Bremer Friedensdemo muss ausweichen: Kirche verbannt Mahnwache
Der Evangelischen Kirche in Bremen sind die Friedensfreunde zu pazifistisch. Der Vertreibungsversuch ist für die Kirche eine einzige Blamage.
N ur minimal ist der Geländegewinn. Knapp zwei Meter vom evangelischen Informationszentrum „Kapitel 8“ abgerückt hat sich die Friedens-Mahnwache nun postiert, also auf öffentlichem Grund. Denn über den hat die Kirche auch in Bremen nicht zu bestimmen. Ob das die Mühe des Konflikts gelohnt hat? Der fürs Kapitel 8 verantwortliche Pastor Hans-Jürgen Jung ist sich nicht sicher, ob er die Duldung des Protests, wenn er es neu entscheiden müsste, noch einmal verweigern würde, räumt er auf Nachfrage ein.
Zwar hatten die lokalen Bremer Medien brav überhaupt kein Interesse an der Anekdote. Aber ins Innere des Protestantismus hinein hatten der evangelische Pressedienst epd und der Informationsdienst der Deutschen Evangelischen Allianz (Idea) davon berichtet. Und das schmerzt, weil man ja dabei kleinlich dasteht. Oder lächerlich. Oder beides: Wie man sie auch dreht und wendet, die Schlagzeile „Kirche untersagt Mahnwache für Frieden vor kirchlichem Gebäude“ klingt kacke.
Dass die Bremische Evangelische Kirche durchs Verbot noch nicht einmal die unerwünschte Präsenz unterbinden kann, weil nur der schmale Streifen direkt am Haus zu ihrem Grundstück gehört, nicht aber der ganze Vorplatz, macht die Blamage komplett. Und zusätzlich dissonant wirkt der Vorgang auf alle, die wissen, dass an der Fassade vom Kapitel 8 ein Transparent hängt, auf dem der Psalmendichter empfiehlt: „Suche den Frieden und jage ihm nach.“
Man sei sich mit Mahnwachenanmelder Joachim Fischer zwar „einig im Ziel Frieden“, versichert Pastor Jung, wolle bloß dessen „friedenspolitischen Vorstellungen“ nicht die „symbolische Autorität der Kirche verleihen“. Really? Immerhin haben Fischer und seine „Pusdorfer Friedensgruppe“ 16 Jahre lang jeden dritten Freitag im Monat auf dem kircheneigenen Grund unbeanstandet, wenn nicht gar unbemerkt, ihre Pappschilder vorgeführt, um „Rüstungsproduktion und -export“ als „Schande für Bremen“ und Waffenhandel als Verbrechen zu geißeln.
„Für andere Positionen offen“
Bis zu diesem Jahr: Bei der Regelanfrage durchs Ordnungsamt erteilte die Kirche kein Einverständnis, „weil wir auch für andere Positionen offen sind“, wie Jung begründet.
Von dieser neuen Offenheit kalt erwischt worden ist Fischer. Der ist eine in Bremen bekannte Figur: Als er um 1990 in der Golfkriegszeit die Pusdorfer Friedensgruppe gründete, ließ der Chemiker sich bereitwillig „Bommel Fischer“ nennen, was ihm mittlerweile zu unseriös klingt. Auch unterzeichnet er seine Mails oft – bitte nicht freudianisch lesen! – als „Glied der evangelischen Christuskirche“.
Den Vertreibungsversuch wertet er als Beleg dafür, dass die Bremische Evangelische Kirche pazifistische Positionen nicht mehr auszuhalten bereit ist. „Die unterstützen dieses Kriegsgeschehen“, sagt er und verweist darauf, dass selbst einer ihrer zwei Friedensbeauftragten die solidarische Aufrüstung der Ukraine mit deutschen Marschflugkörpern fordert. „Die haben“, sagt Fischer, „gar keine rote Linie mehr.“ Für ihn ist das „völlig unvereinbar mit dem christlichen Glauben“, der „zur Gewaltlosigkeit verpflichtet“.
Klar, dieses pazifistische Sendungsbewusstsein nervt. Aber wer Transparente mit schmusiger alttestamentarischer Poesie raushängt, darf sich nicht wundern, wenn er Friedensbewegte anlockt. Dabei gibt’s doch genügend Bibelsprüche, um sie zu vergrämen: „Verkauf deinen Mantel und kauf dir ein Schwert!“ aus dem Lukas-Evangelium wäre einer. Ganz zu schweigen von Jesus’ Selbstbeschreibung: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Muss man sich halt nur trauen aufzuhängen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste