons nun sparen möchte. Aus einem am Freitagabend geleakten E-Mail aus dem britischen Außenministerium geht hervor, dass das vereinigte Königreich, das sechstreichste Land der Welt, den Etat für Auslandshilfen um mehr als fünfzig Prozent kürzen möchte, so etwa für Syrien um 67 Prozent und für Somalia sowie die Demokratische Republik Kongo um 60 Prozent. Laut Angaben des Außenministeriums sei hierzu jedoch noch keine endgültige Entscheidung gefallen.
Gesetzlich hat sich die britische Regierung dazu verpflichtet, 0.7 Prozent des nationalen Einkommens für Auslandshilfen zu reservieren. Doch bereits vergangenes Jahr wurde bekannt, dass die Regierung dies ändern wolle, was zu lauten Protesten führte, darunter von Justin Welby, dem Erzbischof von Canterbury, und den beiden ehemaligen Premierministern David Cameron und Tony Blair.
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