„Brennende Betten“ in Hamburger Kinos: Pyromanen küsst man nicht
Pia Frankenbergs Komödie „Brennende Betten“ aus dem Jahr 1987 ist auch heute noch komisch. Am Sonntag ist sie in 16 Hamburger Kinos zu sehen.
Wie macht man aus einem gehbehinderten Brandstifter einen romantischen Filmhelden? Dieses Kunststück gelang der Regisseurin, Autorin und taz-Kolumnistin Pia Frankenberg im Jahr 1987 mit ihrer Komödie „Brennende Betten“. Den eher kantigen als attraktiven Lover spielte Ian Dury, ein britischer Sänger mit Neo-Punk-Attitüde („Hit Me with Your Rhythm Stick“), der Nebenrollen in Filmen von Peter Greenaway und Roman Polanski spielte und von der Hamburger Filmemacherin seine erste Hauptrolle bekam.
Er spielt Harry, einen Londoner Schlagzeuger, der das Zündeln nicht lassen kann und nach Hamburg kommt, weil seine Ehefrau ihn vor die Tür gesetzt hat. Dort teilt er sich eine Wohnung mit Gina, und die ist auch nicht ohne. In einem Forschungsprojekt zum Thema männliche Sexualität schleppt sie jede Nacht einen anderen Mann in ihr Schlafzimmer („Frühstück war nicht inklusive“, klärt sie einen von ihnen auf). Sie lebt also so etwas wie einen weiblichen Gegenentwurf zu Casanova.
Pia Frankenberg spielt die Rolle selbst mit einem ruppigen Selbstbewusstsein und ist dem rebellischen Cockney Ian Dury zumindest ebenbürtig. Er setzt also regelmäßig die Wohnung in Brand, sie empfängt ähnlich obsessiv ständig Herrenbesuche, und wie diese beiden schließlich zueinanderfinden, ist sehr komisch.
Auch heute noch, denn „Brennende Betten“ gehört zu den Filmen, die gut gealtert sind. Dies liegt zum einen daran, dass Pia Frankenberg eine gute Komödienautorin ist. Sie kennt sich gut im Genre der Screwballkomödie aus. Sie kann komische Situationen und Dialoge schreiben und hat sogar einen nahezu perfekten letzten Satz gefunden, der fast an Billy Wilders „Nobody is perfect“ in „Some like it hot“ heranragt. Seltsam, dass die wirklich guten Komödien in Deutschland vor allem von norddeutschen Frauen gemacht wurden: May Spils (geboren in Twistringen) mit „Zur Sache Schätzchen“, „Bella Martha“ von der Hamburgerin Sandra Nettelbeck und eben „Brennende Betten“.
Der Film war in den späten 1980er-Jahren ein großer Erfolg, allerdings eher in den Programmkinos, denn Pia Frankenberg hatte zwar eine Komödie, also einen Unterhaltungsfilm gedreht, aber zum Mainstream gehört er nicht. Denn dies ist auch ein lupenreiner Arthouse-Film: unabhängig und mit eher kleinem Budget produziert, stilistisch eher dreckig realistisch als hochglanzpoliert.
Mit der Geschichte folgt Frankenberg zwar der Tradition des Hollywoodkinos, aber sie verortet sie im Hamburg (und ein wenig im London) ihrer Zeit. Auch dies macht heute den Reiz aus, ihn zu sehen. „Brennende Betten“ zeigt ein Hamburg, in dem die Rote Flora noch „1000 Töpfe“ hieß und die meisten Straßen noch gepflastert waren.
Frankenberg hat ihren Figuren auch interessante Berufe gegeben – und so kann man sehen, wie sie selbst als Prüferin beim TÜV die Unterseiten von Autos mit dem Hammer abklopft, während der Musiker Ian Dury als Schlagwerker (nicht in einer Rockband, aber immerhin in der Hamburger Staatsoper) für seinen Lohn trommelt. Auch dadurch sieht man hier Ecken von Hamburg, die sonst selten in Filmen gezeigt werden.
Und diese Stadtansichten sind meisterlich fotografiert. Denn Pia Frankenberg hat sich aus Frankreich den berühmten Altmeister Raoul Coutard geholt, der in den 1960er-Jahren der Kameramann von Godard und Truffaut war. Eine Komödie ist zwar vor allem dann gut, wenn gelacht wird, aber es schadet auch nicht, wenn sie gut aussieht und gut geschnitten ist. Für die Montage war Bettina Böhler verantwortlich, die später die Editorin der „Berliner Schule“ wurde, und diese geballte filmkünstlerische Kompetenz ist auch ein Grund dafür, warum „Brennende Betten“ so frisch geblieben ist.
„Brennende Betten“, Regie: Pia Frankenberg. Mit Pia Frankenberg, Ian Dury u. v. a, Deutschland 1987, 80 Minuten
Davon können sich am Sonntag viele Hamburger*innen überzeugen, denn „Brennende Betten“ wird im Rahmen des Projekts „Eine Stadt sieht einen Film“ den ganzen Tag lang in 16 Kinos gezeigt werden. Die Veranstaltung wurde 2016 von Manja Malz gegründet, und als ersten Film zeigte sie Sebastian Schippers „Absolute Giganten“. Damals waren die 2.500 Kinoplätze ausverkauft, diesmal wird es wegen der Corona-Beschränkungen in den Kinos leider nicht so voll werden.
In den darauf folgenden Jahren sind Lars Jessens „Fraktus“, Wim Wenders’ „Der amerikanische Freund“, Hark Bohms „Nordsee ist Mordsee“ und Fatih Akins Debütfilm „Kurz und schmerzlos“ zu sehen: alles Filme, in denen Hamburg als Spielort eine heimliche Hauptrolle spielt. „Brennende Betten“ fügt sich da sehr gut ein.
„Eine Stadt sieht einen Film“: So, 12. 12., teilnehmende Kinos auf www.eine-stadt-sieht-einen-film.de
Deshalb ist auch ein Programmpunkt der Höhepunkt des Kinotages: Traditionell gibt es einen Spaziergang zu den Drehorten des Films, diesmal zwischen 13 Uhr und 14.30 Uhr mit Pia Frankenberg durch das Schanzenviertel. Die Tour ist schon lange ausverkauft, doch in diesem Jahr wird ein Kamerateam sie begleiten, und eine Woche später soll es eine „digitale Drehortführung“ auf der Homepage des Projekts geben.
Pia Frankenberg macht zwischen 11 Uhr morgens (Matinee im Metropolis) und 20.30 Uhr (letzte Vorstellung im 3001-Kino) eine Runde durch die Kinos der Stadt, bei der sie neunmal persönlich ihren Film vorstellen wird, und auch bei der Retrospektive mit ihren anderen Werken, die seit gestern im Metropolis läuft, wird sie zu Gast sein. Kleine Brandaktionen zu Ehren von Ian Dury sind aber leider nicht geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass