„Breitbart“ in Deutschland: Ein Fake ist ein Fake ist ein Fake
Aktivisten von „Hooligans gegen Satzbau“ haben das Internet verwirrt – und Nachhilfe in Sachen Quellencheck und Fake-News erteilt.
Eigentlich sollte das rechtspopulistische bis rechtsextreme US-Portal Breitbart im Januar in Deutschland und Frankreich starten. Man wollte die Bevölkerung „informieren“, wie Breitbart es schon vor der US-Präsidentschaftswahl getan hatte. Passiert ist das bisher allerdings nicht, denn viele der möglichen Domains sind bereits vergriffen.
Breitbartnews.de etwa befindet sich nicht in Populisten-Hand, sondern im Besitz eines Berliner Fotografen. Er sei über Trumps Wahlsieg erschrocken gewesen, sagte der Berliner, der namentlich nicht genannt werden will, der taz. Einen Grund für dessen Erfolg sehe er in der Breitbart-Berichterstattung. Deswegen habe er sich breitbartnews.de gesichert.
„Ich habe einfach versucht, einen kleinen Beitrag zu leisten, damit es der Populismus gerade auf der rechten Seite des politischen Spektrums vielleicht nicht ganz so einfach hat wie in den USA“, erklärt der Fotograf. „Ich wollte es Breitbart erschweren, unter dem eigenen Namen in Deutschland Fuß zu fassen.“
Nun leitet die Domain weiter auf eine Seite, die den Breitbärten gar nicht gefallen dürfte: Besucher landen auf hogesatzbau.de, der Seite der „Hooligans gegen Satzbau“. Die beiden linken Politaktivisten haben ihren Namen zwar angelehnt an die „Hooligans gegen Salafisten“, aber bezeichnen sich selbst auf ihrer Website als „Online-Nachhilfeinstitut für meinungsmanipulierende, aufrechtdeutsche, retronaziske und patriotische Stimmungsmacher.“
Der Plan der „Hooligans“
Sie entlarven Falschmeldungen aus dem rechten Lager. 2016 wurden die selbsternannten „Hooligans“ dafür mit dem Smart Hero Award ausgezeichnet, in ihrem Shop verkaufen sie Shirts für „Volksfahrräder“. Seit über zwei Jahren betreiben sie die Website, schreiben – wie sie der taz berichten – „in der Bahn, an der Supermarktkasse oder auf dem Klo“.
Die „Hooligans“ haben die Weiterleitung nicht sofort bemerkt. Erst Ende Januar waren sie darauf aufmerksam gemacht worden und haben sich überlegt, was sie aus der Chance machen sollten. „Wir haben uns dann für eine kleine Lektion in Sachen Fake-News entschlossen“, sagen sie. Wenn Nachrichten ge- oder missfallen, seien die Reaktionen bei allen Menschen ähnlich. „Wir schalten unser Hirn aus und reagieren emotional. Teilen, liken, kommentieren, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken.“ Darauf wollen die Hooligans hinweisen, um eine Umdenken zu provozieren.
„Wir wollten uns allen einen kleinen Denkzettel verpassen, der uns daran erinnert, wie wichtig es ist, Quellen und vermeintliche Fakten kritisch zu hinterfragen“, erklärt die Organisation. Es gebe in der Hinsicht auf allen Seiten Nachholbedarf.
Das haben sie in den letzten Tagen ausgerechnet den Medien eindrucksvoll bewiesen: Am Donnerstag wurden von unterschiedlichen Nachrichtenportalen wie n-tv, Bayern 2 und der Rheinischen Post Online (RP Online) Berichte darüber veröffentlicht, dass die Domain nicht dem Portal Breitbart gehört, sondern Aktivisten. Breitbart dürfte die Domain nicht mehr so leicht bekommen.
„Linksfaschisten“
Am Freitag griffen die Macher der Facebook-Seite Breitbart Deutschland einen dieser Artikel auf. In Populisten-Manier änderten sie Foto, Überschrift und Teaser eines RP-Artikels und posteten ihn. Nun hieß es: „Wie linke Hetzer die Pressefreiheit aufhalten wollen“. Geteasert wurde mit „Linksfaschisten“.
RP Online merkte die Veränderung und berichtete über die Fälschung. Dabei übersahen sie jedoch – ebenso wie andere Medien – eines komplett: Die Facebook-Seite Breitbart Deutschland existierte erst seit eben jenem Freitag. Am Nachmittag folgte die Auflösung des ganzen Spiels: Die Facebook-Seite Breitbart Deutschland betreiben ebenfalls die „Hooligans gegen Satzbau“. Die Hooligans hatten Leser und Medien abermals hinters Licht geführt. Chapeau!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland