Bremer Enquetekommission Klimaschutz: Nahverkehr fährt hinterher
Die Klimaschutz-Enquete hat sich Gedanken gemacht, wie die Stadt im Verkehr CO2 einsparen kann. Dafür müssten vor allem mehr Busse und Bahnen fahren.
Zwar legen Bremer*innen ein Viertel ihrer Wege mit dem Rad zurück, aber nur 15 Prozent mit Bus und Bahn. Ausbaufähig, findet Expertin Philine Gaffron vom Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Uni Hamburg.
Wirklich wichtig sei aber die Frage, wie viele Kilometer Bremer*innen insgesamt mit dem Auto zurücklegen. Laut einer Studie sind das 63 von 100, sagte Gaffron. Und Pendler*innen, die tagsüber die Stadt befahren, seien hier noch gar nicht mit eingerechnet. Unterm Strich heißt das: „7,8 Millionen Kilometer werden pro Tag im Bremer Netz gefahren.“ Das ist zu viel.
Potential gebe es vor allem bei Auto-Kurzstrecken, so Gaffron. Doch dafür brauche es einen attraktiveren öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Zuständig ist die Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Andreas Busch, Leiter der BSAG-Verkehrsplanung, berichtete Expert*innen und Abgeordneten von den Plänen des Unternehmens: Um Fahrgäste zu gewinnen, will die BSAG bequemer werden, zuverlässiger – und vor allem schneller.
Denn vorrangig die langen Fahrtzeiten störten die meisten Nichtnutzer*innen, so Busch. Bei den Wegen vom Stadtrand in die Innenstadt schneidet der ÖPNV wirklich schlecht ab: Nur aus Vegesack bringen Straßenbahn und Co. eine*n schneller ins Zentrum. Sonst gewinnt fast immer das Auto.
Erst wenn das Angebot verbessert sei, könnten andere Maßnahmen wie die autofreie Innenstadt und das Umgestalten vom Parkraum wirken, sagte Busch. Kurz- und mittelfristig setze die BSAG dafür auf mehr Fahrten und einen Ausbau des Busnetzes, Letzteres vor allem für Querverbindungen zwischen den Stadtteilen und am Stadtrand.
Das Ziel sei, den Fahrplan bis 2030 überflüssig zu machen, also eine Garantie dafür zu geben, dass von den meisten Haltestellen innerhalb von fünf Minuten ein Anschluss fährt. Das soll vor allem auf den am stärksten befahrenen Strecken gelten und insgesamt 85 Prozent der Bremer*innen erreichen. Dafür werde der Takt der Fahrten erhöht, tagsüber auf alle fünf Minuten auf stark befahrenen Strecken. Auch Schnellbusse soll es geben. Das koste pro Jahr 40 Millionen Euro mehr; die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens werde darunter leiden, sagte Busch..
Auch das Ziel Klimaneutralität hat Busch im Blick, wie bei der Anschaffung der benötigten neuen Fahrzeuge. Die CO2-Emissionen des Unternehmens liegen momentan bei knapp 30.000 Tonnen pro Jahr. 80 Prozent davon kommen aus Dieselbussen. Die Straßenbahnen fahren bereits seit 2010 mit Ökostrom. Ziel sei, bis 2025 die Hälfte der gefahrenen Kilometer emissionsfrei anzubieten.
Auch mehr Straßenbahnlinien sollen kommen, aber das stehe gerade nicht im Fokus. Zu „langwierig und konfliktbehaftet“ seien die Projekte, wie die Linie nach Huchting gezeigt habe, sagte Busch. „So etwas Ambitionsloses habe ich selten gesehen“, kritisierte Jens Eckhoff (CDU). Er hält einen Ausbau der Linien auch zeitiger für möglich, wenn man denn will und sich nicht „von jeder kleinen Bürgerinitiative“ ausbremsen lässt.
Busch versuchte zu beruhigen: „Wir haben das nicht aufgegeben.“ Die Pläne seien ja im Verkehrsentwicklungsplan festgehalten – da gehe es um die Linien eins und acht und die Anbindung der Überseestadt. Aber es sei „einfach Realität“, dass dies nicht so schnell umsetzbar ist wie die anderen Maßnahmen.
Ein besserer ÖPNV ist sozial gerechter Klimaschutz
Der ÖPNV ist nur eine der vielen Stellschrauben bei der Verkehrswende. Aber eine Verbesserung hier sei auch sozial gerecht, sagte Gaffron. Denn wer reich ist, fährt eher das eigene Auto. Wer weniger verdient, fährt mehr Bus und Bahn.
Nicht zuletzt braucht es für einen anderen Verkehr auch eine Verhaltensänderung der Menschen, erinnerte Zimmer. Philipp Bruck (Grüne) wies aber auch darauf hin: „Wir haben hier viel selbst in der Hand und sind nicht so sehr auf Bund und EU angewiesen.“ Die Ambitionen dürften daher ruhig groß sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe