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„Bragida“ am 9.NovemberDie Rechten waren schneller

Nazis haben Vorrang: Zum Gedenken an die Judenpogrome vom 9. November dürfen Nazigegner nicht vors Braunschweiger Rathaus.

9. November in Braunschweig? Hier ein Bild von Pegida aus Dresden Foto: ap

Braunschweig epd | Das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts darf am 9. November nicht so wie geplant an die Judenpogrome vor 77 Jahren erinnern. Die Stadtverwaltung untersagte den Nazi-Gegnern mit Verweis auf eine gleichzeitig angekündigte Versammlung des örtlichen „Pegida“-Ableger „Bragida“ die beantragte Demonstrationsroute durch die Innenstadt.

Laut der dem Evangelischen Pressedienst vorliegenden Verfügung der Kommune vom Montag darf das Bündnis auch keine Kundgebung auf dem zentralen Platz der Deutschen Einheit abhalten. Es muss auf den Domplatz ausweichen. Sprecher des Bündnisses reagierten am Dienstag mit scharfer Kritik auf die Anordnung der Verwaltung.

Die Stadt begründet ihre Entscheidung mit dem sogenannten Erstanmelder-Privileg von „Bragida“. Diese Organisation habe am 21. Oktober eine knappe Stunde vor dem Bündnis gegen Rechts eine Kundgebung auf dem Platz der Deutschen Einheit mit 300 Teilnehmern und eine Demonstration angezeigt. Das Bündnis gegen Rechts hat 500 Teilnehmer angekündigt.

Aufgrund einer Gefahrenprognose der Polizei reiche der Versammlungsort „unter Berücksichtigung der sicherheitstechnischen Sperrmaßnahmen“ für beide Veranstaltungen nicht aus, heißt es in der Verfügung. In den vergangenen Monaten waren „Bragida“-Anhänger und Gegendemonstranten in Braunschweig mehrmals aneinandergeraten. „Bragida“ hat in der Stadt bislang rund 30 Demonstrationen und Kundgebungen abgehalten.

Nazis direkt vor dem Rathaus

„Ausgerechnet am Gedenktag an die Reichspogromnacht dürfen in Braunschweig nun also Wutbürger, Nazis und rechte Hooligans direkt vor dem Rathaus auftreten und ihre Hassreden halten und wir müssen mit unserer Kundgebung zur Mahnung an die Verbrechen des Faschismus weichen“, kritisierte Bündnis-Sprecher David Janzen.

Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller kritisierte die Entscheidung der Stadt Braunschweig ebenfalls. Der 9. November sei ein Erinnerungstag an den Auftakt zur Vernichtung der deutschen und europäischen Juden vor 77 Jahren, sagte er. „Da haben Neonazis, Rechtspopulisten, Rassisten und Hooligans am zentralen Platz der Stadt nichts zu suchen – sonst übrigens auch nicht.“

Das Bündnis gegen Rechts will die Auflagen der Stadt allerdings nicht juristisch anfechten. Es gehe dem Bündnis vielmehr um eine politische Diskussion über das „fatale politische Signal“, dass von dieser Entscheidung ausgehe, sagte Janzen.

Ebenfalls am Dienstag kündigte die Stadt eine weitere Gedenkveranstaltung für den 9. November an. An der Gedenktafel für die ehemalige Braunschweiger Synagoge wollen Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD), die Fraktionen im Rat, die Jüdische Gemeinde Braunschweig, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die Deutsch-Israelische Gesellschaft sowie die Gewerkschaften Kränze niederlegen. Auch an vielen anderen Orten Niedersachsens erinnern Menschen an diesem Tag an die Judenpogrome.

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8 Kommentare

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  • Polizei, Justiz und Verwaltung zeigen uns täglich, wessen geistig Kind sie in Wirklichkeit sind! Schließlich sind sie aus Hitlers Asche empor gegangen.

    • @amigo:

      Und die meisten Teilnehmer des Bündnis gegen Rechts sind aus den Menschen hervorgegangen die Hitler an die Macht gebracht haben. Ich übrigens auch. Was sagt das Ihrer Meinung nach über uns aus?

       

      Der Rechtsstaat muss eine Neutralität wahren. Genausowenig wie ein linker Aktivist zum Bürger zweiter Klasse gemacht werden darf sollte man auch den Wutbürger nicht wegen seiner politischen Ausrichtung diskriminieren - sofern sie damit nicht gegen ein Gesetz verstößen. Man darf diese Leute für ihre Meinung verachten, aber man muss ihnen die Äußerung dieser zugestehen. Was Sie da implizit fordern wäre - so gut Sie es im aktuellen Fall auch meinen - ein Angriff auf den Rechtsstaat und der erste Schritt zur Legitimierung eines sehr viel hässlicheren Deutschlands. Denn ein solches Gesetz kann dann auch ohne Probleme in die andere Richtung schwingen.

      • @Questor:

        Der Rechtsstaat ist aber leider nicht neutral. Zu gern knüppelt er linke Demonstranten nieder, während er rechten Dumpfbacken stets freundlichst Geleit gewährt.

  • Passt doch zur neuen Atmosphäre in diesem Land. Juden und Israelis werden angepöbelt, angespuckt und verprügelt, da ist es ja logisch, dann man den Nazis und Antisemiten Vorrang gibt, statt den den Holocaust einleitenden Judenpogromen zu gedenken.

  • Statt bei Pegida und ähnlichen Gruppen von "Wutbürgern" zu reden, sollte besser das Wort "Hassbürger" stehen. "Wutbürger" ist von den Medien schon für die Stuttgarter Bürgerbewegung gegen S21 vergeben worden, für Demokraten die ihre demokrtischen Rechte auch mal intensiv ausübten und gegen deren Selbsteinschätzung. "Hassbürger" bezeichnet die Demokratie und fremdenfeindliche negative Qualität der Proteste aus dem rechten Spektrum treffender und deutlicher.

    MfG R.Muth

    • @Reinhard Muth:

      Sehr sinnvoll. Sehe ich auch so.

  • Braunschweig - eine der Silben trifft ja ganz gut

    • @Erhard Steinhaus:

      Es sollte zum Imperativ der Demokraten werden: Braun: Schweig!!!