Bremer Hulsberg-Viertel nimmt Gestalt an: Zuschlag für Genossenschaft „Karl“
Mit der Genossenschaft in Gründung „Karl“ darf jetzt ein Player mitbauen, dem ein sozial durchmischtes Quartier am Herzen liegt.
Drei Bewerber gab es, die in Gründung befindliche Genossenschaft „Karl“ erhielt den Zuschlag fürs Grundstück und ist bereit, „den sehr hohen Preis von 2,66 Millionen Euro dafür zu zahlen, um die gemeinsame Vision von solidarischem Bauen und Wohnen realisieren zu können“, wie eine Sprecherin formuliert. Man hätte den Grund lieber in Erbpacht übernommen. Aber die Stadt will nun mal ihr Eigentum hochpreisig verscherbeln.
Mitte September werde der Vertrag unterschrieben, erklärt Florian Kommer von der Grundstücksentwicklungsgesellschaft (GEG) des Quartiers, anschließend habe Karl elf Monate Zeit, um Bauplan und Finanzierung aufzustellen. Mindestens ein weiteres halbes Jahr benötige dann die zuständige Behörde für eine Baugenehmigung, sodass der erste Spatenstich nicht vor Februar 2021 erfolgen könne. Karls Konzept habe durch Haltung überzeugt, erklärt Kommer. Die Genossen kommen aus dem umliegenden Kiez und aus der Bewegung gegen die befürchtete Gentrifizierung.
Da das Nutzungskonzept für das Klinikgelände inzwischen auch diverse Lebensformen zur Vitalisierung des gesamten Quartiers einbinden möchte, wenn auch nur zu Spitzenpreisen, will Karl nun eben aktiv und nachhaltig mitgestalten. Zwei Jahre wurden Ideen entwickelt, Genossen geworben und Aufnahmegespräche geführt, um zu erkunden, ob die meist aus dem akademischen Milieu kommenden Interessierten auch zur Gruppe passen, da explizit miteinander gelebt werden soll.
Florian Kommer, Grundstücksentwicklungsgesellschaft (GEG)
„Jetzt sind wir 35 Erwachsene und 19 Kinder, 27 bis 30 Wohnungen werden wir in einem modernen Plattenbau schaffen, auch eine Kita, eine inklusive WG und einen Gemüseladen integrieren“, so die Sprecherin. Acht Millionen Euro würden in das sogenannte Ausbauhaus investiert, das 2014 erstmals in Berlin-Neukölln realisiert wurde und 2018 den Deutschen Bauherrenpreis gewonnen hatte.
Durch besondere Deckenkonstruktion kann auf tragende Wände innerhalb der Wohnungen verzichtet werden, was eine flexible Gestaltung ermöglicht. Durch vorgefertigte Bauteile, etwa vor Ort nur noch zusammenzupuzzelnde Wände, verringern sich die Kosten.
Um sie weiter zu reduzieren, bekomme jede Wohnung das gleiche schlichte Bad, erklärt die Sprecherin. Auch könnte auf private Arbeitszimmer und Waschmaschinen verzichtet werden, da dafür Räume zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stünden. Das gesamte Erdgeschoss soll Lebensraum für alle Quartiersbewohner dienen.
„Schon stehen die nächsten Grundstücke vor der Ausschreibung“, frohlockt Kommer. Das neunstöckige Bettenhaus an der St.-Jürgen-Straße werde eventuell ohne Ausschreibung an eine langjährige Bewerberin, die 130-köpfige Hulsberg-Genossenschaft, verkauft. Im Parterre soll Kleingewerbe einziehen und mit bis zu 70 Wohneinheiten ebenfalls dem Trend getrotzt werden, dass Bundesbürger laut Statistik immer häufiger allein leben.
Anfang 2021 soll das nächste Baugemeinschaftsgrundstück auf den Markt kommen, eine 3.200 Quadratmeter große baumbestandene Wiese, angrenzend an die Straße Sorgenfrei. An Hochbeeten gärtnern dort derzeit Aktivisten der Hulsberg-Crowd, die von Abbruchbaggern aus ihrem Domizil, dem ehemaligen Schwesternwohnheim des Klinikums, vertrieben wurden. „30 Wohnungen werden in einem autofreien Areal entstehen“, sagt Kommer. Alle Bewohner müssten sich verpflichten, auf ein eigenes Auto zu verzichten.
Ende kommenden Monats startet bereits die Verlosung des bunten, keine zwei Jahrzehnte alten Neubaus der Kinderklinik an der Friedrich-Karl-Straße. Das Gebäude bleibe stehen, so Kommer, an eine Nutzung als Ärztehaus, Heim oder Hotel sei gedacht. Auch der Altbau der Kinderklinik bleibe erhalten, 2020 sollen Sozialwohnungen und eine Kita eingebaut werden. Ebenfalls nächstes Jahr geht der Pathologie-Palast in den Verkauf. Im Beirat stellte ein Investor bereits Gastro-Nutzung vor. 2027 soll das Neue Hulsberg-Viertel vollendet sein.
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