Bremen feiert Marokko-Tage: Unterdrückung kommt nicht vor
Bei den „Marokko-Tagen“ fällt unter den Tisch, dass das Land die Westsahara völkerrechtswidrig besetzt hat. Die Jahre davor agierte Bremen solidarisch.

Samstagmittag auf dem Bremer Marktplatz: bestes Spätsommerwetter, eine üppige Bühne in sattem Rot-Schwarz, davor einige weiße Baldachin-Zelte. Ein DJ legt auf, Bands spielen, in den Zelten werden Essen und Tee, Gewänder und Gewürze verkauft. Es sind Marokko-Tage in Bremen.
Ausgerechnet in Bremen, muss man wohl sagen – in einer Stadt mit einer langen Tradition der Unterstützung des Kampfes der sahrauischen Urbevölkerung der Westsahara für ihr Recht auf Selbstbestimmung.
Seit 50 Jahren hält Marokko weite Teile der am Atlantik gelegenen Westsahara völkerrechtswidrig besetzt und beutet deren Ressourcen wie Phosphat und Fisch aus. Ein großer Teil der Sahrauis lebt in Flüchtlingslagern in Algerien.
„Bremen ist der Heimathafen der deutschen Solidarität mit der Westsahara“, sagt eine Sprecherin der sahrauischen Diaspora in Deutschland, die namentlich nicht genannt werden möchte.
In der Tat, die Liste der symbolischen oder praktischen Zeichen der Unterstützung aus der Hansestadt ist lang. 2013 bekam die ehemalige Trägerin des Alternativen Nobelpreises, die sahrauische Aktivistin Aminatou Haidar, den Bremer Solidaritätspreis verliehen.
2016 hatte die Bremer Politik beschlossen, zum Jahrestag der Gründung des sahrauischen Exil-Staates Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) die Staatsflagge in den panarabischen Farben über der Bremischen Bürgerschaft wehen zu lassen. In einem fraktionsübergreifenden Beschluss hatte sich das Parlament damals für die Durchführung des UN-Referendums zum Selbstbestimmungsrecht der Sahrauis ausgesprochen.
Erst im Juni dieses Jahres hat sich die Bremer SPD bei ihrem Landesparteitag in einer Resolution zur Unabhängigkeit der Westsahara bekannt.
Einer, der diese Art der Unterstützung immer für schwierig gehalten hat, ist Alexander Rosenboom, seit zwei Jahren amtierender Honorarkonsul für Marokko in Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Dass sich Bremen als Stadt immer wieder solidarisch mit der Sache der Sahrauis gezeigt habe, mache die Zusammenarbeit mit der marokkanischen Seite nicht einfacher, erklärte der Diplomat am Rande der Eröffnungsveranstaltung zu den Marokko-Tagen im Bremer Rathaus.
Zu weiteren Aussagen zum Westsahara-Konflikt, der seit Ende 2020 auch wieder in bewaffneten Kämpfen zwischen der marokkanischen Armee und der sahrauischen Befreiungsbewegung Frente Polisario ausgetragen wird, war Rosenboom nicht bereit. „Dazu werden Sie von mir nichts hören“, erklärte der Konsul. „Das ist Außenpolitik. Ich kümmere mich um die Leute hier.“
Zeichen gegen das schlechte Image
Im Rathaus erfährt man auch, was die ursprüngliche Idee hinter den Bremer Marokko-Tagen war: Die örtliche Gemeinde in Form von zwei Vereinen, Restaurants und dem Honorarkonsulat wollte ein Zeichen setzen gegen das schlechte Image wegen der kriminellen Jugendlichen aus der Maghreb-Region. Zwei Lehrer stellen die Arbeit der deutsch-marokkanischen Bildungsbrücke vor, die Bürgermeisterin von Syke in Niedersachsen die Partnerschaft mit einer Stadt in Marokko.
Am Rande gibt es aber auch Stimmen, die von einer durch das nationale marokkanische Tourismusbüro gekaperten Veranstaltung sprechen. Es gehe um Image-Politik. Ein Sprecher des veranstaltenden Vereins Mosaik wirkt überrascht, als man ihn auf das Thema Westsahara anspricht, redet dann aber ganz offen von den „südlichen Gebieten Marokkos“.
Auch die Sprecherin der sahrauischen Diaspora in Deutschland befürchtet ein Weißwaschen durch die dreitägige Veranstaltung: „Mit Kultur und Tourismus versucht Marokko die Besetzung der Westsahara zu legitimieren.“ Sie glaube nicht, dass Marokko ein echtes Interesse an den Problemen der Menschen in der Diaspora habe.
Leinwände mit Image-Videos
Carmen Emigholz, Staatsrätin für Kultur in Bremen, sagt: „Es ist unbestritten, dass der Umgang mit dem Konflikt um die Westsahara ein sensibler Punkt ist.“ Bei aller Freude über die Marokko-Tage dürfe man diesen Konflikt nicht vergessen. „Ganz besonders in Bremen als einer traditionell offenen und aufgeschlossenen Stadt“, sagt die Staatsrätin.
Zurück auf dem Bremer Marktplatz: Auf Leinwänden an der üppigen Bühne des marokkanischen Tourismusbüros laufen Image-Videos, die Marokko, das „Kingdom of Light“, als Reiseziel anpreisen. Man verkauft das clever; sogar zwei Bands mit sahrauischen Wurzeln aus dem Süden Marokkos und aus den besetzten Gebieten dürfen auftreten. An der Seite hängt ein Porträt von König Mohammed VI.
Natürlich gibt es Sahrauis in den besetzten Gebieten, die sich mit der Herrschaft Marokkos über das Gebiet der Westsahara arrangiert haben, die mit einem Autonomiestatus für ihr Volk zufrieden wären. Die Sprecherin der sahrauischen Diaspora in Deutschland rückt das allerdings in einen sozialen Zusammenhang: „Zugang zu Arbeit hat man dort oft nur, wenn man seinen politischen Kampf aufgibt.“
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