Brennstoff bleibt Milliardengeschäft: Zu viel Kohle für die Kohle
Mehrere Milliarden Euro hat die Finanzwirtschaft in Kohlekonzernen investiert. Das zeigt eine neue Studie von Klimaschützern.
Allen Bekenntnissen zum Klimaschutz zum Trotz – die Finanzwirtschaft hat noch immer viele Milliarden Euro im Kohlesektor investiert. Allein der größte Investor, der US-amerikanische Vermögensverwalter BlackRock, hat derzeit in Form von Aktien und Anleihen noch immer rund sieben Milliarden Euro in acht europäischen Kohlekonzernen angelegt. Das zeigt eine aktuelle Studie der NGO-Allianz Europe Beyond Coal.
Kaarina Kolle, Europe Beyond Coal
Die Untersuchung trägt den Titel „Fool’s Gold“. Mitherausgeber sind insgesamt elf Organisationen, darunter auf deutscher Seite die umwelt- und entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation Urgewald. Finanziert wird der Verbund Europe Beyond Coal von der European Climate Foundation. Hinter dieser wiederum stehen mehrere Stiftungen aus unterschiedlichen Ländern.
Die Studie erscheint im dritten Jahr und gibt einen Einblick in die Finanzströme in Richtung Kohlewirtschaft. Von den europäischen Banken steht aktuell die UniCredit an der Spitze, die 2,8 Milliarden Euro in Aktien und Anleihen der Kohlewirtschaft investiert hat. Es folgen BNP Paribas (mit 2,1 Milliarden), Barclays (1,7), sowie Société Générale und Deutsche Bank gleichauf (jeweils 1,3). Das meiste Geld floss in die Unternehmen RWE (Deutschland), PGE (Polen), EPH (Tschechien), ČEZ (Tschechien), Enel/Endesa (Italien/Spanien) und Fortum/Uniper (Finnland/Deutschland).
Und doch deutet sich an, dass die Investitionen in den Kohlesektor in Zukunft abnehmen könnten. Zum Beispiel verschärfte kürzlich der norwegische Pensionsfonds deutlich seine Kohleausschluss-Richtlinie mit der Konsequenz, dass er seine RWE-Aktien verkauft. „Das geschah, wie übrigens auch beim Versicherer AXA, nach Druck aus der Zivilgesellschaft“, sagt Moritz Schröder-Therre, Sprecher von Urgewald. Weitere Unternehmen dürften folgen.
Allein zwischen Januar und Juni 2020 hätten europäische Finanzinstitutionen im Schnitt fast jede Woche eine neue Richtlinie veröffentlicht, die deren finanzielle Verbindungen zur Kohleindustrie begrenzt.
Langsamer Abschied von der Kohle
Aus Sicht der Autoren der neuen Studie geht die Entwicklung jedoch zu langsam: „Jedes Finanzinstitut, das wir untersucht haben, behauptet,seine Kohlegeschäfte einzuschränken“, sagt Kaarina Kolle, Koordinatorin für Finanzen und Energieversorger bei Europe Beyond Coal. Und dennoch ließen sie „weiter Geld für den schmutzigen Energieträger fließen“.
Eine der schwächsten Kohle-Richtlinien unter den großen europäischen Finanzinstitutionen habe die Deutsche Bank, so die Umweltorganisationen. Die vorliegenden Zahlen belegten, dass die Deutsche Bank „weit von ihrem selbstformulierten Anspruch einer ‚Klimabotschafterin‘ entfernt“ sei und damit auch „ein erhöhtes Risiko gestrandeter Investments“ trage.
Auch bei der Allianz sei der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit groß. Der Versicherungskonzern habe zwar in den Jahren 2015 und 2018 Kohlerichtlinien beschlossen, tätige jedoch weiterhin Kohleinvestitionen vor allem für externe Kunden, indem er diese über seine Tochtergesellschaften Allianz Global Investors und Pimco abwickle. Solche Investitionen für Dritte seien von den Allianz-Kohlerichtlinien nicht tangiert; die selbst gesetzten Grenzen für Kohle seien ausschließlich für die Eigenanlagen des Konzerns relevant, die aber nur gut ein Viertel des verwalteten Vermögens ausmachten.
Druck aus der Politik
Nicht nur durch die Umweltorganisationen steigt der Druck auf die Kohlewirtschaft, auch durch die Politik. In einigen europäischen Ländern wurde die Kohle bereits deutlich zurückgefahren, vor allem in Großbritannien. Im Vereinigten Königreich stammten im Jahr 2019 nur noch 2 Prozent des erzeugten Stroms aus Kohle, womit der Anteil der fossilen Energien am Strommix von 2010 bis 2019 von 75 auf 43 Prozent sank; er basiert nun fast ausschließlich auf Erdgas. Die erneuerbaren Energien stiegen zugleich auf einen Anteil von 37 Prozent.
Auch in Deutschland wurde im Jahr 2019 rund 25 Prozent weniger Kohlestrom erzeugt als im Vorjahr. Binnen sechs Jahren ist die Erzeugung gar um 41 Prozent zurückgegangen, auch wegen gestiegener CO2-Preise im Emissionshandel. Strom aus Steinkohle verlor im vergangenen Jahr zudem in Spanien, den Niederlanden und Italien spürbar an Bedeutung, bei der Braunkohle gab es einen Rückgang vor allem in Polen. So sank in der EU die Erzeugung von Strom aus Steinkohle im Jahr 2019 um 32 Prozent, aus Braunkohle um 16 Prozent.
Von einem „strukturellen Niedergang“ der Kohle schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. Nun liege es auch in der Verantwortung der Finanzwirtschaft, den weiteren Rückgang zu forcieren: „Es ist an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen“, sagt Mitautorin Kolle. Hätten Unternehmen keinen Plan für den Kohleausstieg bis 2030, müssten Investoren und Banken „sie unverzüglich ausschließen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen