Bremens Ex-Intendant blamiert sich: Sogar Judith Rakers hat abgesagt
Die „3 nach 9“-Moderatorin will nicht durch den Semperopernball des Bremer Ex-Theaterintendanten und Diktatorenfreunds Hans Joachim Frey führen.
Den nennen Hajo nur seine Freunde, wie Wladimir Putin, und dessen freiwilligen überstürzten Abgang 2010 hatte der damalige Bürgermeister und Kultursenator Jens Böhrnsen (SPD) beschlossen.
Jetzt sorgt Frey bundesweit für Negativ-Schlagzeilen, von Dresden aus, beim Semperopern-Ball. Ausgerechnet: Denn der ist ja sein Werk. Die Veranstaltung dort lanciert zu haben, war 2006 dem Bausenator Jörg Kastendiek und seiner Staatsrätin Elisabeth Motschmann (beide CDU) die wichtigste Empfehlung, Frey den größten Kulturtanker Bremens anzuvertrauen, den er dann auch fast versenkt hätte.
Den Semperball weiter zu betreuen, hatte er sich schon damals ausbedungen, ebenso tat er’s auf späteren Stationen. Jetzt aber hat er sogar in Dresden den Bogen überspannt. Alle sind sauer. Und „Tagesschau“-Sprecherin Judith Rakers, Gesicht und Moderatorin der Radio-Bremen-Talkshow „3 nach 9“ hat ihren Vertrag gekündigt. Sie will nicht durch das Event am 7. Februar führen.
Gold, Gold, Gold!
Wahrscheinlich hat es nie jemand geschafft, Bremens diverse Intellektuellen- und Kunstszene schneller und nachhaltiger gegen sich aufzubringen, als Hans Joachim Frey mit seinem marketingartigen Kulturbegriff und seiner Art, Bildungslücken in schwammigem Manager-Deutsch zu verpacken.
Seine Spielplan-Idee hieß: Glamour maximieren, weshalb die Programmhefte in Goldfarbe gedruckt wurden, teilweise mit goldenen Buchstaben auf goldenem Papier. Ähnlich inhaltsstark sein Versuch, einen Hausregisseur zu drängen, Weihnachtsbäume zu verkaufen. Zweck: eine Thomas-Bernhard-Produktion zu bewerben. Der Regisseur war dann mal lieber weg aus Bremen.
Als unangenehm hatten viele auch damals schon Freys Hang zu Geldadel und autoritären Herrschern empfunden: Anderswo, etwa in Dresden, aber auch im Bruckner-Haus Linz, wo ihm dank Bürgermeister-Rückendeckung auch gravierende Unregelmäßigkeiten bei den Dienstreisenabrechnungen und ein eklatanter Besucherrückgang nicht krumm genommen wurden. Trotzdem zog er schon nach fünf Jahre von dannen, um künstlerischer Leiter der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland zu werden.
Aber selbst in der Barockstadt Dresden hat die Liebe zum Glanz Grenzen. Bislang hatte man es dort immer toll gefunden, dass Hans Joachim Frey beim Opernball, als wäre das Theater ein eigener Staat und der Ballmeister der Zar oder wenigstens sein Statthalter, echte Orden verleiht: Das erste Schmuckstück aus massivem Weiß- und Gelbgold mit Rubin und Brillanten ging, wie in nepotischen Regimes üblich, an Freys Onkel Armin Müller-Stahl. Einen der nächsten verschaffte er, in tiefer Dankbarkeit, seinem Gönner Wladimir Putin.
Man vergebe die Auszeichnung an Menschen, die sich „für das Gute“ in der Welt einsetzen und „gegen den Strom schwimmen“, heißt es. Weil jede Diktatur rückwärtsgewandt ist, sind autoritäre HerrscherInnen also prädestiniert für den Orden. Umso überraschender die aktuelle Empörung. Sie entzündet sich an der Verleihung des Ordens an den ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah al-Sisi.
Kritik begegnete Frey erst mit dem klassischen Sport-Argument, dass man ja keine Politik mache: „Wir wollen Kulturbrücken bauen, um darüber eine vermittelnde Sprache zwischen Regionen zu schaffen“, schwurbelte er, „und das ist der Grund, warum wir al-Sisi auszeichnen wollen.“ Außerdem sorge al-Sisi in Ägypten für „Stabilität“. Knallhart: Die Zahl der Hinrichtungen steigt jährlich.
In Dresden hatten sich wegen der Al-Sisi-Ehrung der Wirtschaftsminister (SPD), der Oberbürgermeister (FDP), Die Grünen, der DGB-Chef, der Heimatsender MDR, die Oper selbst und auch Rakers vom Ball distanziert: Sie habe am Montag um Auflösung des Vertrags gebeten, teilte sie Mittwoch per Twitter mit. Von der Zustimmung scheint sie später über Medienberichte erfahren zu haben.
Wenn alle gegen al-Sisi sind, kann Frey nicht für ihn sein: „Wir möchten uns für diese Preisverleihung entschuldigen und davon distanzieren“, ließ er jetzt wissen. Bremen aber kann sich freuen: Solche Peinlichkeiten sind dem Land erspart geblieben. Und, wäre es nicht so unhanseatisch, würde man sagen: Dafür gebührt Böhrnsen ein Orden.
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