Bremen: Rechte können Party machen: Ungestörte Nazi-Feiern
Pfingstsamstag feierten Nazis und Hooligans in Oslebshausen, eine Woche zuvor auf der Weser. Eine linke Technoparty musste deswegen verlegt werden
"12. 06. Großraum Bremen" hieß es über Wochen auf der Bandwebsite. Am Abend des Pfingstsamstag stand dann fest: In der Sperberstraße auf der Anlage der Sport-Gemeinschaft Oslebhausen e.V. findet das Konzert der rechtslastigen Hooliganband "Kategorie C - Hungrige Wölfe" (KC) statt. Als Vorgruppe ist "Nothlöhsung" angekündigt. Über 300 Gäste kommen zu dem Konzert und können ungestört feiern.
Die Polizei, die recht kurzfristig von der Veranstaltung erfuhr, löste das Konzert nicht auf. Allerdings traf sie mit Pächter und Veranstaltern die Absprache, das Konzert auf die Zeit von 20 bis 21.30 Uhr zu begrenzen. Bis 22 Uhr durften die Fans der Bands an der Theke noch trinken. Das Bier war allerdings früher alle, weshalb die Gäste zügig aufbrachen. Bei einzelnen Kontrollen wurde "Sieg Heil" gerufen, berichtet eine Polizeisprecherin.
Hätte der überraschte Pächter, der von einer "Privatfeier" ausgegangen sein soll, von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Nutzungsvertrag wegen Täuschung aufzuheben, hätte das Konzert nicht stattfinden können. Auf Anraten der Polizei haben Vermieter schon öfters, nachdem sie sahen, wer wirklich ihre Räume nutzen wollte, kurzfristig nein gesagt. Pfingstsamstag in Oslebshausen scheint die Polizei eher auf ein Arrangement hin gewirkt zu haben, um keine größere Polizeimaßnahme durchführen zu müssen.
Solche pragmatisch orientierten Absprachen könnten mit ein Grund sein, warum in Bremen seit Jahren Hooligan-Zusammenschlüsse bestehen, die mit der Rechtsrock- und Neonaziszene verwoben sind. Von der Weser kommen neben der Band "Kategorie C" auch "Endlöser", "Endstufe", "Hetzjagd" und "Strafmass". 2010 konnte die rechte Hooligantruppe "Standarte 88" ihr zwanzigjähriges Bestehen feiern. Die "88" ist ein Code für "Heil Hitler". "City Warriors" und "Nordsturm Brema" agieren ebenso als Hooligangruppen.
Zentrale Figuren dieser Mischszene sind die Brüder Ostendorf. Henrik Ostendorf gehört zur "Standarte" und war bis vor kurzem Geschäftsführer der NPD-Zeitung Deutsche Stimme. Sein Bruder Marten betreibt in der Falkenstraße im Stephani-Quartier den Szeneladen "Sportsfreunde", in dem in der Szene beliebte Accessoires angeboten werden. Hannes Ostendorf schließlich ist Sänger bei "Kategorie C - Hungrige Wölfe".
Einer der Hits von "KC" ist "Deutschland, dein Trikot" in dem Ostendorf intoniert: "Deutschland, dein Trikot / Das ist schwarz und weiß / Doch leider auch die Farben deiner Spieler." In einem Videoclip zu ihrer aktuellen CD "Deutsche Jungs" spricht die Band über ein Lied zur Fußball-Europameisterschaft in Polen: "Ostdeutschland", betont Frontmann Hannes Ostendorf. Ostendorf sagt auch, welcher neuer Song ihm persönlich besonders gefällt: "Antifa - Halts Maul". Schon eine Woche zuvor, am Samstag vor Pfingsten, konnte diese Szene an der Weser ungestört feiern. Auf dem Veranstaltungsschiff "De Liefde", das seinen Liegeplatz in Woltmershausen hat, kamen Hooligans und Neonazis zusammen. In einer Mail hatte der Marketingverband der Schlachte anliegende Gastronomen noch im Vorfeld vor einer Feier der rechten Gruppe gewarnt. Auch Eduard van der Velden erhielt die Mail. Der Niederländer ist Kapitän und Eigner des Veranstaltungsschiffes "De Liefde". Um 19 Uhr, berichtet van der Velden, kamen die ersten Gäste auf seinen Dreimaster. Ihnen habe er die Mail gezeigt. Die jungen Männer gaben aber vor, nichts damit zu tun zu haben. Erst später wird ihm klar, dass dieser "Fanclub" es war, vor dem gewarnt wurde. "Nach einiger Zeit tauchten junge Männer in gelben T-Shirts auf. ,Nordsturm - fünf Jahre' stand darauf", erzählt van der Velden. Immer mehr kahl geschorene Figuren seien aufgetaucht - insgesamt 80 Gäste, schätzt van der Velden. Laut Augenzeugen mit an Bord: Einige bekannte Neonazis, darunter NPD-Kader Daniel Fürstenberg und Henrik Ostendorf.
Mit einem Reisebus waren auch Gäste aus Essen angereist. Ein Beobachter vermutet, dass es Mitglieder der "Alten Garde" waren, einer Hooligantruppe, zu der die Bremer eine "Fanfreundschaft" pflegen. Bis vier Uhr morgens feierten sie, "mit viel Bier und Gegröle", berichtet der Schiffseigner.
Andere konnten wegen dieser Partygäste nicht wie geplant feiern. In Rufweite, unter der Stephanibrücke, sollte am selben Abend eine Technoparty mit überwiegend links-alternativem Publikum stattfinden. Noch rechtzeitig bekamen die VeranstalterInnen mit, in welcher Nachbarschaft sie gefeiert hätten. Aus Angst vor Angriffen verlegten sie die Party kurzerhand auf die Brachfläche hinter dem Güterbahnhof.
Die Polizei beobachtete die Rechten, schritt aber nicht ein - möglicherweise verfügte sie nicht über ausreichende Kräfte. "Schlecht benommen haben sie sich nicht", sagt van der Velden über seine unwillkommenen Gäste. Trotzdem fühlt er sich getäuscht. Das habe er seinen Gästen auch gesagt - "nicht einfach, vor so viel Testosteron". Für die Zukunft sei er "sensibilisiert".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken