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Britischer Rechtspopulist tritt abFarage jetzt für Bäume und Ozeane

Als Antreiber des Brexit tritt Nigel Farage erneut von einem Parteivorsitz zurück. Er will sich weiter äußern, etwa zu grünen Themen.

Der Rechtspopulist Nigel Farage, das Schreckgespenst der EU-Befürworter Foto: Kirsty O'connor/PA Wire/dpa

London taz | Der britische Rechtspopulist Nigel Farage hat am Samstagabend in einem Video auf Twitter seinen Rücktritt aus der aktiven Parteipolitik angekündigt. Seinen Einsatz seit 1993 ist der Brexit zuzuschreiben. Der 56-jährige bisherige Parteiführer derletztes Jahr neu betitelten Brexit Party, sie heißt nun Reform UK, will sein Leben zurück haben, wie er sagte.

Es ist bereits Farages zweiter Rücktrit. Denn bereits nach dem Brexit Referendum war er im Juli 2016 von der Führung seiner damaligen Partei Ukip (UK Independence Party) zugetreten. 2018 trat er aus Ukip aus, da die Partei immer mehr an den rechten Rand rutschte. Im gleichen Jahr trat Farage der Kampagne „Leave Means Leave“ bei, die sich für die volle Implementierung des Brexitreferendums einsetzte.

Aus der Bewegung entwickelte sich in Kooperation mit dem Investment-Millionär Richard Tice im Dezember 2018 die neue Brexit Partei. Mit ihr gewann Farage bei den Europawahlen im Mai 2019 mit 29 Sitzen die britische Mehrheit und war Europaabgeordneter für Südostengland bis Januar 2020.

Farages Erfolge beeinflussten die Politik der etablierten Parteien. Als Ukip im Jahr 2013 bei den Kommunalwahlen 23 Prozent gewann und damit nur zwei Prozentpunkte weniger als die Konservativen erhielt, änderten diese, aber auch Labour jeweils ihren Kurs in Richtung einer stärkeren nationalistischen Politik.

Farage drängte Tories und Labour nach rechts

2013 versprach der damalige konservative Premier David Cameron ein „In/Out“- Referendum, das schließlich zum Brexit Votum führte. Nach dem Erfolg der Brexitpartei 2019 und dem Rücktritt der konservativen Premierministerin Theresa May war die Antwort fast aller Kan­di­da­t*in­nen der Konservativen Partei ein Rechtsschwenk.

Mit Boris Johnson wollten die Tories Farage den Wind aus den Segeln nehmen und waren damit bei den Unterhauswahlen im Dezember 2019 erfolgreich.

Auch Labours Politik änderte sich durch Farage und das Brexitreferendum. Denn ein guter Teil der Un­ter­stüt­ze­r*in­nen von Ukip und der Brexit Partei waren ehemalige Labourmitglieder oder -wähler*innen. So verhielt sich Labour unter Corbyn nicht nur aufgrund von dessen persönlichen Ansichten gegenüber der EU uneindeutig.

Weil die Konservativen und Labour Teile seiner Politik übernahmen, schaffte es Farage nie einen Sitz im britischen Unterhaus zu ergattern. Dennoch konnte er zwei konservative Abgeordnete überzeugen, zu Ukip überzutreten. Einer davon, Douglas Carswell wurde sogar als Ukip Abgeordneter direkt gewählt, als sein Parteiwechsel eine Nachwahl auslöste. Doch auch er trat 2017 nach Farages Rücktritt aus der Partei aus, was seine politische Karriere beendete.

Weiter aktiv in den sozialen Medien

Farage gab jetzt in seiner Videobotschaft zu verstehen, dass er sich nicht gänzlich aus der Politik zurückziehen werde. Er würde weiter in den sozialen Medien aktiv bleiben und sich für Themen wie Bäumepflanzen, die Gesundheit der Ozeane und -- als einziges seiner bisherigen Themen -- „gegen die Indoktrination von Schulkindern und Stu­den­t*in­nen zum Hass auf Großbritannien“ einsetzen

Im letzten Jahr Jahr hatte Farage einer Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump beigewohnt und sich gegen Bootflüchtlinge an der englischen Küste und den Lockdown engagiert. Dabei beschuldigte er die Bootfflüchtlinge Covid-19 zu importieren, was Behörden als falsch deklarierten. Auch in der Vergangenheit war er mit rassistischen Äußerungen aufgefallen, darunter eine Forderung, dass in englischen Zügen Englisch gesprochen werden sollte.

Der Rechtspopulist hatte seine Karriere an der Londoner Metallbörse begonnen und wurde als Politiker von sehr Begüterten vor allen aus dem Investment- und Versicherungswesen unterstützt. Jetzt will er sich als Rentenberater „für den kleinen Mann und die kleine Frau,“ spezialisieren „gegen das Establishment“, wie er in Werbung auf YouTube und Facebook behauptet.

Seine jahrzehntelange Anmaßung, nicht Teil des Establishments zu sein, haben ihm viele seiner Un­ter­stüt­ze­r*in­nen abgenommen. Dabei war es aufgrund seiner eigenen Ressourcen und seiner Kontakte in höchste Kreise stets ein Kuriosum. Ebenso, dass er sich von der von ihm verhassten EU als Europagabgeordneter gut bezahlen ließ. Zwar wurde er nie Premierminister, doch ist der Brexit die gravierendste Richtungswendung des Vereinigten Königreichs seit deren Beitritt zur EU.

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8 Kommentare

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  • Von mir aus kann der Typ samt seinen Engländern sich auch für Pfefferanbau auf dem Mond einsetzen.Was geht es uns in Europa an was der Mann treibt.Ich habe es vor dem Brexit gesagt und sage es jetzt auch Leave heißt Leave Keine Waren und Dienstleistungen mehr aus England in die EU ohne Zölle.Basta.Schluss mit den Kanalinseln als Steuerschlupflöcher Keine europäische Firma sollte noch irgendwelche Geschäftssitze dort haben.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Denn ein guter Teil der



    Un­ter­stüt­ze­r­ von Ukip und der Brexit Partei waren ehemalige Labourmitglieder oder - wähler"".

    ==

    Steile These.

    Klar ist das ca. 80% der Labourmitglieder (es gibt ca. 500.000 Labourmitglieder) sich gegen ein Verlassen der EU ausgesprochen hatten. Das Verlassen der Zollunion wurde sogar von Corbyn abgelehnt - er ahnte bereits das das Arbeitsplätze kostet - und danach sieht es ja heute im Jahr 2021 aus

    Bei den Labourwählern ist klar das die "rote Mauer " (Labourwähler in den midlands, verarmte ehemalige Industriegebiete) in der Mehrheit zu den Tories (zu Boris Johnson) übergelaufen sind - siehe Wahlen 2019.

    Das nun aber Labourwähler in Scharen zu UKIP übergelaufen sein sollen - durch was soll diese These untermauert werden?

    Genau wie Trumpisten die Partei der Republikaner in den USA für sich vereinnahmt und vergewaltigt haben - so ist der gleiche rechtsradikale Populismus nun WesensKern der ehemaligen britischen konservativen Partei und seiner superreichen und einflussreichen Wählerschaft.

    Es gibt sicher Ex-Labourwähler welche die in eurpäischen Ohren reichlich abstossenden & zunehmend schrillen Töne des englischen Ultra-Nationalismus a la Tories anziehend finden - aber trotz politischer Schwäche haben Labour und deren Wähler den Verstand noch nicht verloren.

    Brexit und Rechtspopulismus ist und bleibt ein kardinales Politikversagen der Tories.

    • Daniel Zylbersztajn-Lewandowski , Autor des Artikels, Auslandskorrespondent Großbritannien
      @06438 (Profil gelöscht):

      Es waren selbstverständlich nicht nur oder eine Mehrheit von ehemaligen Labour Wähler*innen oder Mitgliedern die Ukip und die anderen Organisationen krönten, das habe ich nicht behauptet. Derartige Menschen habe ich aber immer wieder angetroffen, sei es bei Ukip, Leave Means Leave oder der Brexit Party (meine historischen Berichte sind alle in der taz nachlesbar) . Eine Statistik yougov.co.uk/topic...p-party-membership Zur Leave Diskussion und Labour Wähler*innen gibt es auch Daten www.bbc.co.uk/news/uk-politics-48039984 Wenn sie aber Corbyn mochten, habe ich auch einen Bericht. Dieser hier im Guardian behauptet, dass Corbyn Ukip Wähler*innen zurückgewann (Bericht von 2017) www.theguardian.co...voters-back-labour Der Eins ist klar, Farage macht jetzt anderes, was er übrigens auch noch gestern sagte, er will sich nun gegen die Einmischung der Chines*innen einsetzten. Jemand hat immer Schuld, bei Farage sowieso.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Daniel Zylbersztajn-Lewandowski:

        Vielen Dank für die Links.

        In ---- yougov.co.uk/topic...p-party-membership --- wird der Anteil der UKIP Wähler welche vorher Labour wählten mit 24% beschrieben - der Anteil der vorherigen Tory Wähler aber mit zwei - Drittel/66%.

        Meine Formulierung nicht nur aufgrund Ihrer Zahlen wäre gewesen das Tories in Scharen zu UKIP übergelaufen sind.

        Interessant aus diesem Link ist die präferierte Zielvorstellung der UK-KIPPERS : 73% der Rechtsradikalpopulisten meinen



        Labourwähler stärker auf` s Korn



        nehmen zu müssen & Yougov liefert die Erklärung: die Partei war bereits dem Sättigungspunkt an Tory Wählern nahe gekommen.

