Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva: Schon mit einem Bein im Knast
Dem früheren Präsidenten Lula da Silva droht eine baldige Festnahme wegen Korruption. Seine Anwälte sprechen von politischer Verfolgung.
Bis Dienstagnachmittag war Lula noch auf freiem Fuß. Doch seine Lage ist bedrohlich. Der einst so populäre Präsident Brasiliens (2003 bis 2010), dessen Sozialpolitik als beispielhaft galt, ist Gegenstand mehrerer Ermittlungsverfahren wegen Korruption. Drei dieser Fälle sind von einem Richter angenommen worden, was bedeutet, dass Lula offiziell Angeklagter ist. Seit seine Nachfolgerin Dilma Rousseff im August in einem umstrittenen Amtsenthebungsverfahren endgültig abgesetzt wurde, steht er mit dem Rücken zur Wand.
Ende vergangener Woche wurde der dritte Prozess gegen den Politiker der Arbeiterpartei PT vor einem Gericht in der Hauptstadt Brasilia eröffnet. Laut Staatsanwalt soll Lula während und nach seiner Amtszeit Einfluss auf die staatliche Entwicklungsbank BNDES genommen haben, um Bauvorhaben des Unternehmens Odebrecht in Angola zu finanzieren.
Als Gegenleistung soll der Bauriese ihm und zehn Mitangeklagten umgerechnet rund 9 Millionen Euro Bestechungsgeld gezahlt haben. Bei einer Verurteilung wegen Geldwäsche, Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung drohen ihm bis zu 30 Jahren Haft.
Bestechungsgeld für Politiker und Parteien
Auch die beiden anderen Prozesse gegen Lula stehen im Zusammenhang mit dem riesigen Korruptionsskandal rund um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras. Dabei geht es um ein Kartell von Bauunternehmen, die durch Bestechung lukrative und überteuerte Aufträge von Petrobras und anderen Instanzen des Staates ergatterten. Das Bestechungsgeld floss in die Taschen korrupter Politiker und an politische Parteien aller Couleur. Gegen über 50 Abgeordnete und Senatoren – meist Unterstützer der neuen Regierung – wird ermittelt. Mehrere Politiker und Unternehmer sitzen hinter Gittern.
Lulas Verteidiger wie auch seine PT bezeichnen die vielfältigen Ermittlungen gegen den Expräsidenten als politische Verfolgung. Ziel sei es, nach Rousseff nun Lula und damit gleich die ganze Arbeiterpartei zu demontieren.
Obwohl Rousseffs Mitte-links-Regierung für die schwere Wirtschaftskrise und die Korruptionsfälle verantwortlich gemacht wird, führt Lula die Umfragen für das Rennen um die Präsidentschaft 2018 an. „Lula ist Opfer von Machtmissbrauch seitens eines Richters, der mit einigen Staatsanwälten unter einer Decke steckt und von den Medien hofiert wird“, erklärte Lulas Anwalt Cristiano Zanin, als er im August einen Schutzantrag gegen willkürliches Vorgehen der Justiz bei der UN-Menschenrechtskommission einreichte.
Die Anwälte und über 64 namhafte Juristen, die eine Petition zum Schutz des früheren Gewerkschafters unterzeichneten, monieren vor allem fehlende Beweise der Anklagen. Im ersten Prozess wird Lula Behinderung der Justiz vorgeworfen, wobei sich die Anklage lediglich auf die Kronzeugenaussage eines mitangeklagten früheren Senators stützt.
Illegale Vorteilsnahme
Im zweiten Verfahren geht es um die Renovierung eines Strandapartments durch die Baufirma OAS, die als illegale Vorteilsnahme durch Lula und seine Frau bezeichnet wird. Beide bestreiten, Eigentümer der fraglichen Immobilie zu sein. Bei der Gelegenheit nannte der ermittelnde Staatsanwalt Lula den obersten Chef des Korruptionsnetzwerks.
Als mehrfacher Angeklagter kann der 70-Jährige jederzeit mit der Begründung verhaftet werden, er behindere die Ermittlungen. Für denjenigen, die die Absetzung von Rousseff als parlamentarischen Staatsstreich bezeichnen und die neoliberale Wende unter ihrem früheren Vizepräsidenten Michel Temer als illegitim, ist es jetzt nur noch eine Frage der Zeit, wann Lula hinter Gitter kommt. Doch nur wenige rechnen damit, dass dies breiten Protest seines einstigen Anhängerschaft auslösen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!