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Box-Weltmeisterin Dilar KisikyolFeuer im Herzen

Dilar Kisikyol war ein schüchterner Teenager mit schlechten Schulnoten. Am Wochenende verteidigte sie ihren Boxweltmeister-Titel im Leichtgewicht.

Hat am Samstag ihren Weltmeister-Titel erfolgreich verteidigt: Dilar Kisikyol Foto: P2M Boxpromotion

Kürzlich hielt Dilar Kisikyol ein Foto von sich als 15-Jährige in der Hand. „Damals war ich ein schüchternes Mädchen mit schlechten Schulnoten“, fiel ihr beim Betrachten auf. Kurze Zeit nach dem Schnappschuss entdeckte sie das Boxen für sich. „Und das hat mein Leben verändert“, sagt die heute 32-Jährige.

Der Sport wurde zum Mittelpunkt ihres Lebens, ihr Fleiß zahlte sich aus: Auf mehrere Medaillen im Amateurbereich folgte 2019 der Sprung ins Profitum. Dort hält sie seit rund eineinhalb Jahren den Weltmeister-Titel im Leichtgewicht.

Viel Fleiß brachte die Hamburgerin auch nun wieder auf, um ihren Titel am vergangenen Samstag in Stralsund zu verteidigen: Zwölf Wochen lang trainierte sie zwei Mal täglich zur Vorbereitung auf den Kampf gegen die erfahrene Argentinierin Marisa Gabriela Nunez. Es zahlte sich aus: Einstimmig nach Punkten bezwang Kisikyol die acht Jahre ältere Nunez. Diszipliniert und technisch sauber ließ Kisikyol ihrer Gegnerin kaum eine Chance.

Zunächst sah es nicht danach aus, dass Boxen zu ihrer großen Leidenschaft werden wird: Ihre Eltern hatten gewollt, dass sie wie ihre drei Geschwister ein Musikinstrument lernt. „Meine Mutter hat gesagt, Boxen ist nichts für Mädchen, aber ich wollte es ausprobieren“, sagt Kisikyol.

Ein Gefühl von Selbstwirksamkeit

Als sich zeigte, dass sie kein Talent fürs Klavierspielen hatte, durfte sie mit 16 doch noch mit dem Boxen anfangen. Die erste Trainingsstunde habe sie schockiert: Sie war die einzige Frau im Training. Sie ließ sich jedoch nicht abschrecken. „Ich habe mich durchgeboxt“, sagt sie mit einem Lachen. Das passe auch zum Vornamen, den ihr ihre Eltern gegeben haben: „Dilar“ bedeutet im Kurdischen Feuerherz. „Damit haben sie mir meine Zukunft praktisch schon in die Wiege gelegt“, sagt Kisikyol.

Doch auch als gestandene Profi-Weltmeisterin hat es Kisikyol noch immer nicht leicht. Nicht nur der Amateursport, auch das Profiboxen ist männerdominiert. Während Boxer hohe Kampfbörsen erhalten, sieht das bei Boxerinnen anders aus. „Im Frauenboxen steckt viel weniger Geld“, sagt Kisikyol. Neben ihrem eigenen Training gab sie Sportkurse. Das sei herausfordernd und eine ständige Doppelbelastung gewesen. Erst seit einigen Monaten kann sie einzig vom Profiboxen leben.

Doch geht es der studierten Sozialarbeiterin beim Boxen nicht nur um den sportlichen Wettkampf und darum, ihren Lebensunterhalt zu verdienen: In mehreren Projekten engagiert sie sich für andere. Ihre eigene Initiative „Du kämpfst“ soll Mädchen durch gemeinsames Boxtraining zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen. „Ich will Frauen Mut machen“, sagt Kisikyol. Einmal habe ihr eine achtjährige Teilnehmerin ein Bild gemalt und gesagt: „Dilar, du bist meine Heldin.“ Wenn sie sehe, wie sich die Kinder durch das Training mehr zutrauen, freut Kisikyol das: „Da merke ich, das ist nicht nur mein Kampf.“

Beim Hamburger Sportbund trainiert sie zusammen mit Parkinson-Patientinnen. Sie habe gemerkt, wie viel Spaß die Frauen daran haben. „Das gibt ihnen ein Gefühl von Selbstwirksamkeit“, sagt die Profiboxerin. Darüber hinaus setzt sie sich für Inklusion und Gewaltprävention ein. Bei der Initiative German Dream, die sich für demokratische Werte und Vielfalt stark macht, ist sie Wertebotschafterin. „Das Boxen hat mich sportlich und menschlich zu meiner besten Version gemacht“, sagt Kisikyol. Diese Erfahrung möchte sie anderen auch ermöglichen.

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