Brandenburgs Landwirtschaft: Weniger Heuschrecken, mehr Kraniche

Der Ackerflächenverkauf an Investoren könnte bei Koalitionsverhandlungen in Brandenburg ein Thema werden. Regionalwert AGs wollen darauf nicht warten.

Auf diesem Getreidefeld des Ökodorfs Brodowin wachsen Mohn- und Kornblumen Foto: dpa

Für die kleinbäuerliche Landwirtschaft sind Aktiengesellschaften von Finanzoptimierern und Investmentfonds längst zu einer Plage geworden. Ihr Aufkauf von Ackerflächen vor allem in Ostdeutschland hat zu einer Explosion der Bodenpreise geführt, die normale Bauern nicht mehr bezahlen können.

Doch inzwischen schlägt die alternative Landwirtschaft mit gleichen Mitteln zurück. Derzeit gibt die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg Aktien aus, mit denen Schritte zu einer ökologischen Agrarwende finanziert werden. Bis zum 6. September läuft die Aktion zur Kapitalerhöhung, die eine Million Euro mobilisieren soll.

„Unser Ziel sind mehr ökologische und faire Lebensmittel aus Brandenburg und Berlin“, sagt Jochen Fritz, einer der beiden Vorstände der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg. Vor allem jungen und noch kapitalschwachen Unternehmen – nicht selten Hofgründungen von Berliner Stadtflüchtern – soll der Berufseinstieg erleichtert werden.

„Dazu statten wir die Betriebe mit haftendem Eigenkapital aus, indem wir uns direkt an den Unternehmen beteiligen“. Im Juli kam eine Brauerei für regionales und ökologisches Bier in einem Dorf in der Uckermark auf diesem Wege zu einer Kapitalspritze von 35.000 Euro. Im Herbst werden die Bauarbeiten am Hof Apfeltraum in Müncheberg-Eggersdorf, wo ein Zentrum für regionale Lebensmittelproduktion aufgebaut wird, begonnen.

Freiburg liegt vorne

Die Berlin-Brandenburger Regionalwert AG ist die fünfte in Deutschland, die erste im Osten. Das meiste Kapital hat mit 2,5 Millionen Euro die Regionalwert AG in Freiburg investiert. Hier wurde mit diesem Ansatz begonnen. Die Hamburger AG hat Beteiligungen über 700.000 Euro gezeichnet, Rheinland etwa 500.000 und Isar-Inn 220.000 Euro. Die Berlin-Brandenburger AG wird ihr Ziel, eine Million Euro einzusammeln, aber wohl nicht erreichen. Wenige Tage vor Abschluss der Aktien-Aktion lag die Summe der Verkäufe bei rund 500.000 Euro.

In der Politik scheint das Thema anzukommen. Kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg ließ die Fraktion der Grünen im Landtag ihren Entwurf für ein „Gesetz zur Verbesserung der Agrarstruktur“ von Experten kommentieren. „Mit dem Gesetz legen wir ein Leitbild vor, das eine regional verankerte und bäuerliche Landwirtschaft zum Ziel hat“, sagte Fraktionsvorsitzender Axel Vogel. Sollten die Grünen Teil der nächsten Landesregierung werden, möglicherweise mit Zugriff auf das Agrar- und Umweltressort, wird die Agrarwende zu einem Kernpunkt der Koalitionsverhandlungen werden.

Auch in Thüringen, wo im Oktober gewählt wird, spielt „Landgrabbing“ eine Rolle. „Wir werden den Ausverkauf unserer heimischen Landwirtschaft stoppen“, sagte Susanne Hennig-Wellsow, Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, am vergangenen Mittwoch und kündigte eine „Initiative zum Schutz der heimischen Landwirtschaft“ an. Die Preise für Acker- und Grünland stiegen kontinuierlich.

„Wir laufen Gefahr, dass die heimischen Landwirtschaftsbetriebe verdrängt werden“, sagt die Linken-Sprecherin. Thüringen will den Weg über den Bundesrat gehen, um Gesetzesänderungen zu erreichen.

Vorschläge für die Verhandlungen

Für die anstehenden Verhandlungen zur künftigen Agrarpolitik in Ostdeutschland hat Jochen Fritz von der Berlin-Brandenburger Regionalwert AG präzise Vorschläge. Immerhin war er jahrelang Organisator der Agrardemo gegen industrielle Landwirtschaft „Wir haben es satt“. Für Brandenburg schwebt ihm vor, dass die Flächen der Bodenverwaltungs- und -verwertungsgesellschaft des Bundes BVVG (Nachfolger der Treuhandanstalt für Agrarflächen) und die landwirtschaftlichen Flächen im Besitz des Landes Brandenburg in eine landeseigene Bodengesellschaft eingebracht werden sollten, wie es bereits in Sachsen-Anhalt der Fall ist.

„Für diese Gesellschaft darf nicht mehr das Verpachten nach höchstem Gebot gelten, sondern junge Betriebe, Bio-Betriebe und kleinere bis mittlere Betriebe sollten den Vorrang bekommen“, schlägt Fritz vor, ebenso ortsansässige Landwirte. Und Grundlage sollten „konzeptionelle Ausschreibungen“ sein und nicht wie bisher solche Ausschreibungen, bei denen einfach der Interessent mit dem höchsten Gebot gewinnt.

Es solle zudem kein weiteres landeseigenes Land mehr verkauft werden dürfen, bevor es nicht ein „Leitbild für die Zukunftsfähige Landwirtschaft in Brandenburg“ gibt. Das aber fehle von der politischen Seite derzeit.

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