Bremer Edeka wirft Mitarbeitende raus: Lieber erst mal entlassen

Edeka in Bremen-Vahr übernimmt einen Real-Supermarkt und kündigt gleich allen 109 Beschäftigten. Zugleich bekundet der Konzern sein Bedauern darüber.

"Wir lieben Lebensmittel"- Schild bei Edeka

Wenn alle Liebe dem Produkt gilt, bleibt wenig für die Beschäftigten Foto: Daniel Bockwodt/dpa

BREMEN taz | In der Mitteilung der Unternehmenssprecherin schwingt Hilflosigkeit mit. „Den Wegfall der Arbeitsplätze durch die Schließung des Marktes bedauern wir sehr“, schreibt Frau P., die namentlich nicht genannt werden will, aber Deutschlands größten Lebensmittelhändler Edeka vertritt. Und der hat im Stadtteil Vahr gerade 109 Beschäftigte entlassen. Unter ihnen viele Frauen, viele Alleinerziehende, viele Menschen, die schon Jahrzehnten dort arbeiten, sagt die Gewerkschaft Ver.di.

Edeka hat jüngst in der Vahrer Straße einen Real-Supermarkt übernommen. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Immobilie „nicht mehr wettbewerbsfähig“ und ob ihrer „desolaten Bausubstanz“ auch nicht mehr sanierungsfähig sei, erklärt Edeka. Ein Neubau soll her. So weit, so unstrittig.

Bisher seien alle Mitar­beiter*in­nen davon ausgegangen, dass Edeka sie für die Zeit des Neubaus in anderen Märkten unterbringe und später zu denselben Konditionen am alten Standort wieder beschäftige. So erklärt es die Gewerkschaft Ver.di, mit Verweis auf ähnliche Regeln in 15 anderen Märkten.

Doch nun verlieren alle bei Real in der Vahr Beschäftigten erst einmal ihren Job. Das spart Edeka Geld, und der Konzern umgeht zugleich das Recht auf Weiterbeschäftigung, das sonst für einen Betriebsübergang gilt. „Uns ist bewusst, dass dies viele Mitarbeitende vor eine große Herausforderung stellt“, schreibt die Unternehmenssprecherin.

Gewerkschaft kritisiert Heuchelei

Deshalb macht Edeka ihnen ein Angebot. Sie dürfen sich bewerben! Also, auch auf freie Stellen, die Edeka anderswo in Bremen eh hat. „Die Bewerbungen der Mitarbeitenden des Real-Standortes an der Vahrer Straße werden bevorzugt behandelt“, heißt es bei Edeka – ohne dass damit eine konkrete Zusage verbunden wäre.

Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka hat erheblich von der Coronapandemie profitiert.

Um 9,5 Prozent auf 61 Milliarden Euro steigerte der Edeka-Verbund 2020 seine Umsätze, steht im Geschäftsbericht.

Wachstumstreiber waren einmal mehr die rund 3.600 selbstständigen Edeka-Händler*innen, deren Umsätze um 14 Prozent auf 33 Milliarden Euro stiegen. Sie unterliegen nicht der Tarifbindung.

Rund 21.000 neue Jobs hat Edeka nach eigenen Angaben 2020 geschaffen. Insgesamt beschäftigte Edeka 402.000 Menschen.

Zu weiteren Details könne man sich nicht äußern. „Im vergangenen Jahr Rekordgewinne einfahren, den Beschäftigten heuchlerisch für ihre Systemrelevanz danken und sie im Anschluss auf die Straße setzen. Das ist unternehmerische Verantwortung, die am eigenen Gartenzaun endet!“, sagt Gewerkschaftssekretär Tobias Uelschen.

Er gehe davon aus, dass am Ende viele jener Menschen, die heute bei Real in der Vahr arbeiten, dies künftig auch bei Edeka dort tun. Aber zu deutlich schlechteren Bedingungen. „Es besteht die Gefahr, dass nach einer Neueröffnung ein weiterer Betrieb im Handel nicht mehr tarifgebunden ist“, sagt Ver.di-Geschäftsführer Markus Westermann. Das habe Edeka in anderen Regionen schon so gemacht. Ver.di unterstellt, dass Edeka mittelfristig ganz aus der Tarifbindung aussteigen wolle. Edeka sagt dazu nichts.

Aus dem Flächentarifvertrag verabschiedet

Schon die Warenhauskette Real, die bis zum Frühjahr 2022 bundesweit zehn Filialen schließen will und dem russischen Finanzinvestor SCP gehört, hat sich aus dem Flächentarifvertrag verabschiedet. Statt dessen schloss sie einen Tarifvertrag mit der kleinen Gewerkschaft DHV – die jedoch nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg nicht als „tariffähig“ gilt.

Bei Edeka wird man bisher meist noch nach dem Flächentarifvertrag mit Verd.di entlohnt, der laut Uelschen für eine Vollzeitstelle 2.700 Euro brutto vorsieht. Doch privatisierte Edeka-Märkte – zu erkennen an einem Nachnamen im Titel – unterlägen nicht der Tarifbindung und müssten nur den Mindestlohn zahlen, so Uelschen. Wer etwa nach einem Tarifvertrag mit DHV bezahlt werde, habe „locker 200 Euro weniger im Monat“.

Die Gewerkschaft will sich nun mit dem Real-Betriebsrat zusammensetzen und mit den Beschäftigen über Maßnahmen und Proteste beraten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.