Brandanschlag auf Roma: Rechts angehauchter Hitlergruß
Fünf Männer verübten einen Brandanschlag auf Wohnwagen von Roma. Die Anklage sieht versuchten Mord, die Männer nur eine „Dummheit“.
„Wenn man nach Bildern auf dem Handy geht“, sagte denn auch einer der Angeklagten, „könnte man bei uns jeden zweiten im Dorf was reindrücken“. Wohlgemerkt: Das Bild, dass das Gericht kurz zuvor an die Wand hat werfen lassen, zeigte die Angeklagten, wie sie eine schwarz-weiß-rote Fahne mit der Aufschrift „Deutschland – Meine Heimat“ hielten und den Hitlergruß zeigten.
Ja, und die Roma, die für zwei Wochen auf einer Wiese in Erbach-Dellmensingen ihr Lager aufgeschlagen hatten, die seien im Dorf schon Gesprächsthema Nummer eins gewesen. Die Leute hätten sich sehr darüber aufgeregt. Aber: „Man sollte schon unterscheiden zwischen einem, der rechts angehaucht ist oder der Vollblutnazi ist“, forderte der Angeklagte. Heutzutage werde man ja schon beschimpft, „wenn man die Deutschlandfahne im Garten hängen hat“.
„Ihr seid nicht willkommen in Deutschland!“
Die Faktenlage ist weitgehend unbestritten. Staatsanwalt Patrick Bader fasste sie zu Prozessbeginn in seiner Anklage zusammen: Demnach ließ sich im Mai 2019 eine Gruppe von rund 30 Roma mit ihren 18 Wohnwagen auf besagter Wiese in dem Erbacher Ortsteil südwestlich von Ulm nieder.
Am 24. Mai 2019, so die Anklage, seien die fünf Männer – damals im Alter von 17 bis 20 Jahren – kurz nach 23 Uhr mit einem VW Polo zu der Wiese gefahren, auf dem Beifahrersitz: Leo B. Am Ziel angekommen habe dieser aus dem fahrenden Auto heraus eine brennende Fackel in Richtung eines der Wohnwagen geworfen. In dem Wohnwagen schlief zu dieser Zeit eine junge Frau mit ihrem neun Monate alten Sohn. Die Frau tritt in dem Prozess als Nebenklägerin auf.
Während der Aktion hätten die Angeklagten aus dem Auto heraus noch gerufen: „Ihr seid nicht willkommen in Deutschland, ihr Zigeuner!“ Zwei der Angeklagten können sich sogar noch präziser erinnern: „Verpisst euch, ihr Wichser“ hätten sie geschrien und „Haut ab, ihr Zigeuner“.
Glücklicherweise verfehlte B. den Wohnwagen mit seinem Wurf. Die Fackel schlug ein bis zwei Meter von dem Wagen entfernt auf. Und konnte von Bewohnern der übrigen Wohnwagen schnell entfernt werden, so dass niemand zu Schaden kam.
Der Vorwurf: gemeinschaftlich versuchter Mord
Nach Meinung der Staatsanwaltschaft hätte der Angriff jedoch verheerende Folgen haben können, wenn die Fackel den Wohnwagen getroffen hätte. Sie fordert deshalb, die jungen Männer wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung zu verurteilen. Da vier der Angeklagten zum Tatzeitpunkt bereits volljährig waren, könnte eine solche Verurteilung sehr lange Haftstrafen für sie bedeuten. Sie sitzen seit 10. Juli des letzten Jahres in Untersuchungshaft. Der zur Tatzeit 17-jährige fünfte Angeklagte wurde nach fünf Wochen wieder aus der Untersuchungshaft entlassen.
Für die Ermittler steht außer Frage, dass die Tat heimtückisch geplant und keineswegs spontan war. So hätten die Angeklagten schon in den Tagen zuvor versucht, die Roma aus dem Ort zu vertreiben. Einmal hätten sie ein Schild mit der Aufschrift „Not welcome“ in der Nähe der Wohnwagen aufgestellt, darunter stand in Anspielung auf die Postleitzahl von Erbach: „155 = Bleibt deutsch“. Außerdem hätten sie einen toten Schwan neben die Wagen gelegt und schließlich eines Nachts einen Knallkörper zwischen die Wohnwagen geworfen.
