WM-Kampf im Frauenboxen: Schlag auf Schlag in andere Zeiten

Die deutsche Boxerin Nina Meinke fordert in Puerto Rico Superstar Amanda Serrano heraus. Es ist auch ein Kampf um Gleichberechtigung.

Boxerinnen posieren gemeinsam auf der Pressekonferenz vor dem Wettkampf. Zwischen ihnen steht ein durchtrainierter Mann mit Glatze, der einen Berliner Bären hält.

Meinke (r.) will der Welt zeigen, „dass Frauenboxen sehr gut ist“ Foto: imago

Eine winzige Wahrscheinlichkeit nur, aber es ist die größte Chance im Sportlerinnen-Leben der Nina Meinke. Die 30-jährige Berliner Profiboxerin trifft in der puertoricanischen Hauptstadt San Juan auf den Superstar Amanda Serrano. Historisch ist dieser WM-Kampf im Federgewicht, der in der Nacht von Samstag auf Sonntag stattfindet, auch für Puerto Rico. Denn ein Boxevent (DAZN/4 Uhr) MEZ) dieser Größenordnung hat es dort noch nicht gegeben.

Amanda Serrano, 35 Jahre alt, stammt aus San Juan, auch wenn sie in New York lebt. Nicht nur den Heimvorteil hat sie, sondern auch sportlich ist die Rechtsauslegerin hochfavorisiert. „Natürlich ist Amanda eine sehr starke Boxerin, und ich habe großen Respekt vor ihr“, sagt Nina Meinke, „aber ich bin auch eine sehr gute Kämpferin.“ Bedenkt man das übliche Ballyhoo vor großen Boxkämpfen, ist das eine bemerkenswert demütige Äußerung. Meinkes Trainer Kay Huste beurteilt die Chancen seiner Boxerin sogar noch zurückhaltender: „Amanda Serrano ist das Beste, was das Frauenboxen zu bieten hat.“

Ganz stimmt das nicht, denn im April 2022 musste Serrano eine Niederlage gegen Katie Taylor akzeptieren – es ging um den Titel im Leichtgewicht. Gegen die Irin Taylor hat auch Nina Meinke schon verloren – 2018 durch technischen K. o. Aber beider Karrieren tat das keinen Abbruch.

In sieben Gewichtsklassen wurde Serrano Weltmeisterin, und im Federgewicht gilt sie weiterhin als unschlagbar. Auf der Weltrangliste des Magazins „The Ring“ wird Meinke immerhin als Nummer zwei geführt, und das macht die Berlinerin zumindest ein bisschen optimistisch. „Ich bin auch eine erfahrene Boxerin. Das wird ein großartiger Kampf werden. Wir werden der Welt zeigen, dass Frauenboxen sehr gut und stark ist.“

Kampfzeit wie bei den Männern

Die Stärke des Frauenboxens ist ein wichtiger Punkt, der nicht nur den 18.000 Zuschauern in der ausverkauften Halle „Choliseo“ auffallen wird: Serrano und Meinke bestreiten nicht nur den Hauptkampf des Abends. Ihr Duell wird bedeutender eingestuft als die ganzen Männerkämpfe – bei Box­events immer noch eine Seltenheit. Ungewöhnlich ist auch, dass der Kampf auf 12 Runden angesetzt ist, von denen jede 3 Minuten dauert. Was im Männerboxen üblich ist, findet bei den Frauen nun erst zum zweiten Mal statt. Bislang waren es hier immer nur 10 Runden à 2 Minuten.

Durchgesetzt hat diese neue Regel eine Boxerin fast im Alleingang – Amanda Serrano, als sie im Oktober 2023 gegen Danila Ramos angetreten war. Wie wichtig Serrano die Forderung nach Gleichbehandlung mit den männlichen Berufskollegen war, zeigte sich schon daran, dass sie für den Ramos-Kampf ihren Status als unangefochtene Federgewichtsweltmeisterin aufgab. Während die Weltverbände WBO, IBF und WBA wie auch „The Ring“ ihn als WM-Kampf anerkannten, lehnte die WBC ab. Deren Präsident Mauricio Sulaimán behauptete, Frauen seien aufgrund ihres Körperbaus anfälliger für Gehirnerschütterungen; aus fürsorglichen Gründen werde der Kampf nicht lizenziert.

„Das war definitiv keine leichte Entscheidung für mich“, begründete Serrano dieser Tage noch einmal ihre Entscheidung, damals den WBC-Titel niederzulegen. „Ich habe so hart für all diese Gürtel, all diese Titel gearbeitet. Und dann etwas aufzu­geben, das man wirklich liebt und für das man hart gearbeitet hat… Das tut weh. Aber wenn man an etwas glaubt, muss man Stellung beziehen.“

Wenige Tage nach dem Sieg über Ramos legte Serrano zusammen mit etlichen anderen Weltklasseboxerinnen ein Manifest namens „Our Choice“ vor. Es ist die Forderung nach gleichen Börsen und gleicher Behandlung im Profisport. Serrano erinnerte an die besondere Rückständigkeit der Boxverbände – im Vergleich etwa zum Mixed Martial Arts, wo sie auch aktiv ist. „Boxerinnen kämpfen im MMA 5-Minuten-Runden, genau wie ihre männlichen Kollegen. Selbst beim Bare-Knuckle-Boxen konkurrieren Frauen und Männer nach den gleichen Regeln.“ Bare-Knuckle ist das kaum reglementierte Kämpfen, wie es bis Ende des 19. Jahrhundert üblich war.

Für Serrano wird es nun der zweite, für Nina Meinke der erste Kampf nach dem neuen, gleichberechtigten Reglement. „Bammel vor den 3-Minuten-Runden habe ich jetzt nicht mehr“, sagt Meinke. Im Training hat sie oft gegen Männer über diese Distanz gekämpft. 150 Sparringsrunden wurden es beim Training in der Dominikanischen Republik, wo zur Akklimatisation die Vorbereitung stattfand. „Nina ist echt zwei, drei Mal über die Belastungsgrenze gegangen und in ein Riesenloch gefallen“, sagt ihr Trainer Huste.

Schaut man sich die Angaben der Buchmacher an, geht Serrano mit einer Siegchance von 93 Prozent in den Kampf. Meinke und ihr Trainer kennen ihre Außenseiterrolle. Aber die Berlinerin hat sich so ernsthaft wie irgend möglich auf ihre kleine Chance vorbereitet. „Ich bin bereit. Jetzt entscheidet der Kopf“, sagt sie. Und sie betont, wie wichtig ihr allein schon die Teilnahme ist. „Amanda ist eine herausragende Persönlichkeit, die den Frauenboxsport und den Kampf um Gleichberechtigung bereits so stark nach vorne gebracht hat, dass ich mehr als stolz bin, ein Teil dieser Bewegung zu sein.“

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