Brennpunktschulen sollen mehr Geld erhalten: Förderung nach Sozialindex
Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger hat Details zum Startchancenprogramm vorgestellt. Umstritten ist vor allem, wie das Geld verteilt wird.
Aus Sicht von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) viel zu wenig. Nun hat ihr Haus einen eigenen Vorschlag unterbreitet, wie die Mittel zielführender verteilt werden könnten. Demnach plant der Bund einen eigenen Sozialindex, der sich nach dem Anteil der Jugendlichen, die zu Hause kein Deutsch sprechen, und der Armutsgefährdung richtet. Beide Indikatoren sollen je zu 40 Prozent in den Index einfließen. Die restlichen 20 Prozent sollen sich nach der Wirtschaftskraft richten.
„Zentral sind die Benachteiligungsdimensionen Migration und Armut, da die Wissenschaft eine hohe Korrelation dieser Faktoren mit Bildungsteilhabe und Bildungserfolg ausweist“, heißt es in einem Konzept des Bundesbildungsministeriums (BMBF), aus dem die Deutsche Presseagentur zitiert. Zuerst hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber berichtet.
Laut dem Konzeptpapier sollen vor allem Grundschulen von dem Startchancenprogramm profitieren. Man kann dies als klare Reaktion auf den jüngsten IQB-Bildungstrend vom Herbst 2022 sehen. Die Studie hatte gezeigt, dass immer mehr Viertklässler:innen anteilig nicht die Mindeststandards in Mathe und Deutsch erreichen – und die Bildungsschere wächst. Eine weitere Forderung des BMBF: Die Programmziele müssen wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden. Hier zieht der Bund Schlüsse aus dem Corona-Aufholprogram, bei dem die Länder sehr frei walten konnten.
Massive Kritik von den Ländern
Bei Fachpolitiker:innen der Ampel kommt das Konzept von Stark-Watzinger gut an. „Das Eckpunktepapier zeigt, dass die Ministerin genau verstanden hat, worauf es ankommt“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Ria Schröder der taz. Schröder lobte die geplante Abkehr vom Königsteiner Schlüssel und die regelmäßigen Evaluationen. Der jetzige Vorstoß sei „ein Meilenstein, um das Aufstiegsversprechen für jeden jungen Menschen zu erneuern“.
Nina Stahr, bildungspolitische Sprecherin der Grünenfraktion, bezeichnete das Papier als „gute Grundlage“ für die weiteren Verhandlungen, auch ampelintern. So sehe sie Gesprächsbedarf „beim Kriterium ‚Migration‘“. Stahr bezieht sich auf den jüngsten „Chancenmonitor“ des Münchner ifo Zentrum für Bildungsökonomik. Demnach ist vor allem die Bildung und das Einkommen der Eltern entscheidend für die Bildungschancen der Kinder, der Migrationshintergrund weniger.
Auf diesen Zusammenhang wies auch der Soziologe Aladin El-Mafaalani hin. Er riet davon ab, den Migrationshintergrund für die Mittelvergabe heranzuziehen.
Massive Kritik am BMBF-Konzept kommt von den Ländern. Das sächsische Kultusministerium beispielsweise teilt auf Anfrage mit, die geplanten Kriterien für die Mittelvergabe seien „in jedem Fall nicht akzeptabel“. Migrationshintergrund und Sozialhilfebezug seien nur zwei von vielen Kriterien, an denen sich erschwerte Ausgangslagen festmachen ließen. Wie sich Bund und Länder nun einigen sollen, ist unklar. Zumal auch die Finanzierung noch umstritten ist. Der Bund fordert, dass auch die Länder eine Milliarde im Jahr dazu geben. Die Länder lehnen das ab.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier