Brexit-Abstimmungen in Großbritannien: Kein zweites Referendum
Das britische Parlament lehnt den No-Deal-Brexit und ein zweites Referendum ab. Eine Verschiebung rückt näher. Aber May hält an ihrem Deal fest.
Die Ankündigung eines dritten Deal-Votums war Teil des Regierungsantrags zur Entscheidung über eine Verlängerung der Austrittsfrist, der am Donnerstagabend mit 412 zu 202 Stimmen vom Parlament angenommen wurde.
Sollte das Unterhaus bis zum 20. März für den Deal stimmen, wird Großbritannien dem Regierungskonzept zufolge eine Verschiebung des Brexit um drei Monate – vom 29. März auf 30. Juni – beantragen, um die nötigen Gesetzesvorhaben zur Umsetzung des Deals durch das Parlament zu bringen.
Da Anfang Juli das im Mai neu zu wählende EU-Parlament zusammentritt, gilt Ende Juni als letztmöglicher Termin für einen Austritt eines EU-Mitglieds gemäß Artikel 50 der EU-Verträge, ohne vorher noch an den Europawahlen teilnehmen zu müssen.
Sollte der Deal wieder nicht angenommen werden, was möglich erscheint, wird laut Regierung eine längere Verschiebung nötig, und es muss einen Beschluss darüber geben, wofür sie gut ist. Es sei dann nämlich, so der Antragstext, „hoch wahrscheinlich, dass der EU-Ministerrat ein klares Ziel jeder Verlängerung verlangen würde“.
Ziel einer Verlängerung ist noch nicht klar
Wie Kabinettsminister David Lidington in Vertretung der wegen Heiserkeit unpässlichen Premierministerin am Donnerstag vor den Abgeordneten klarstellte, werde man in diesem Szenario in den nächsten zwei Wochen Zeit schaffen, um dem Parlament die Gelegenheit zu geben, sich auf ein Ziel zu einigen. Brexit-Gegner forderten, früher zu beginnen; sie wollen dafür die dritte Deal-Abstimmung kippen.
Das wiederum lehnt die Regierung ab, denn sie wittert ihre beste und letzte Chance, beim dritten Versuch das Brexit-Abkommen doch noch durch das Parlament zu bringen. Vor die Alternative eines Ja zu Mays Deal oder einer Brexit-Verschiebung auf unbestimmte Zeit gestellt, so das Kalkül, dürften auch die bisher skeptischen Brexit-Hardliner auf Linie kommen.
Allen ist bewusst, dass die Zeit sehr knapp ist. Als einzig möglicher Zeitpunkt für die nötige einstimmige Zustimmung aller anderen 27 EU-Mitglieder zu einem britischen Verlängerungsantrag vor dem 29. März gilt der nächste EU-Gipfel am 21./22. März.
Deswegen will die britische Regierung spätestens zum 20. März ihren Deal doch noch durch das Parlament bringen. Im Gespräch ist eine Abstimmung am 19. März. Klar ist aber auch: Bei einem Nein zum Deal fehlt dann die Zeit, um rechtzeitig zum EU-Gipfel wenige Tage später einen Parlamentsbeschluss zur Begründung eines längeren Verlängerungsantrages herbeizuführen.
Daher ist ein No-Deal-Brexit am 29. März nicht komplett vom Tisch – daran ändern auch die Parlamentsbeschlüsse gegen einen No-Deal vom Mittwoch nichts. „Solange keine Verlängerung nach Artikel 50 beantragt und bewilligt worden ist, wird das Vereinigte Königreich qua EU-Gesetz die EU um Mitternacht am 29. März 2019 verlassen“, stellte am Donnerstag die britische Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof, Eleanor Sharpston, auf Twitter klar.
Zweite Volksabstimmung mit großer Mehrheit abgelehnt
Das am häufigsten ins Spiel gebrachte Ziel einer langen Brexit-Verschiebung – eine zweite Volksabstimmung – fiel am Donnerstagabend klar durch. Der entsprechende Antrag einer Abgeordneten der neuen zentristischen Independent Group wurde mit 334 zu 85 Stimmen abgelehnt – eine absolute Mehrheit der 650 Abgeordneten.
Die meisten Labour-Abgeordneten enthielten sich. Sie folgten damit einer Empfehlung der People's-Vote-Kampagne für ein zweites Referendum, nach deren Ansicht es jetzt noch zu früh für den Beschluss eines zweiten Referendums wäre. Das unerwartet hohe Ausmaß der Niederlage macht es jedoch unwahrscheinlich, dass es für dieses Ansinnen jemals eine Mehrheit geben könnte.
Mit sehr knapper Mehrheit – 314 gegen 311 Stimmen – sprach sich das Parlament auch gegen einen von Labour-Hintebänklern eingebrachten Antrag aus, der Regierung am kommenden Mittwoch die Hoheit über die Geschäftsordnung des Untehauses zu entziehen und dann in Eigenregie über das Ziel einer Brexit-Verschiebung zu entscheiden. Die Regierung hatte sich scharf gegen diesen Vorschlag als Chaotisierung der verfassungsrechtlichen Ordnung ausgesprochen.
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