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Brandanschlag auf Moschee in StuttgartEin Echo aus der Türkei

Nach der Attacke deutet viel darauf hin, dass die Täter aus dem PKK-Umfeld stammen. Migrantenverbände warnen vor kurdisch-türkischen Spannungen.

Überwachungskameras zeichneten auf, wie Unbekannte Molotowcocktails ins Gebäude warfen. Foto: dpa

Berlin taz | Das Video der Überwachungskamera zeigt, wie vier vermummte Männer eine Scheibe einschlagen und Brandsätze in das Gebäude werfen. Im Stuttgarter Stadtteil Feuerbach vermietet der Ditib-Moscheeverein Räume für Geschäfte und Restaurants, auch eine Bücherei befindet sich hier. Sie wurden in der Nacht zum Dienstag durch den Brand zerstört, die Polizei beziffert den Sachschaden auf 80.000 Euro.

Im Internet bekennt sich am Mittwoch ein „Baran-Dersim-Rachekommando“ zu dem „Angriff mit Molotowcocktails“, wie es auf der Webseite rojaciwan.com heißt. Die Gruppe kündigt weitere Anschläge gegen türkische Einrichtungen an, solange der seit 16 Jahren in der Türkei inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan nicht freigelassen werde.

Die Polizei prüft noch, ob das Bekennerschreiben echt ist. Am Abend vor dem Anschlag habe es aber am anderen Ende der Stadt eine Spontandemo von etwa 25 Kurden vor dem türkischen Konsulat gegeben. Nicht auszuschließen sei, dass die Spur in diese Richtung weise.

Auch der Sprecher von Civaka Azad, des Kurdischen Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit, sagte der taz, er gehe davon aus, dass es sich um „kurdische Jugendliche“ gehandelt habe. Eine Verantwortung der verbotenen PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) schloss er aus, denn die PKK habe die „ganz klare Linie, in Europa keine gewaltsamen Aktionen“ zu verüben, er vermute eine „spontane Tat“. Der Name der Gruppe, die sich nach einem verstorbenen PKK-Kämpfer benannt hat, deutet aber zumindest auf PKK-Nähe hin.

Stuttgarter Kurdenvereine verurteilen die Tat

Entsetzt reagierte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „So was sind abscheuliche Taten“, sagte er. Man werde alles tun, um die Täter zu ermitteln. Mehrere kurdische Vereine in Stuttgart verurteilten den Anschlag. Hetav Tek von Komkar, dem überregionalen Verband der Vereine aus Kurdistan, sagte: „Gotteshäuser dürfen niemals zur Zielscheibe werden, und Gewalt lehnen wir aus Prinzip ab.“ Sie sprach von einer „Provokation“.

Doch sie befürchtete, dass der Konflikt aus der Türkei nach Deutschland ausstrahlen und Auseinandersetzungen zunehmen könnten. „Es braucht einen langfristigen Dialog zwischen türkischen und kurdischen Verbänden, religiösen und nichtreligiösen“, forderte Tek. Die deutsche Politik solle das unterstützen.

Im Südosten der Türkei geht die türkische Armee derzeit mit großer Härte gegen die PKK vor. 24 Menschen wurden dort in den letzten Tagen getötet, darunter mindestens ein Zivilist. Über mehrere Gebiete wurde eine Ausgangssperre verhängt, darunter im Viertel Sur in der Stadt Diyarbakır. Mehr als 10.000 Bewohner haben das Viertel wegen der Kämpfe dort verlassen.

Schon im September warnte das Landeskriminalamt vor Militanz von PKK-Anhängern

Schon im September warnte das Landeskriminalamt in einem Lagebericht, auch in Deutschland sei „in Teilen der PKK-Anhängerschaft die Bereitschaft“ erkennbar, „militante direkte Aktionen“ zu planen.

Im September hatten Unbekannte in Münster versucht, mit Molotowcocktails das türkische Generalkonsulat in Brand zu setzen. Anfang Dezember wurde die türkische Botschaft in Stuttgart mit Farbbeuteln beworfen. Und erst am Donnerstag stürmten 15 kurdische Demonstranten den Landtag in Düsseldorf und veranstalteten eine Sitzblockade.

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12 Kommentare

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  • Aufgrund der Angriffe der Militärs und Nationalisten in der Türkei auf Kurden kann das sein, wie bei dem Angriff auf eine Moschee in Bielefeld vor ein paar Monaten.

    Da aber Graue-Wölfe und DITIB dann diesen emotional aufgeregten Kurden (?) egal sind, ist das sehr schlecht.

    Moscheen sind immer auch soziale Treffpunkte.

    Das ist Terrorismus und das hilft nicht bei der Aufhebung des PKK-Verbots.

     

    Die Kritik an Erdogan und an der Willfährigen Kumpanei mit ihm durch die BReg sollte auf vielen Wegen angeprangert und bekämpft werden, aber bitte keine Moscheen anzünden.

  • Komisch. Kaum sind einmal nicht Nazispacken die Täter, tauchen sogleich Überwachungsfotos auf. Solche gab es bei Dutzenden Brandanschlägen aus dem rechten Spektrum nicht, auch nicht bei den Morden von NSU. Schon interessant, was im Schland so abgeht.

  • Keine Sympathie für Terroristen, aber auch keine für Staatsterroristen! Soweit ich das mitbekommen habe, waren die Kurden gesprächsbereit mit dem türkischen Staat - sogar die PKK.

     

    Wenn aber Erdogan und seine Schergen nicht nur gegen die PKK, die Kurden allgemein sondern auch gegen

    die HDP polizeilich oder militärisch intervenieren, wen soll es da wundern, daß die PKK zurückschlägt? Eigentlich kann man es ihr gar nicht verdenken.

     

    Es ist so ähnlich wie damals in Nordirland mit der IRA. Gegründet als wehrhafte Freiheitorganisation gegen des imperialistische England, haben sie sich zwangsläufig selbst in eine Terrorvereinigung verwandelt. Aber im Krieg oder Terror/Antiterror verrohen die Sitten und die gegnerischen Seiten unterscheiden sich durch nichts mehr. Da nutzt auch die Frage nicht mehr, wer angefangen hat, sondern es ist nur erheblich, wer endlich ein Einsehen hat und mit dem Morden aufhört.

  • So unangenehm das sein mag, aber wenn Merkel jemanden wie Erdogan mit Mio unterstützt, dann ist es auch legitim, dass die in Deutschland lebenden Kurden ihre Ablehnung dagegen deutlich zeigen.

     

    Angesichts des Mordens von Erdogans Armee gegen die Kurden, darf sich da kein Deutscher wundern, wenn der Konflikt bei dieser Kanzlerin in die BRD hineingetragen wird.

    • @Age Krüger:

      Legitim ist es nicht, aber logisch.

    • @Age Krüger:

      Wie bitte? Weil die Kurden ein Problem mit Erdogan haben sind Brandanschläge gegen Türken legitim?

       

      Respekt, mit so einer Meinung sind Sie vermutlich sogar der AfD zu weit rechts, sowas schafft heutzutage kaum jemand mehr.

    • @Age Krüger:

      Wollen Sie damit andeuten, dass das Anzünden von Moscheen, Kirchen und Synagogen eine legitime Form politischer Bekundungen ist???

      Dann allerdings muss ich meinen Kalender umstellen. Wir haben den ... 10. November 1938.

      • @Jakob Bauer:

        Die Moschee scheint ja eher als Symbol für die Türkei zu stehen.

         

        Von Legitimität dieser Aktion habe ich kein Wort gesagt, ich habe nur den Pro-Erdogan-Kurs der deutschen Regierung kritisiert.

        • @Age Krüger:

          Sie haben unter einem Artikel über einen Brandanschlag darüber geschrieben dass es legitim ist wenn eine Ablehnung deutlich gezeigt wird.

           

          Das nicht in Zusammenhang mit dem Artikel verstanden zu wissen wollen ist schon fast albern.

           

          Sie haben Recht, völlig isoliert ist Ihr Kommentar nicht zu beanstanden. Im Zusammenhang mit dem Artikel definitiv. Wenn ich schreibe dass "sich zeigt dass am Ende jeder das bekommt was er verdient" ist das eine völlig legitime Meinung über Karma. Schreibe ich diesen Kommentar unter einen Artikel über die Opfer der Anschläge von Paris wird aus der Meinungsäußerung etwas abscheuliches. Korrigieren Sie mich bitte falls Sie das anders sehen.

          • @Questor:

            Ich gebe Ihnen insofern Recht, als die Zeiten in der BRD leider vorbei sind, in denen man sich nicht sofort von jeder Gewalttat erstmal distanzieren musste.

             

            In den Zeiten meiner jugendlichen politischen Sozialisation konnte man noch über die Rolle Schleyers unter Heydrich diskutieren ohne das jeder gleich meinte, man begrüße seine Ermordung durch die RAF. Bzw. war sowas nur ziemlich reaktionären Klotzköpfen vorbehalten, die zwischen Baader und Böll keinen Unterschied sahen.

      • @Jakob Bauer:

        Die Wuppertaler Richter, die den Brandanschlag auf eine Wuppertaler Synagoge im Jahr 2014, begangen von palästinensische Jugendlichen, nicht als antisemitische Tat bewertet hatten, sondern als Protest gegen den Gazakrieg, scheinen dieser Ansicht zu sein.

        "Tage zuvor hatte ein Maskierter „Free Palestine“ („Freies Palästina“/„Befreit Palästina“) an die Wand der Synagoge gesprüht. "

        http://taz.de/!5021293/

        • @Nicky Arnstein:

          Es gibt keinen Grund zur Annahme, daß diese Richter über weniger Urteilskraft verfügten als Sie, lieber Kollege NICKYARNSTEIN. Zumindest spricht deren ausgeprägtere Fähigkeit zur Differenzierung klar für die Wuppertaler Beurteilung.