Bremer Rede zum Klimastreik: Kein. Grad. Weiter.

Konkret sind die Prognosen für unsere Zukunft: Wir steuern zu auf eine Dystopie. Nur durch radikale Entscheidungen können wir sie noch verhindern.

Demo 2019 zu Füßen des Bremer Rolands vor dem Rathaus: Eine dichtgedrängte Menge mit Plakaten, die zum Handeln gegen die Klimakrise aufrufen

Demo 2019 in Bremen: Von Abstand war da noch nicht die Rede, von Klimakrise schon Foto: Friedemann Kohler/dpa

BREMEN taz | „Die Zukunft ist dunkel und das ist das Beste, was die Zukunft sein kann.“ Das schrieb Virginia Woolf am 18. Januar 1915 in ihr Tagebuch, als der Erste Weltkrieg immer mehr zu einem brutalen Massaker mit noch unbekanntem Ausmaß wurde. Nicht zu wissen, was die Zukunft für uns bereithält, kann natürlich verunsichern.

Aber es bedeutet auch, dass die Zukunft alles sein kann, was wir uns vorstellen wollen. Es bedeutet, nicht zu wissen, wie schlimm die Zukunft vielleicht auch werden könnte. Es wäre schön, wie Virginia Woolf behaupten zu können, dass wir uns nicht ausmalen müssen, welche Katastrophen die Zukunft vielleicht auch bereithält.

Leider gibt es aber für unsere Zukunft sehr konkrete Prognosen. Die Wissenschaft hat sie für uns hell ausgeleuchtet. Und ihre Vorhersagen schreiben eine Dystopie, wie sie sich niemand ausmalen wollte. Von einer Natur, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Und der Menschheit, die mit der Klimakrise vor allem eine humanitäre Krise geschaffen hat.

Eine Zukunft, in der die Berichte über Naturkatastrophen, wie sie uns immer häufiger erreichen, zum Alltag gehören und damit auch täglich die Zahlen der Todesopfer hochtreiben. Eine Zukunft, in der immer mehr Menschen, wie es jetzt bereits im globalen Süden passiert, verdursten und verhungern. Eine Zukunft, geprägt von Verteilungskriegen, Flucht und Katastrophen – von Menschen, die ihr Zuhause, ihre Familie und ihre Hoffnung verlieren. Eine Zukunft, in der uns jegliche Lebensgrundlage fehlt.

Der globale Klimastreik startet in Bremen um 10 Uhr in sechs thematischen Blöcken an sechs strategischen Punkten:

Thema Antikapitalismus: ab Kreuzung Waller Ring/Waller Herrstraße (Bahnhof Walle)

Thema Verkehrswende: ab Mercedesstraße (Fahrraddemo)

Thema Energiewende: ab Hastedter Osterdeich (Höhe Weserwehr/Wasserkraftwerk)

Thema Klimagerechtigkeit: ab Kreuzung Schwachhausener Herrstraße/Unter den Eichen

Thema Industriewende: ab Park am Flughafen

Thema Intersektionalität: ab Antikolonial-Mahnmal, Nelson-Mandela-Park (dieser Demo-Strang soll möglichst barrierefrei werden)

Maske auf, Abstand halten, Zukunft retten!

Und die 1-Grad-Marke auf dem Weg in diese Zukunft haben wir bereits überschritten. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass viele dieser Katastrophen schon jetzt stattfinden. Dass in diesem Moment, den wir hier in Sicherheit erleben können, Menschen um ihr Überleben kämpfen. Dass in diesem Moment Menschen ihre Heimat verlieren und fliehen. Und, dass in diesem Moment Menschen sterben.

Die Klimakrise ist jetzt. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, sind die Fixpunkte unserer Zukunft. Noch sind die Kipppunkte nicht überschritten. Noch haben wir die winzige Chance, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten.

Noch steht uns das alles offen. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, können die Welt verändern. Unsere Entscheidungen machen den Unterschied zwischen einer Dystopie und einer Utopie. Und die allerwichtigste Entscheidung ist, dass es sich lohnt, für diese Zukunft zu kämpfen.

Denn auch wenn die Dystopie unserer Zukunft schon geschrieben ist, so haben wir noch die Möglichkeit, sie in eine Utopie zu verwandeln. Eine Utopie, die wir ganz allein schreiben können – von einer Zukunft, in der all das passieren kann, was wir uns erträumen.

Eine feministische Zukunft, in der alle Menschen unabhängig von ihrem Gender tatsächlich gleichberechtigt sind. Eine Zukunft, in der es keinen Platz mehr für Faschist*innen in unseren Parlamenten gibt. In der People of Color nicht in der ständigen Angst vor rassistischen Gewalttaten leben müssen. In der die europäischen Grenzen nicht zu einer Todeszone werden.

Eine Zukunft, in der wir das Märchen vom endlosen Wachstum endlich aufgeben und weder die Natur noch unsere Mitmenschen für kurzfristigen Profit ausbeuten. Eine Zukunft, in der wir als Weltgemeinschaft wieder mehr zueinandergerückt sind, uns gegenseitig unterstützen und stärken. In der wir alle miteinander, statt gegeneinander leben.

All das kann unsere Zukunft sein. Wenn wir nur die Chance bekommen, sie zu leben. Es ist eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Wie Rosa Parks bereits sagte: „Um Veränderung zu bringen, darfst du keine Angst haben, den ersten Schritt zu machen. Wir versagen, wenn wir versagen, es zu versuchen.“

Es ist unsere Zukunft. Wir sind die Menschheit. Wir haben die Klimakrise in ihrem ganzen erschreckenden Ausmaß geschaffen. Und nun ist es unserer Verantwortung, alles in Bewegung zu setzen, um diese Krise noch aufzuhalten.

Wir haben jetzt die Möglichkeit, Geschichte zu schreiben, die Welt zu verändern, eine Revolution zu sein. Dafür brauchen wir jede*n einzelne von euch. Mit Wut im Bauch, Mut im Herzen und hochgekrempelten Ärmeln, bereit es anzupacken. Seid dabei und lasst uns gemeinsam unsere Welt retten.

Kein. Grad. Weiter.

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Klima-Aktivist*innen übernehmen die taz: Am 25. September erscheint eine taz. die klimazeitung – geschrieben und konzipiert von Aktivist*innen. Sie schreiben, was die Klimakrise mit Rassismus gemeinsam hat und entwickeln konkrete Utopien. Alle Texte dazu finden Sie online in unserem Schwerpunkt Klimagerechtigkeit.

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