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Brandanschlag auf ObdachlosenDoch kein versuchter Mord?

Vor einem halben Jahr hatten Jugendliche in Berlin neben einem Obdachlosen Feuer gelegt. Die Haftstrafen fielen teils milder aus als von der Staatsanwaltschaft gefordert.

Die Anklage lautete „versuchter Mord“; das Gericht urteilte nun: „versuchte Körperverletzung“ Foto: dpa

Berlin dpa | Knapp ein halbes Jahr nach der Feuerattacke gegen einen schlafenden Obdachlosen in einem Berliner U-Bahnhof ist der Haupttäter zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Das Berliner Landgericht ließ in seinem Schuldspruch am Dienstag den Vorwurf des versuchten Mordes fallen und verhängte die Strafe gegen den 21-Jährigen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die Attacke hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.

Drei 17 bis 18 Jahre alte Mitangeklagte wurden wegen Beihilfe zu Jugendstrafen von jeweils acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zwei weitere Angeklagte im Alter von 16 und 19 Jahren bekamen wegen unterlassener Hilfeleistung jeweils vier Wochen Arrest und müssen gemeinnützige Arbeit leisten.

Versuchte gefährliche Körperverletzung wiegt aus juristischer Sicht nicht so schwer wie versuchter Mord. Diesen Vorwurf hatte die Staatsanwaltschaft gegen die sechs jungen Männer erhoben. Für den 21-Jährigen hatte die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Mordes vier Jahre Haft gefordert. Dem folgte das Gericht nun nicht.

Den Flüchtlingen aus Syrien und Libyen war vorgeworfen worden, in der Weihnachtsnacht 2016 den Obdachlosen angezündet zu haben. Fahrgäste löschten die Flammen, der ahnungslose Mann aus Polen blieb unverletzt. Die Angeklagten hatten im Prozess einen Tötungsversuch zurückgewiesen.

Dass der Fall so rasch aufgeklärt wurde, lag auch an Aufnahmen aus Videokameras

Der 21-Jährige gab aber zu, ein Taschentuch in Brand gesteckt zu haben, er habe den Mann aber „nur durch ein kleines Feuerchen aufschrecken wollen“. Seine Begleiter erklärten, sie hätten mit der Tat nichts zu tun. Ein siebter Mitangeklagter war bereits zuvor zu zwei Wochen Jugendarrest wegen unterlassender Hilfeleistung verurteilt worden.

Dass der Fall so rasch aufgeklärt wurde, lag auch an Aufnahmen aus Videokameras. Nach der Veröffentlichung von Bildern stellten sich die meisten Verdächtigen. Zu erkennen war auf den Aufnahmen, dass die jungen Männer vom Tatort flohen, ohne sich um den Obdachlosen zu kümmern.

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1 Kommentar

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  • Da den Angeklagten nicht unzweifelhaft ein Mordversuch nachgewiesen werden konnte, ist das Urteil richtig.

     

    Die Geringschätzung eines Menschen in einer besonders prekären Lebenssituation, die sich in dieser Tat zeigte, ist dennoch erschreckend. Mitgefühl und Nächstenliebe scheinen bei den Tätern nicht vorhanden gewesen zu sein. Auch die Einlassungen der Angeklagten sind erhellend: da zeigte sich kein Schuldeingeständnis oder gar Reue.