Brennpunkt-Projekt im Görlitzer Park: Safe Space im Görli
Bei Sport 365 kann jede*r im Görlitzer Park Sport treiben – kostenlos. Das Projekt holt Kinder von der Straße. Doch für den Winter fehlt ein Dach.
Kamani leitet seit 2021 ein erstaunliches Projekt, hier, mitten im Görli, der sonst immer nur im Gerede ist, wenn es um Dealer und Gewalt im Park geht. Auf einer Fläche von insgesamt 6.000 Quadratmetern, die vom übrigen Park abgezäunt ist, kann man Fußball, Basketball und Beachvolleyball spielen. Außerdem stehen überdachte Tischtennisplatten zur freien Verfügung, ein Kicker und sogar ein Billardtisch. Equipment wie Bälle und Schläger kann man entleihen. Das ganze Angebot ist kostenlos.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, die Landeskommission Berlin gegen Gewalt und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport kooperieren als Träger des Projekts mit Sport 365, einer Unterabteilung des Sportvereins Turngemeinde in Berlin 1848 e.V. (TiB). Die Idee von Sport 365 ist es, das Treiben von Sport im öffentlichen Raum zu ermöglichen, „niedrigschwellig und unkompliziert“, wie Kamani es beschreibt. Wer auf der Sportanlage im Görli vorbeischaut, ist kein Vereinsmitglied, sondern in den Worten Kamanis ein „Community member“. Und das kann jeder und jede sein, auch die Dealer – solange sie sich an die Regeln halten: „Wir schließen niemanden aus, alle sind willkommen“, so Kamani.
Die Sache läuft: Im vergangenen Jahr wurde die Anlage peu à peu in Betrieb genommen, eine Zeit lang habe man sich die Fläche noch mit Hundebesitzern geteilt, so Kamani. Seit ein paar Monaten regiert an dieser Stelle allein der Sport. Von 13 bis 21 Uhr ist hier jeden Tag geöffnet.
Voll ist es beinahe immer hier: Auf einem der Basketballcourts treten zwei spontan zusammengewürfelte Teams gegeninander an, einen weiteren teilen sich ein junger Mann und ein Mädchen, die beide abwechselnd versuchen, den Ball im Korb zu versenken. Die Tischtennisplatten sind sowieso immer belegt. Die Schläger, die man bekommt, mögen ihre besten Tage schon hinter sich haben, aber ein Ehepaar aus der Nachbarschaft sagt, die Platten hier seien besser als in ihrem Tischtennisverein. Drei junge Frauen aus Kreuzberg sind ebenfalls begeistert – sie wollen demnächst wiederkommen, zum Beachvolleyball spielen.
Alles blieb friedlich
Kamani sagt, als es losging mit dem Projekt, habe es Befürchtungen gegeben, dass dieses nicht funktionieren werde, hier, mitten in einem der Brennpunkte der Stadt. Aber bislang sei alles stets friedlich gewesen – abgesehen von den üblichen Rangeleien im sportlichen Eifer. Aber eine Schlägerei habe es nie gegeben, versichert er, und „auch keine Probleme mit Drogen“.
Das Ganze soll sich nun weiterentwickeln, zu einem sozialen Ort mit Leuchtturmcharakter. Kamani spricht von Graffiti-Workshops, die er hier in Zukunft auch noch anbieten möchte, und sogar von einem kleinen Musikstudio auf dem Gelände.
Doch vorerst stellt sich eine ganz andere Frage. Sport 365 steht dafür, der Name deutet es bereits an, das ganze Jahr über Sportmöglichkeiten anbieten zu können, also auch im Winter. Doch Ende Oktober wird es kritisch, glaubt Kamani. Die Idee ist deswegen, große Teile der Sportanlage zu überdachen, etwa mit einem Zelt, ausgestattet mit einer energiesparenden Heizung. Damit die Kinder hier auch im Winter einen „Safe Space“ haben. Und alle, die ebenfalls Lust darauf haben, sich auch in den kalten Monaten fit halten zu können.
Aber ganz so einfach wie erhofft ist das nicht. „Die Frage der Überdachung ist umweltrechtlich und baurechtlich komplex, da es sich hier um Baumaßnahmen im Außenbereich handelt“, sagt ein Pressesprecher des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg auf Anfrage. Zudem sei “vereinbart, dass zunächst eine positive Evaluation vorliegen muss, bis über das weitere Vorgehen entschieden wird. Hierzu wird es im Oktober ein Treffen zwischen Bezirk und Verein geben.“
Wenn man sieht, wie gut es hier läuft und wie groß der Zuspruch ist, kann man nur hoffen, dass es klappt mit dem Dach über den Sport treibenden Köpfen – am besten, bevor der Winter kommt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP