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Bootsflüchtlinge im MittelmeerStatt Hilfe kommt das Militär

Die „Sophia“-Mission zur Rettung von Flüchtlingen wird durch einen militärischen Marineeinsatz ersetzt. Waffenhändler sollen so abgefangen werden.

Wird sie wieder auslaufen? Fregatte Augsburg war auch bei der Operation Sophia dabei Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa/picture alliance

BRÜSSEL taz | Die EU hat den Weg für einen neuen Marineeinsatz vor der libyschen Küste freigemacht. Dabei soll die Überwachung des Waffenembargos gegen das nordafrikanische Land im Mittelpunkt stehen, sagte Außenminister Heiko Maas in Brüssel. Die frühere Mission „Sophia“, die vor allem Bootsflüchtlinge gerettet hat, werde nicht fortgeführt.

Die Entscheidung kam überraschend. Noch am Montagmorgen hatte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärt, er rechne frühestens im März mit einem Beschluss. Vor allem Österreich und Ungarn hatten sich gegen eine Verlängerung von „Sophia“ gesträubt. Die alte EU-Mission habe Schlepper begünstigt und Flüchtlinge angezogen, hieß es.

Nach einer kontroversen Debatte einigten sich die EU-Außenminister am Montag darauf, „Sophia“ durch eine neue, vorwiegend militärisch ausgerichtete Mission zu ersetzen. Sie soll nicht mehr unmittelbar vor der Küste Libyens tätig werden, sondern weiter im Osten, wo die Routen der Waffenhändler etwa aus der Türkei vermutet werden.

Maas sprach von einem „positiven Grundsatzbeschluss“. Die Details müssten noch festgelegt werden, sagte er. Das Waffenembargo war bei der Berliner Libyen-Konferenz im Januar verhängt worden. „Wichtig ist die Grundsatzentscheidung dafür, dass die EU ihrer Verantwortung gerecht wird und dazu beiträgt, dass das Waffenembargo nicht gebrochen wird.“

„Sophia ist Geschichte“

Deutlich reservierter äußerte sich Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg. „Dies ist keine humanitäre Mission“, sagte er. „Wir wollen keine Mission, die wieder von Schleppern für ihr Geschäftsmodell missbraucht wird“. Deshalb werde „Sophia“ nicht verlängert, sondern durch einen neuartigen Militäreinsatz mit Marinebooten ersetzt. „Sophia ist Geschichte“, so Schallenberg.

Sollte die neue EU-Mission dazu führen, dass wieder mehr Bootsflüchtlinge den Weg nach Europa suchen, so werde der Einsatz beendet, betonte der Österreicher. Indirekt bestätigte dies auch sein deutscher Amtskollege Maas. Bei „falschen Entwicklungen“ werde die Mission nicht weiter geführt, sagte der SPD-Politiker. Dahinter steht das Problem, dass sich die EU-Staaten immer noch nicht über die Verteilung von Flüchtlingen einig sind.

„Sophia“-Schiffe hatten seit Gründung der Mission 2015 rund 45.000 gerettete Flüchtlinge nach Italien gebracht. Rom ist jedoch nicht mehr bereit, die Menschen aus Libyen dauerhaft aufzunehmen. Deutschland und Frankreich haben sich zwar grundsätzlich bereit erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen. Sie fordern dafür jedoch einen EU-Beschluss, der bisher nicht zustande gekommen ist.

Auch ein Verteilerschlüssel, den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erarbeitet hatte, fand keine Mehrheit. Die EU-Außenminister gehen daher einen neuen Weg – und tun so, als werde die neue Marinemission keine – oder nur sehr wenige – Bootsflüchtlinge aufnehmen. Wie das in der Praxis funktionieren soll, konnte in Brüssel jedoch niemand sagen. Unklar blieb auch, was die EU gegen Waffen unternehmen will, die auf dem Luftweg nach Syrien kommen.

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10 Kommentare

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    Ungleichheit in Vermögen und in Einkommen, aber auch in Bildung und Gesundheit, behindern die Entwicklung von Einzelnen und von Gesellschaften.«

    Vgl. www.oxfam.de/unser...ziale-ungleichheit

  • Zwei Kommentaren sind hier ohne Warnung verschwunden oder gelöscht worden. ??!!



    Auch vom Profil-Archiv..

    • Bruno , Moderator
      @Eulenspiegel:

      Hallo, Ihr Kommentar wurde irrtürmlich gelöscht, wir haben ihn wieder freigeschaltet. Ansonsten wurden keine Kommentare von Ihnen gelöscht. Wenn Sie Fragen zu Kommentaren haben, schreiben Sie uns bitte an: kommune@taz.de

  • "Wird sie wieder auslaufen? Fregatte Augsburg war auch bei der Operation Sophia dabei"

    Die Augsburg schon mal ganz sicher nicht, die ist nämlich am 18.12.2019 außer Dienst gestellt worden.

    www.br.de/nachrich...ausgedient,Rkzdv0f

  • Die wenigsten Politker*innen haben Kinder damit auch keine Enkelkinder. Ich überlege mir , wie ich das späterhin meinen Enkelkindern erklären will, das Klimawandel mitverursachende/ verstärkende/ beschleunigende Millitäraktionen finanziert werden. Die Rettung von Menschen aus von überwiegend denselben "Zensurwort" verhindert werden. Für Ideen bin ich offen

  • Hauptsache: keine Rettung.



    Wenn Ungarn, Österreich, Polen, Slowakei oder Werweissichland etwas gegen Rettung haben, sind sie frei, die Teilnahme ihrer gewaltigen Marinen zu verweigern. Dass andere EU Staaten sich beugen und den Mythos der Schlepper als Verursacher des Migration und der Flucht als glaubwürdig annehmen ist eine Negierung aller europäischer Werte und eine riesige Schande, die unsere Staaten lang tragen werden. Auch vor der Geschichte.



    Also, Abschreckung durch Ertrinken, weiter. Schleppen entsteht nur aus Mangel legaler Mittel, hier anzukommen. Verbot schafft Schwarzmarkt. Kostet den Opfern Geld, kostet Leben.

    • @Eulenspiegel:

      Sehe ich auch so. Europäische Werte? Damit sind wohl die Wertpapiere gemeint.

      Erschütternd.

  • Ich gehe davon aus, dass die militärischen Schiffe auch Migranten aufnehmen, sie können die Menschen ja nicht in Sichtweite ertrinken lassen. Und an Bord eines solchen großen Militärschiffes fühlen sich die Migranten vermutlich sicherer als auf einem kleinen NGO-Schiff. Ginge mir zumindest so. Auch die Versorgungslage dürfte besser sein. (Und das Verwaltungsprocedere hinsichtlich Asylantrag darf sich, so nehme ich an, ohnehin nicht davon unterscheiden,ob man von einem Marineschiff oder einem NGO-Schiff aufgenommen wird.)

    • @*Sabine*:

      Lesetipp: Lass uns mit den Toten tanzen, von Pia Klemp. Vermutlich sehr realistischer Einblick in die Realität

      • @Lurkus:

        Danke für den Lesetipp.

        Zwischenzeitlich habe ich aus einem anderen Artikel der taz auch erfahren, dass die Militärschiffe beabsichtigt nicht dort fahren sollen, wo sich die Migranten üblicherweise aufhalten.