Bremen will AfD-Verbot: Wenn nicht jetzt, wann dann
Bremens rot-grün-rote Landesregierung will im Bundesrat für ein AfD-Verbotsverfahren werben. Erster Schritt: ein Prüfauftrag an den Verfassungsschutz.
Die AfD sei völkisch-national, vertrete einen Volksbegriff, der gegen den des Grundgesetzes verstoße, und habe mit Äußerungen zahlreicher Mandatsträger immer wieder bestätigt, dass sie nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe, erklärten am Mittwoch die Vorsitzenden der drei Regierungsfraktionen im Haus der Bremer Bürgerschaft. Konkreter Anlass für den Vorstoß seien die Demos, die seit Bekanntwerden der Vertreibungspläne der AfD Hunderttausende auf die Straße gebracht haben.
Diese begreife man „als Auftrag an die Politik, jetzt endlich tätig zu werden“, so Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken. Wer weiter warte, verliere das Momentum, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Mustafa Güngör: „Die Aufmerksamkeit für das Thema war nach den Correctiv-Recherchen groß. Schon jetzt im März spüre ich weniger davon.“
Einen Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht können nur Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat stellen. Vorgeschaltet wird dem eigentlichen Verbotsantrag erst ein Prüfauftrag: Bremen will sich im Bundesrat zunächst dafür einsetzen, dass die Landesämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Materialsammlung über die AfD zusammentragen. Damit solle eine „solide Prüfung“ der Verfassungsfeindlichkeit möglich sein.
Erfolgsaussichten für ein Verbot absichern
Der Zwischenschritt ist als wesentliche Entscheidungsgrundlage und Begründung für einen Parteiverbotsantrag unabdingbar und soll helfen, die Erfolgsaussichten eines Verfahrens noch sicherer einzuschätzen. Wie hoch diese sind, da scheint es selbst innerhalb der Bremer Koalition Uneinigkeit zu geben. „Ich bin nicht überzeugt, dass es für ein Verbotsverfahren auf Bundesebene reicht“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Henrike Müller.
Ein gescheitertes Verfahren könnte laut Kritiker*innen die Partei legitimieren und so letztlich mehr schaden als nützen. Sogar einzelne Vertreter der AfD hatten sich deswegen für ein Verbotsverfahren ausgesprochen.
Die vorgeschaltete Prüfung wäre zugleich aber eine Möglichkeit, zögernde Landesregierungen mit an Bord zu holen. Sowohl der Antrag auf Prüfung als auch ein späterer Verbotsantrag müssen vom Rat mit absoluter Mehrheit getragen werden. Beim NPD-Verbotsverfahren gab es 2017 sogar ein einstimmiges Votum der Länder bei der Innenministerkonferenz.
Keine Einigkeit unter den Ländern
Bei der AfD hingegen gibt es unter den Ländern noch keine Einigkeit. Nachfragen zur Unterstützung im Bundesrat wichen die Bremer Fraktionsvorsitzenden am Mittwoch aus. „Wir hoffen auf einen Schulterschluss auf Bundesebene über Parteigrenzen hinweg“, sagte die Linke Leonidakis. Dafür müsse man mit den A- wie auch den B-Ländern sprechen, also sowohl solchen, deren Koalition von der SPD, als auch solchen, die von der CDU angeführt würden.
„Es haben sich bereits Ministerpräsidenten offen für die Prüfung eines AfD-Verbots gezeigt, darauf kann man aufbauen.“ Der SPDler Güngör hofft, dass zumindest die Prüfung die notwendige Mehrheit bekommt. „Welches Landesamt sollte etwas dagegen haben, dass jetzt nach Material für ein Verfahren gesucht wird?“
Sollte der Verbotsantrag kommen, wird es Jahre dauern bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Der richtige Zeitpunkt für ein Verbotsverfahren ist ein kritischer Faktor. So war etwa das Parteiverbotsverfahren gegen die NPD von 2017 gescheitert, weil das Verfassungsgericht der Partei mit ihren 5.000 Mitgliedern keine ausreichenden Erfolgschancen für ihre demokratiegefährdenden Pläne bescheinigte.
Das dürfte bei der AfD mit ihren aktuellen Wahlumfragen, die sie in mehreren Bundesländern als stärkste Kraft sehen, anders aussehen. „Mit Fortschreiten der Zeit wird die Gefahr durch die AfD nicht kleiner, sondern größer“, so Leonidakis. Wenn die Partei erst einmal an Landesregierungen beteiligt sei, schreite „die Aushöhlung der Institutionen voran“, warnte auch Güngör. Der Schutz der Demokratie müsse jetzt beginnen. „Worauf warten wir also?“
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