        Da die britischen Pre-Polls in Ihren Ergebnissen je nach Institut sehr weit auseinander liegen und sich partiell durch gewaltige Sprünge auszeichnen



        liefern die Umfragen eher allgemeine Trends als konkrete Aussagen die sich so eher nicht in Wahlergebnissen wiederspiegeln.

        Ansonsten - lese Ihre Artikel sehr gerne - wobei die Kunst in der journalistischen Arbeit derzeit sicherlich darin besteht zwischen Regierungsrhetorik, mutwilliges Verschweigen und Wirklichkeit zu unterscheiden.

        Nochmal Danke - und anbei ein Link zurück --



        beergbrexit.blog/2...rexit-2-months-in/

        -- der link wurde erstellt aus dem Umfeld von David Henig, ehemaliger Verhandler von Wirtschaftsverträgen der britischen Regierung.

        Herzliche Grüße



        Ihr indischer Curry

    • Daniel Zylbersztajn-Lewandowski , Autor des Artikels, Auslandskorrespondent Großbritannien
      @06438 (Profil gelöscht):

      Es waren selbstverständlich nicht nur oder eine Mehrheit von ehemaligen Labour Wähler*innen oder Mitgliedern die Ukip und die anderen Organisationen krönten, das habe ich nicht behauptet. Derartige Menschen habe ich aber immer wieder angetroffen, sei es bei Ukip, Leave Means Leave oder der Brexit Party (meine historischen Berichte sind alle in der taz nachlesbar) . Eine Statistik yougov.co.uk/topic...p-party-membership Zur Leave Diskussion und Labour Wähler*innen gibt es auch Daten www.bbc.co.uk/news/uk-politics-48039984 Wenn sie aber Corbyn mochten, habe ich auch einen Bericht. Dieser hier im Guardian behauptet, dass Corbyn Ukip Wähler*innen zurückgewann (Bericht von 2017) www.theguardian.co...voters-back-labour Der Eins ist klar, Farage macht jetzt anderes, was er übrigens auch noch gestern sagte, er will sich nun gegen die Einmischung der Chines*innen einsetzten. Jemand hat immer Schuld, bei Farage sowieso.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Wenn Brexit Boris den europäischen Trump spielt – wozu braucht es dann noch einen Niqel Farage?

    Der Brexit selbst ist ein Akt der selbstzerstörerischen Torheit. Die langfristige britische Wachstumsrate, nach Angaben des Amtes für Haushaltsverantwortung, ist derzeit auf 1,7% gesunken.

    Weiterhin sollen die Einführung von Zollkontrollen für EU-Waren im April und Juli aufgrund von Befürchtungen einer Nahrungsmittelknappheit verschoben werden. Die Handelsströme zwischen UK und der EU befinden in einem eklatanten Absturz – z. B. der Export der Bundesrepublik in die Britische Union ist um 30 % eingebrochen – beim Export UK`s in die EU sieht es nicht ganz so schlimm aber ähnlich aus.







    Selbst die Grundrechenarten werden von Brexit Boris und seiner sklerotischen Bande der „Brexit means Brexit“ Mafiosis aus der Hardliner ERG Gruppe defakto angezweifelt. Handelsministerin Liz Truss betont händeringend die Vorteile eines Handelsabkommens mit den USA (welches über einen Zeitraum von 15 Jahren einen zusätzlichen Wert von 0,16% des BIP erreichen könnte) und die MÖGLICHKEIT, durch den Beitritt zur transpazifischen Handelspartnerschaft eine pazifische Macht zu werden. Der Zugewinn im Asienhandel wird allerdings auf weniger als 0,16% des BIPS geschätzt.

    In der Grundschule beträgt die Multiplikation von 2 x 0,16% = 0,32% -- trotzdem soll der Asien - und Amerikahandel den Verlust von bis zu 2,92% des BIP aus dem Austritt der EU-Zollunion und dem Binnenmarkt ausgleichen. Leider ist Adam Riese derzeit nicht erreichbar um Downing Street No. 10 auf die anhaltende Rechenschwäche hinzuweisen. Flache Handelsabkommen mit Waren - selbst im wachstumsstarken Pazifik - machen den Verlust einer EU Handelsvereinbarung mit Dienstleistungen, welche UK mutwilligst zerstört hat, nicht wett.

    Wozu braucht es noch einen Niqel Fromage wenn Brexit Boris und seine Mafiosi Ihr Unwesen treiben? Ansonsten – ohne dass die EU Ihren Katzenbuckel fauchend aufstellt wird es nicht gehen – der britische Trump

    • 0G
      06438 (Profil gelöscht)
      @06438 (Profil gelöscht):

      Fortsetzung

      .........liegt derzeit bei Umfragen bei 43%. Dank des Impfstoffes – den er überwiegend aus der EU erhalten hat.

  • Ich hatte erst gelesen "Farage hetzt für Bäume und Ozeane", und ich fand das nicht ungewöhnlich.