Die Männer wollen nur eine „Dummheit“ begangen haben
In der Bewertung der Tat gehen die Meinungen dann doch erheblich auseinander. Die jungen Männer sprechen lediglich von „Mist“, den sie da gebaut hätten, wahlweise auch von „Scheiß“, „Dummheit“ und „Sauerei“. Sie hätten sich halt nicht viel Gedanken gemacht. Aber letztlich sei das doch alles nur ein Spaß gewesen. Und man sei sich einig gewesen, dass man ja auf keinen Fall einen Wohnwagen mit der Fackel treffen, sondern sie nur in die Wiese werfen wolle. Einen Schrecken habe man den Roma eben einjagen wollen.
Als „Idee, eine Art Statement zu setzen, um die Roma-Familien zur Abreise zu bewegen“, bezeichnete es einer der Angeklagten. „Was hatten Sie denn gegen sie?“, fragte darauf der Vorsitzende Richter Michael Klausner. „Uns war das ein Dorn im Auge, dass gerade bei uns im Dorf eine Roma-Familie sich niederlässt. Ich war da auch ein bisschen von Vorurteilen geleitet.“
„Zigeuner“, das seien halt eine Gruppe, die stiehlt und bettelt. Während der Untersuchungshaft habe er zwar viel dazu gelernt und denke heute nicht mehr so. „Rechtsoffen“ sei er aber schon noch. Und was er darunter verstehe? „Für mich ist rechtsoffen schon, wenn man der AfD gegenüber sympathisch ist. Wenn man die Flüchtlingspolitik kritisch beäugt.“
Nicht die erste Tat
Aufgefallen sind die Angeklagten freilich schon früher. Sowohl ihre Gesinnung als auch ihre Gewaltbereitschaft war bekannt. Das belegt auch ein Vorfall vom April 2018, an dem drei von ihnen beteiligt waren – und der in einem anderen Verfahren verhandelt wird. Die drei saßen mit anderen jungen Männern im Regionalexpress 4235 von Ulm nach Erbach. Während der Fahrt sollen sie rechtsradikale Parolen gegrölt haben, unter anderem: „Deutschland den Deutschen!“ Die Bitte eines Mitfahrenden türkischer Abstammung, sich doch zu mäßigen, ignorierten sie. Als der Mann in Erbach mit seinem Fahrrad ausstieg, sollen ihm einige aus der Gruppe gefolgt sein. Nach Aussage des Mannes hielt ihn einer von ihnen von hinten fest, ein anderer schlug ihn mit der Faust ins Gesicht. Außerdem hätten die Angreifer sein Fahrrad und seine Brille auf die Gleise geworfen.
Der Mann, der zuschlug, soll Dominik O. gewesen sein, aber auch Robin D. und Leo B. sollen an der Tat beteiligt gewesen sein. Nach Aussage zweier der Angeklagten, sei es jedoch der Mitreisende gewesen, der Streit gesucht habe. Er habe sie grundlos als „Scheiß-Deutsche“ beschimpft und habe dann Dominik O. attackiert. Mehmet Daimagüler, der die Nebenklage vertritt, beantragte nun, das mutmaßliche Opfer der Bahnhofattacke auch in diesem Verfahren als Zeugen zu hören.
Mit der Arbeit der Ermittler ist Daimagüler in diesem Verfahren recht zufrieden. „Ich fand es sehr gut, dass die Polizei angesichts der Hinweise von Anfang an auch stark in Richtung einer hasskriminell motivierten Tat ermittelt hat“, sagt der Anwalt. In ähnlichen Fällen werde das ja oft abgetan – nach dem Motto: Da haben halt ein paar besoffene Jugendliche Stunk gemacht. In anderen Verfahren müsse er beim Studium der Ermittlungsakten regelmäßig nur den Kopf schütteln; diesen Moment habe es hier bisher aber noch nicht gegeben.
Auch habe die Polizei allem Anschein nach sehr gründlich gearbeitet und auch beschlagnahmte Handys und Festplatten sorgfältig ausgewertet. Auf den Speichermedien fand sich neben dem Bild des Hitlergrußes weiteres Material, das nach Daimagülers Ansicht auf eine rassistische Gesinnung der Angeklagten deutet. Das Verfahren ist bis Ende September angesetzt.
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