Bremer Bürgerschaftswahlkampf: AKP-Freunde kuscheln mit CDU
Eine AKP-Lobbyorganisation hat in Bremen Werbung für Oğuzhan Yazıcı von der CDU gemacht. Auch SPD-Politikern wird Erdoğan-Nähe nachgesagt.
Den Post setzte die UID Bremen ab. UID steht für Union Internationaler Demokraten, eine AKP-Lobbyorganisation in Deutschland. Der Verfassungsschutz bezeichnete die Organisation 2018 als „nationalistisch“ und nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar.
In seinem letzten Bericht von 2021 schreibt der Inlandsgeheimdienst, die UID stelle „die Verbindungen zur Türkei durch vermehrt stattfindende Treffen mit AKP Funktionären und türkischen Regierungsmitgliedern“ inzwischen „öffentlich zur Schau“. Auf der Facebook-Seite der UID Bremen lässt sich der Post weiterhin finden.
Auch die AKP Bremen verbreitete wohl die Werbung für den CDU-Kandidaten. Die AKP (deutsch: Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) ist die islamisch-konservative Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Ihr wird die Einschränkung der Pressefreiheit, die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und ein repressiver Umgangs mit der Opposition vorgeworfen. Die AKP-Regierung verantwortete auch den Umbau der Türkei von einer parlamentarischen Demokratie in ein Präsidialsystem.
Die AKP Bremen spricht von einem „Versehen“
Inzwischen ist das Sharepic auf der AKP-Seite nicht mehr zu finden. Die Betreiber der Seite dementierten gegenüber der taz, Werbung für Yazıcı gemacht zu haben und sprachen von einem „Versehen“. Die CDU Bremen wies darauf hin, dass der Post gelöscht sei. Ein Sprecher teilte knapp mit: „Weder Herr Yazıcı noch die CDU Bremen haben den Post beauftragt.“ Die Frage danach, wie die Bremer CDU zur möglichen Nähe ihres Kandidaten zur AKP steht, ließ der Sprecher unbeantwortet.
Herbert Thomsen betreibt die Internetseite „Religionsfrei in Bremen“ und hat den Post der Bremer AKP als Screenshot gespeichert. Auf seiner Seite kann man den Post mit der türkischsprachigen Wahlwerbung für Yazıcı noch sehen – die AKP Bremen hingegen hat den Eintrag inzwischen gelöscht.
Thomsen, der Mitglied im Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten ist, wirft Yazıcı vor „seit langem als ständiger Ehrengast“ auf Veranstaltungen der UID aufzutreten. Zudem vermutet er, dass es „zwischen den rechtsoffenen, konservativen Kräften in Bremen und den islamistisch-faschistischen Kräften der ‚Volksallianz‘ Unterstützung und Wahlkampfhilfe“ gebe, wie er auf Facebook schreibt.Die „Volksallianz“ ist ein Wahlbündnis von fünf türkischen Parteien, darunter Erdoğans AKP, die kurdisch-islamistische Hüda Par und die rechtsextreme MHP.
UID plante noch 2016 eigene Kandidaten aufzustellen
Die UID gibt es seit 2004. Bis 2018 trug sie den Namen Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Der Bremer Senat bestätigte 2018 in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion, dass die UID beabsichtige, „bei den nächsten Bürgerschaftswahlen Kandidaten aus den eigenen Reihen aufzustellen“. Das habe ein Sprecher der UID in einem Interview erklärt. Zumindest in diesem Wahlkampf kam es dazu aber nicht. Stattdessen scheint der Erdoğan-Lobbyverband nun auf den CDU-Kandidaten zu setzen.
Oğuzhan Yazıcı ist Jurist und seit 2013 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. Seit 2015 gehört er dem Landesvorstand der CDU an. Bei der Bürgerschaftswahl 2019 erzielte er 3.234 Personenstimmen und damit das fünftbeste Ergebnis auf der Liste der CDU. Eine taz-Anfrage zu den Vorwürfen ließ Yazıcı am Mittwoch unbeantwortet.
Yazıcı ist jedoch nicht der einzige Bremer Politiker, dem eine Nähe zur türkischen Regierung vorgeworfen wird. Im Februar 2018 hatte der Ex-Grüne und heutige CDU-Abgeordnete Turhal Özdal zusammen mit rund 700 Menschen in Bremerhaven für Erdoğans Offensive gegen Kurd*innen in Nordsyrien demonstriert.
Auch SPD-Politikern wird AKP-Nähe vorgeworfen
Dem SPD-Politiker Mustafa Güngör wird ebenfalls immer wieder Nähe zur AKP vorgeworfen. 2016 war er – zusammen mit seinem damaligen Fraktionskollegen Mehmet Sirri Acar – zu Gast bei einer UID-Veranstaltung (damals noch UETD). Ende 2016 soll er, zusammen mit anderen Abgeordneten, dafür gesorgt haben, dass eine Resolution der Bürgerschaft zu Verhaftungen von Oppositionellen in der Türkei entschärft wurde.
Im Februar 2019 twitterte Güngör ein Foto, auf dem er bei einem Besuch in der Türkei gemeinsam mit dem AKP-Politiker Mustafa Şentop vor einem Erdoğan-Portrait posierte. Als Güngör im August 2019 zum SPD-Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, trat unter anderem die frühere SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ulrike Hövelmann aus Protest gegen seine Wahl aus der Partei aus und warf Güngör eine „unkritische Haltung“ zu Erdoğan vor.
Der exilierte türkische Politikwissenschaftler Çetin Gürer warf Güngör 2019 in der taz vor, dieser gehe in Bremen ansässigen Wissenschaftler*innen, die aus der Türkei geflohen waren, gezielt aus dem Weg. Güngör hat eine Nähe zur AKP jedoch mehrfach dementiert. „Ich bin überzeugter Sozialdemokrat“ hatte er 2019 der Deutschen Presseagentur gesagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten